Quickie wider Willen

April 2012 | Partnerschaft & Sexualität

Was gegen vorzeitigen Samenerguss hilft
 
Mit stunden- oder gar nächtelangen Liebesspielen wird gerne geprahlt, doch in Wirklichkeit ist der Spaß in vielen Fällen allzu schnell vorbei.
Bis zu 30 Prozent der Männer leiden an vorzeitigem Samenerguss. Es gibt Hilfen gegen den Quickie wider Willen, doch die meisten Betroffenen scheuen den Weg zum Arzt.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Mit wem darüber reden? Mit dem besten Freund? Mit dem Tennispartner? Dem Arbeitskollegen? – Auf keinen Fall! Und mit dem Arzt? – Lieber nicht! Das finden die meisten Männer, die an vorzeitigem Samenerguss leiden, weiß der Linzer „Männerarzt“, Sexualmediziner und Allgemeinmediziner Dr. Georg Pfau. Dabei sind sehr viele von dem Problem betroffen: Bei Befragungen, die für verschiedene Studien durchgeführt wurden, gaben stets jeweils 20 bis 30 Prozent der Männer an, beim Sex fast immer zu früh zu kommen.
Bei der Frage, wie früh zu früh ist, scheiden sich die Geister. Besonders streng ist die WHO. Für sie besteht das Leiden sinngemäß dann, wenn der Mann unfähig ist, die Ejakulation so weit zu kontrollieren bzw. hinauszuzögern, dass beide Partner Freude am Sex haben. Aber auch die Männer selber setzen sich oft allzu ehrgeizige Ziele: „Viele haben ein Problem, obwohl sie verhältnismäßig lang, nämlich zehn, 15 Minuten können“, so Pfau. Viele leiden wiederum, weil der Spaß für sie nach fünf Minuten vorbei ist. Nur wenigen würden Sexualmediziner bestätigen, dass sie tatsächlich vorzeitigen Samenerguss haben: Die Mediziner sprechen erst dann davon, wenn es vom Zeitpunkt des Eindringens des Penis in die Scheide binnen einer Minute zur Ejakulation kommt – oder schon bevor es richtig zur Sache gehen konnte.

Leistungsdruck auch im Bett

Übrig bleibt, dass der vorzeitige Samenerguss die mit Abstand häufigste Sexualstörung des Mannes ist. Um diese Störung, die in der Fachsprache der Mediziner „Ejaculatio praecox“ genannt wird, aus der Welt zu schaffen, muss die Ursache dafür gefunden werden. Und die sitzt bei den allermeisten Männern im Kopf, will heißen: Das Leiden ist psychisch bedingt. „Männer mit vorzeitigem Samenerguss sind entweder extrem leistungsorientiert und sehr darauf bedacht, auch im Bett ihre Leistung zu erbringen“, weiß Pfau. Zu dem damit naturgemäß einhergehenden Leistungsdruck gesellen sich vielfach eine sehr selbstkritische Einstellung und die Unfähigkeit, sich richtig zu entspannen. Auch Schamgefühle und Ängste quälen viele Männer, die zu früh kommen: Sie fürchten, ein schlechter Liebhaber zu sein, diesbezüglich Vorwürfe von der Partnerin zu hören und letztendlich keine Beziehung auf Dauer führen zu können. Selten, aber doch geht der vorzeitige Samenerguss auf körperliche Besonderheiten oder sogar auf Erkrankungen zurück (siehe „Wenn’s nicht an der Psyche liegt“).

Unfreiwillig single

Was, wenn man nichts gegen das Leiden unternimmt, weil das Reden darüber einfach zu peinlich ist? Dann kommt es nach den Erfahrungen von Sexualmedizinern nicht selten dazu, dass getreu der Regel von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung genau das passiert, was die Männer befürchten: „Sie können tatsächlich keine dauerhafte Beziehung führen, suchen sich ungewollt immer wieder neue Partnerinnen oder bleiben unfreiwillig Single“, sagt Pfau. „Schlimmstenfalls ziehen sie sich zurück und verlieren ihre Lebensfreude.“ Das mündet für manche wiederum in depressive Verstimmungen bis hin zu Depressionen. Parallel können Betroffene sozusagen in Reaktion auf den frühzeitigen Samenerguss auch noch die zweithäufigste Sexualstörung der Männer entwickeln, also schließlich nicht einmal mehr eine Erektion bekommen, was den Geschlechtsverkehr gänzlich unmöglich macht.

Irrmeinungen ausräumen

Damit es nicht so weit kommt, rät Männerarzt Pfau den Männern, ihre Scheu zu überwinden und zu einem Arzt zu gehen, der auch Sexualmediziner ist. Da meistens die Psyche dem erfüllenden Sexleben im Wege steht, kann, so Pfau, den Betroffenen mit einer Psychotherapie am besten geholfen werden. „Sie besteht im Idealfall aus einer Gesprächstherapie, bei der auf individuelle Defizite eingegangen wird“, sagt Pfau. Sehr oft reicht es schon, mit falschen Vorstellungen aufzuräumen und darauf hinzuweisen, dass Geschlechtsverkehr – entgegen der in Männerkreisen verbreiteten Prahlerei und dementsprechenden Darstellungen in Pornofilmen – nicht stunden- und nächtelang dauert, sondern durchschnittlich drei bis fünf Minuten. Pfau: „Wenn die Männer das hören, erkennen viele, dass bei ihnen eh alles normal ist und gehen erleichtert nach Hause.“
Anderen ist geholfen, wenn sie erfahren, dass Leistungsdenken beim Sex unangebracht ist und es bei der intimsten aller Begegnungen zwischen Mann und Frau nicht wie beim Sport um Minuten und Sekunden geht. Wieder andere müssen erst von Ängsten befreit werden, die sie bereits aufgrund ihres Problems entwickelt haben, vor allem von der Angst vor Frauen bzw. davor, überhaupt einen Geschlechtsakt zu versuchen.

Hausaufgaben mit Partnerin

Haben die Männer eine Partnerin, kann die Frau in die Therapie miteinbezogen werden. „Dann werden dem Paar Hausaufgaben gegeben, die nicht vorrangig dazu dienen, den Geschlechtsverkehr zu verlängern, sondern das Gesamterlebnis Sex zu verschönern“, sagt Pfau. Schon allein, wenn bei dem innigen Zusammensein mehr Wert auf eine entspannte, für beide wohltuende Atmosphäre gelegt wird und eine Extraportion Streicheleinheiten auf dem Programm steht, bevor es zur Sache geht, ist es oft nicht mehr so wichtig, ob sich der Penis nun eine halbe Stunde, 15 Minuten, die durchschnittlichen drei bis fünf Minuten oder auch noch kürzere Zeit in der Scheide bewegt.

Mittel zur Starthilfe

Stellt sich auch nach mehreren Therapiesitzungen noch kein Erfolg im Sinn einer Freude beider Partner am sexuellen Akt ein, oder ist der Mann gerade dabei, sich eine neue Beziehung aufzubauen, so kann ihm ein Medikament helfen, das es seit wenigen Jahren gibt. „Die Tabletten werden eine Stunde vor dem Sex eingenommen und verlängern die Dauer des Geschlechtsverkehrs“, erklärt der Salzburger Androloge und Urologe Univ. Prof. Dr. Andreas Jungwirth. Männer, die im Normalfall binnen zehn bis 30 Sekunden nach dem Eindringen in die Scheide ejakulieren, bringen es mit der Tablette oft auf drei bis fünf Minuten – was für sie, wie Jungwirth weiß – eine deutliche Verbesserung ihres Liebeslebens bedeutet. Im Durchschnitt ist, so der Experte, mit einer Verdreifachung der Dauer des Geschlechtsverkehrs zu rechnen. Das neue Mittel, das ärztlich verordnet werden muss, wirkt über die Beeinflussung von Nervenbotenstoffen. „Es ist aber nur als Starthilfe in Richtung eines geänderten Sexerlebens gedacht und eignet sich nicht zur Dauerbehandlung“, ergänzt Pfau.
Als Starthilfen schätzt der Experte auch andere Mittel ein wie Gels, Sprays oder spezielle Kondome, die die Empfindlichkeit der Eichel reduzieren. Den Samenerguss verzögern, indem man während des Geschlechtsverkehrs an etwas Ekelerregendes denkt oder spezielle Handgriffe anwendet, ordnet Sexualmediziner Pfau schließlich ebenso in die Kategorie „Nützt’s nichts, so schadet’s nichts“ ein wie verschiedene Übungen, die der Mann quasi als Trockentraining für sich allein durchführen soll, um sich des Problems zu entledigen.

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Wenn’s nicht an der Psyche liegt

Nicht immer steht die Psyche dem erfüllten Liebesleben im Weg, manchmal, wenn auch selten, ist es der Körper. Eine extrem empfindliche Eichel, ein stets ausgeprägter Samendruck oder Unstimmigkeiten bei der Produktion von Nervenbotenstoffen können zum vorzeitigen Samenerguss führen. Dann beginnt das Leiden schon in der Jugend, und Mediziner sprechen von einer „primären Ejaculatio praecox“. Die sekundäre Variante tritt später auf, also nachdem der Mann bereits sexuelle Erlebnisse von „normaler“ Dauer hatte. Sie kann eine Begleiterscheinung von Veränderungen etwa der Muskulatur im Bereich der Geschlechtsorgane sein, aber auch von Erkrankungen wie Entzündungen der Harnwege oder der Prostata, Multiple Sklerose, Diabetes oder Krebs.

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