Lungentransplantationen werden immer häufiger

Februar 2009 | Medizin & Trends

Mit neuer Lunge leben
 
Lungenerkrankungen wie COPD, die chronisch obstruktive Bronchitis, nehmen weltweit dramatisch zu. Im Endstadium kann den Kranken eine Lungentransplantation, die als zunehmend schonende Routinebehandlung gilt, zu einem neuen Leben verhelfen. Lesen Sie in MEDIZIN populär über den lebensrettenden Eingriff – und wie es sich mit einer neuen Lunge lebt.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Vor der Lungentransplantation quälten Elisabeth Netter (siehe Interview) massive Atembeschwerden, sie trug ein Sauerstoffgerät – für einen Spaziergang über den Wiener Graben brauchte sie zwei Stunden. Heute fühlt sich die 61-Jährige, die seit sieben Jahren mit einer fremden Lunge lebt, gesundheitlich sehr wohl und führt „ein ganz normales Leben“.

Sie reise, wandere und tanze gern und engagiere sich vor allem für andere Betroffene, erzählt Netter, Obfrau des Österreichischen Verbands der Herz- und Lungentransplantierten (HLuTX). Erstmals bemerkbar machten sich die Atemprobleme, die sich dann Jahr um Jahr verschlimmerten, im Alter von 31 beim Bergwandern. Es dauerte 20 Jahre, bis man die Ursache für die Beschwerden fand: Alpha-1-Antitrypsinmangel, ein genetischer Defekt, der u. a. zu einem Lungenemphysem (Überblähung der Lungen) führen kann. Drei Jahre nach der Diagnose, 2001, wurden Netter am Wiener AKH beide Lungenflügel transplantiert.

Wenn die Luft wegbleibt

Lässt sich eine schwere Lungenerkrankung auf herkömmlichem Weg nicht mehr ausreichend behandeln, wird eine Lungentransplantation erwogen. Als hochspezialisiertes Verfahren kann sie die Lebenserwartung und Lebensqualität der Schwerkranken enorm verbessern – andernfalls müssten viele Patienten innerhalb eines Jahres, manche sogar binnen weniger Monate sterben. „Wir haben im Vormonat zehn Patienten die Lungen transplantiert, drei davon hingen an der Beatmungsmaschine – sie waren im Endstadium der Lungenerkrankung“, berichtet Univ. Prof. Dr. Walter Klepetko, Leiter des Lungentransplantationsprogramms an der Klinischen Abteilung für Herz-Thoraxchirurgie an der Universitätsklinik Wien.

Bei welchen Erkrankungen kommt eine Transplantation in Frage? „Sie wird bei Lungenhochdruck oder einer Fibrose, also einer krankhaften Vermehrung von Lungengewebe durchgeführt“, erläutert Klepetko. „Eine weitere Indikation ist die zystische Fibrose, auch Mukoviszidose genannt, eine vererbbare Stoffwechselstörung, bei der die Körpersekrete so zähflüssig sind, dass sie in den Lungen die Luftwege verstopfen.“ Auch ein Lungenemphysem kann eine Transplantation nötig machen. Zu den Emphysemen zählt auch die chronisch obstruktive Bronchitits (COPD), eine Erkrankung, die immer häufiger wird – ein weiterer Anstieg bei Transplantationen ist zu erwarten. „Die Altershöchstgrenze für den Eingriff liegt theoretisch bei 65 Jahren“, erklärt der Spezialist. „Was aber vor allem zählt, ist die allgemeine Konstitution des Patienten.“

Der Eingriff

Ist nach unterschiedlich langer Wartezeit – es kann sich dabei um ein paar Tage, aber auch um Monate handeln – ein passendes Organ verfügbar, muss binnen acht Stunden operiert werden. Der Eingriff selbst dauert zwischen drei und acht Stunden – je nachdem, ob es sich um eine ein- oder beidseitige Lungentransplantation handelt. „Zumeist werden beide Lungen transplantiert, z. B. bei der zystischen Fibrose“, berichtet Klepetko. „Bei zehn bis 15 Prozent wird nur eine Lunge transplantiert.“

Entscheidend für den Erfolg der Behandlung ist neben dem chirurgischen Eingriff  die „Patientencompliance“. Das bedeutet, „dass die Patienten sich an das halten, was ihnen von den Ärzten empfohlen wurde“, betont der Facharzt. „Das umfasst einen vernünftigen Lebenswandel, eine ausgewogene Ernährung sowie – je nach Zustand des Patienten – Sport in Maßen.“ Vor allem aber müssen die Medikamente wie vorgeschrieben eingenommen und die Kontrolluntersuchungen wahrgenommen werden. Vorrangiges Ziel: Infektionen, die das Immunsystem schwächen und eine Organabstoßung nach sich ziehen können, vorzubeugen. Das Problem: Aufgrund der vielen Medikamente – neben Antibiotika und Cortison müssen so genannte Immunsuppressiva eingenommen werden –  ist die Immunabwehr geschwächt, die Patienten sind infektanfälliger.

Lebenslange Maßnahmen

Ohne Immunsuppressiva wäre eine Transplantation undenkbar. Ihr Zweck: Die Medikamente senken die Immunabwehr des Körpers, sodass er das fremde Organ akzeptiert und nicht abstößt. „Bei der Immunsuppression gibt es immer speziellere Medikamente, die genau auf die Situation der Patienten abgestimmt werden können und das Risiko für Folgeinfektionen oder eine Organabstoßung reduzieren“, erklärt Walter Klepetko. Und woran erkennt man, dass der Körper, trotz aller Maßnahmen, die Lunge abstößt? „Hinweis auf eine chronische Organabstoßung kann eine zunehmend schlechte Lungenfunktion sein“, so Klepetko. Eine akute Abstoßung kann sich in Form von Husten oder Fieber ankündigen. 

Selbst bei scheinbar harmlosen gesundheitlichen Problemen (z. B. erhöhte Temperatur, Durchfall) müssen Lungentransplantierte, um eine Organabstoßung auszuschließen, ihre Transplantklinik aufsuchen. Daneben gilt es, auf manches dauerhaft zu verzichten: Öffentliche Saunen- und Thermenbesuche sind wegen der Infektionsgefahr ebenso tabu wie das Hantieren mit Blumenerde (Schimmelgefahr),  Menschenansammlungen in der Grippezeit sind zu meiden. Aufgrund der veränderten Immunabwehr sind die Betroffenen auch anfälliger für Krebserkrankungen. „Vor Hautkrebs kann man sich gut mit einer speziell für Transplantierte entwickelten Sonnenschutzcreme schützen“, weiß Netter.

Trotz aller Regeln und Risken würden sich „fast alle Patienten aufgrund der gewonnenen Lebensqualität wieder transplantieren lassen“, wie Elisabeth Netter berichtet. „Es gibt aber auch Betroffene, denen es nicht so gut geht, weil sie z. B. immer wieder Infekte haben.“ Sie selbst hatte bislang keine Probleme – und dank der neuen Lunge kommt sie kaum mehr außer Atem. „Unlängst habe ich zwei volle Einkaufstaschen drei Stockwerke hinaufgetragen, ohne einmal stehen zu bleiben“, freut sie sich.

INTERVIEW

„Wir haben eine Lunge für Sie“

Wie Elisabeth Netter die Zeit vor und nach der Transplantation erlebte

MEDIZIN populär:
Frau Netter, wie war das Leben vor der Lungentransplantation für Sie?

Elisabeth Netter:
Es war schon mehr als mühsam – quälend im ganzen Körper. Zuletzt musste ich immer mit Sauerstoff versorgt sein, sogar beim Duschen.

Wie reagierten Kollegen und Bekannte auf Ihren schlechten Zustand?
Oft mit Hilflosigkeit und Unverständnis. Bemerkungen wie „Das ist wahrscheinlich psychosomatisch, probier’ doch eine Therapie“ oder „Es gibt doch eh soviel Luft – wieso kriegst du nicht genug?“ bekommen viele Betroffene zu hören.

Wie lange mussten Sie auf eine Spenderlunge warten?
Ich hatte außerordentliches Glück: Am 3. Oktober 2001 kam ich auf die Warteliste, schon am nächsten Tag kam der Anruf: „Wir haben eine Lunge für Sie!“

Und wie lebt es sich mit einer fremden Lunge?
Wie jeder Patient habe ich mich vorher damit auseinandersetzen müssen, mit einem fremden Organ von einem toten Spender zu leben. Das erste Empfinden nach der Operation war tiefe Dankbarkeit, jetzt meine neue Lunge zu haben! So ist das auch geblieben.

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100 Eingriffe im Jahr: 

Wiener AKH ist Weltspitze

In Sachen Lungentransplantation zählt das Wiener AKH, an dem der Eingriff seit 1989 durchgeführt wird, zur Weltspitze. „Wir haben im vergangenen Jahr erstmals  über 100 Lungentransplantationen durchgeführt“, berichtet Univ. Prof. Dr. Walter Klepetko. Die Überlebenschancen der operierten Patienten? „Die Einjahres-Überlebensrate liegt bei 85 Prozent, die Fünf-Jahresüberlebensrate bei 75 Prozent“, weiß der Spezialist. „Wir haben auch Patienten, die bereits seit 14 Jahren gut mit einer fremden Lunge leben.“ Am häufigsten wird die Transplantation bei COPD und zystischer Fibrose durchgeführt.

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Info Tipp

Ziel des „Österreichischen Verbands der Herz- und Lungentransplantierten“ (HLuTX) ist die „Förderung der Transplantation als Leben erhaltende und Lebensqualität spendende Therapieform“. „Wir informieren z. B. Lungenfachärzte, Ärzte und Pfleger von Intensivstationen darüber, wie viel Lebensqualität aufgrund einer Transplantation möglich ist“, berichtet die Verbandsobfrau Elisabeth Netter.

Auch die Aufklärung zum Thema Organspenden nehmen die Transplantierten ernst. In Österreich kommt vom Gesetz her jeder Mensch, dessen Hirntod feststeht, als Organspender in Frage. „Wir wollen, dass Menschen zu Lebzeiten entscheiden, ob sie sich ins Widerspruchsregister eintragen lassen und kein Organspender sein wollen, oder ob sie bereit sind, nach ihrem Tod noch Leben zu retten.“

Weitere Informationen: www.hlutx.at,
Telefon 01/532 87 69 oder 0664 7366 7150.

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