Kinderernährung – eine Wissenschaft?

September 2011 | Ernährung & Genuss

Ein Wegweiser durch den Dschungel der Empfehlungen
 
Wer seinem Kind mit der richtigen Ernährung einen guten Start ins Leben ermöglichen will, hat es nicht leicht: Experten überschlagen sich mit oft sogar widersprüchlichen Ratschlägen.
MEDIZIN populär bringt einen Wegweiser durch den Dschungel der Empfehlungen – von der Bei- zur Familienkost.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Geben Sie im ersten Lebensjahr keine Nüsse, Eier oder Fisch! Versorgen Sie Ihr Kleinkind ausreichend mit wertvollen Fettsäuren! Vorsicht mit tierischem Eiweiß! – In Anbetracht der vielen verschiedenen Empfehlungen ist es kein Wunder, wenn Eltern die Ernährung ihres Kleinkindes wie eine schwierige Wissenschaft erscheint. Doch welche der Empfehlungen gelten heute noch? Und wie setzt man sie im Alltag um?
Sicher ist: Es lohnt sich, Babys Speiseplan unter die Lupe zu nehmen, schließlich ist die richtige Nahrungsauswahl wesentlich für die kindliche Entwicklung, während Ernährungsfehler der Gesundheit nachhaltig schaden können. Erst kürzlich warnten heimische Experten wieder: Unsere Kleinkinder essen zuviel tierisches Eiweiß, während es ihnen an Mikronährstoffen wie Eisen oder Vitamin D mangelt.    

Eisen & Zink: Gut fürs Gehirn
Wenn bestimmte Nährstoffe in Muttermilch oder Säuglingsnahrung knapp werden, ist es an der Zeit, zusätzlich die ersten Löffelchen Babybrei zu füttern. „Abhängig vom jeweiligen Entwicklungsgrad des Kindes sollte man die Beikost rund um das sechste Lebensmonat einführen, nicht jedoch vor Beginn des fünften und nicht nach Ende des sechsten Monats“, erklärt Univ. Doz. Dr. Ingrid Kiefer, Ernährungswissenschafterin der AGES. „Sie sollte am Beginn vor allem gut verfügbare Eisen- und Zinkquellen enthalten – Fleisch und Getreide sind reich an Eisen und Zink.“ Eisen ist wesentlich für Blutbildung und Hirnentwicklung, zusammen mit Zink fördert es zudem motorische Fähigkeiten.

Hochwertige Fette: Öle für die kindliche Entwicklung
Eine weitere wichtige Zutat auf Babys Speiseplan sind hochwertige Fettsäuren. „Säuglinge brauchen als einzige Altersgruppe nicht fettreduziert zu essen“, betont Prim. Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde am Landeskrankenhaus St. Pölten. Die für die kindliche Entwicklung wertvollen langkettigen ungesättigten Fettsäuren sind in Pflanzenölen wie Raps-, Walnuss-, Weizenkeim- oder Olivenöl und in Fischen (z. B. Makrele, Lachs) enthalten. „Pro 200 Gramm Brei sollte man einen Esslöffel pflanzliches Öl beimengen“, sagt Ingrid Kiefer. Bei industriell hergestellter B(r)eikost gibt das Etikett Aufschluss darüber, ob Fett enthalten ist.

Vitamin D: Stärkt die Knochen
Mangelware (nicht nur) im Kleinkindalter ist Vitamin D, das u. a. für den Knochenstoffwechsel bedeutsam ist. „Um Rachitis vorzubeugen, sollte Vitamin D zumindest im gesamten ersten Lebensjahr und im ersten Lebenswinter in Form von Vitamin D3-Tropfen verabreicht werden“, betont Kinderfacharzt Zwiauer. Bei Kindern, die selten in der Sonne sind, sei die Gabe auch darüber hinaus sinnvoll. Da der Körper Vitamin D nur mithilfe von Sonnenlicht selbst herstellen kann, sollte man – insbesondere in den lichtarmen Monaten – die Nahrungsmittel sorgfältig auswählen: Fisch (z. B. Makrele, Lachs) zählt ebenso zu den Vitamin D-Quellen wie Champignons und Eier.

Fisch, Nüsse, Eier: Zur Allergieprävention
Radikal hat sich die Einstellung punkto Allergieprävention geändert: Im Gegensatz zu früher sind Lebensmittel, die potenziell Allergien verursachen können (z. B. Fisch, Eier, Nüsse), im ersten Lebensjahr nicht mehr verpönt. Die Annahme, man könne mit dem Vermeiden das Allergierisiko senken, hat sich als falsch erwiesen, aktuelle Studien belegen sogar das Gegenteil. Karl Zwiauer: „Offenbar ist bei Einführung von Fisch im fünften oder sechsten Lebensmonat die geringste Rate an Allergien zu finden.“ Neben Eiern können auch Nüsse gegeben werden; um das Verschlucken zu vermeiden, sollte man letztere fein vermahlen.

Gluten in kleinen Mengen: Schutz vor Unverträglichkeit
Auch punkto glutenhältiger Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Hafer oder Dinkel gibt es neue Erkenntnisse. „Während man früher strikt davon abgeraten hat, wird heute empfohlen, der Beikost von Anfang an kleinere Mengen glutenhältiger Getreide beizufügen, indem man etwa einen Löffel Grieß oder eine halbe Scheibe ungesüßten Zwieback gibt“, berichtet Kiefer. Glutenhältiges sollte nicht vor dem fünften Lebensmonat gegeben werden. „Der wichtigste Wirkfaktor bei der Einführung von Gluten ist der Schutz durch die Muttermilch“, ergänzt Zwiauer. „Wird im fünften, sechsten Monat gleichzeitig mit dem Stillen Gluten eingeführt, ist die Zöliakierate am geringsten.“ Das heißt, dass Kinder in diesem Fall am seltensten eine Unverträglichkeit gegen den Getreidebestandteil Gluten entwickeln.

Heikles Lebensmittel: Milch
Im ersten Lebensjahr sollten keine Kuhmilch oder -produkte gegeben werden“, betont Kinderarzt Zwiauer. „Bei Kindern, die im ersten Lebensjahr sehr viel Milch bekommen, kommt es zu verborgenen Blutungen aus dem Darmbereich, die dazu führen, dass das Kind mit dem Blut Eisen verliert.“ Eisenmangel wiederum beeinträchtigt die kindliche Entwicklung. Ab dem ersten Lebensjahr kann Milch in Maßen eingeplant werden. „Die empfohlene Menge liegt bei etwa einem Drittel Liter Milch pro Tag für Kinder bis zum vierten Lebensjahr“, so der Arzt. Die gesundheitlichen Aspekte des Tiermilchkonsums bis Ende des dritten Lebensjahrs werden derzeit von Expertinnen und Experten im Rahmen des Projekts „Richtig essen von Anfang an!“ systematisch untersucht.

Die guten ins Töpfchen: Proteine
Wesentlich ist weiters die richtige Auswahl von Proteinquellen (Eiweiß). Studien konnten einen Zusammenhang zwischen proteinreicher Säuglingsnahrung und kindlichem Übergewicht belegen. Für die optimale Versorgung im ersten Lebensjahr sollten Mütter, die nicht außerdem noch stillen, sogenannte Pre-Nahrung ­bevorzugen. „Sie ist am besten an das Nährstoffprofil der Muttermilch adaptiert“, sagt Kiefer. „Ansonsten sollte ein Kind von bis zu drei Jahren eine Portion hochwertiges Protein – Fleisch, Fisch, Ei, Hülsenfrüchte – täglich verzehren.“

Schluck für Schluck: Babys Getränke
Mit Einführung der Beikost sollte man beginnen, dem Kind zusätzliche Getränke anzubieten. „Ideal ist Leitungswasser“, betont Ingrid Kiefer. „Puren Fruchtsaft sollte man, wenn unbedingt notwendig, immer nur stark verdünnt geben.“ Mit ungesüßten Getränken unterstützt man außerdem die Zahngesundheit seines Kindes. Bezüglich der Trinkmengen „geht man davon aus, dass Säuglinge selbst entscheiden, wie viel sie trinken wollen“, so die Expertin. Wichtig sei, dem Kind regelmäßig etwas zu trinken anzubieten.

Über all diesen Empfehlungen sollten Eltern eines nicht vergessen: „Essen sollte Spaß machen“, betont Kinderfacharzt Zwiauer. Strikte Reglementierungen sind fehl am Platz, stattdessen sollte man sein Kind darin bestärken, auf das Hunger- und Sättigungsgefühl zu hören – und die Kost zu genießen. „Die eigentliche Kunst besteht schließlich darin“, so das Fazit des Mediziners, „im Überfluss zu entscheiden, was man weglassen kann.“

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Die aktuellen Empfehlungen
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Univ. Doz. Dr. Ingrid Kiefer und Prim. Univ. Prof. Dr. Karl Zwiauer

Um den Nachwuchs optimal zu versorgen, gelten jetzt für die Kost in den ersten drei Lebensjahren die nachfolgend beschriebenen Empfehlungen. Sie basieren auf den österreichischen Beikostempfehlungen, die im Rahmen des Projekts „Richtig essen von Anfang an!“ erstellt wurden und erstmals einheitliche, auf aktuellem Wissenstand basierende Informationen bieten. An dem Projekt sind das Bundesministerium für Gesundheit, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) beteiligt.

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