Schlaganfall: Bin ich gefährdet?

November 2013 | Medizin & Trends

Er trifft einen so unvermutet wie ein Schlag und kommt dennoch selten aus heiterem Himmel: Die Gefahr für einen Schlaganfall braut sich oftmals über Jahre zusammen, wenn gesundheitliche Probleme ignoriert werden oder unerkannt bleiben. Wie groß ist Ihr Risiko?

Jedes Jahr erleiden allein in Österreich 25.000 Menschen einen Schlaganfall. Danach kann nur die Hälfte von ihnen ohne Einschränkungen weiterleben, während 15 Prozent an mehr oder weniger starken Beeinträchtigungen leiden, weitere 15 Prozent permanent auf Pflege angewiesen bleiben und 20 Prozent versterben. Dabei wäre der Schlaganfall in vielen Fällen vermeidbar gewesen, denn er kommt selten aus heiterem Himmel. „Die Gefahr für einen Schlaganfall braut sich oft über Jahre und Jahrzehnte zusammen“, warnt Prim. Dr. Philipp Werner, Leiter des Instituts für Akutneurologie und Schlaganfall am Landeskrankenhaus Feldkirch sowie Vorstandsmitglied der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft (ÖGSF). Wer seine Risiken kennt und rechtzeitig gegensteuert, hat aber gute Chancen, das Schlimmste zu verhindern:

Risiko Bluthochdruck

Fast jeder dritte Österreicher leidet nach Expertenschätzung an Bluthochdruck, rund 30 Prozent wissen nichts davon. „Das liegt daran, dass Bluthochdruck oft über lange Zeit keine Beschwerden verursacht und daher auch nicht bemerkt wird“, so Werner. Doch Bluthochdruck erhöht das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um das Zwölffache. Der Grund: „Bei Bluthochdruck sind die Blutgefäße hohem Druck ausgesetzt, wodurch sie sich erweitern und weniger elastisch werden, genau wie das bei einem Gartenschlauch der Fall ist, der ständig unter hohem Wasserdruck steht“, erklärt der Schlaganfall-Experte. „Und so wie in einem Wildbach, wo das Wasser mit hohem Tempo ins Tal rauscht und sich in den Kurven Geröll ansammelt, sammeln sich in den Gabelungen der Blutgefäße Ablagerungen, die wir Arteriosklerose nennen.“
Durch die so entstehenden Verletzungen an den Gefäßwänden besteht einerseits die Gefahr, dass ein Gefäß zerreißt und es zu einer Gehirnblutung kommt, andererseits können sich Blutgerinnsel bilden. Diese können wie auch die Ablagerungen selbst mit dem Blut ins Gehirn gespült werden und dort Gefäße verstopfen. „85 Prozent aller Schlaganfälle werden durch die Verstopfung eines Gefäßes im Gehirn verursacht“, zitiert Werner aus der Statistik. 15 Prozent sind auf Gehirnblutungen zurückzuführen.

Risiko Cholesterin

50 Prozent der Österreicher haben gefährlich erhöhte Blutfettwerte, das heißt, der Spiegel des schädlichen LDL-Cholesterins im Blut ist zu hoch. „Das LDL lagert sich an den Gefäßwänden ab, schädigt sie, sorgt für Gefäßwandblutungen und Blutgerinnsel, die nach dem Weitertransport ins Gehirn Gefäße verstopfen können“, erklärt Werner.

Risiko Übergewicht

Mehr als die Hälfte der Österreicher und fast ein Drittel der Österreicherinnen bringen zu viele Kilos auf die Waage. „Bei den meisten Übergewichtigen sind auch die Blutfettwerte erhöht“, verdeutlicht Werner das Problem. Fette bzw. Cholesterin lagern sich an den Gefäßwänden ab und verengen die Gefäße; verstopfen sie, droht ein Schlaganfall. Zudem setzt Bauchfett von sich aus Botenstoffe frei, die im gesamten Körper Entzündungsreaktionen auslösen, Gefäßschädigungen hervorrufen und dadurch das Schlaganfallrisiko erhöhen.

Risiko Diabetes

Rund 170.000 Österreicher leiden an Diabetes mellitus, ohne es zu wissen, und haben damit ein hohes Risiko für einen Schlaganfall: „Bleibt Diabetes unbehandelt, schädigt das Übermaß an Zucker im Blut die Gefäße und beschleunigt die Entstehung von Arteriosklerose.“ Für sich allein genommen erhöht sich das Risiko bei unbehandeltem Diabetes um das Zwei- bis Dreifache. Durch die Gefäßschädigungen kann es außerdem zu Bluthochdruck kommen, der die Schlaganfall-Gefahr noch einmal steigert.

Risiko Dauerstress

Jeder vierte Österreicher gibt an, sich im sogenannten Disstress zu befinden, der negativen Ausprägung von Stress, der das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um das Vierfache steigert. Die Erklärung: „Schlechter Stress erhöht die Pulsfrequenz und den Blutdruck und kann auch zu Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern führen“, so Philipp Werner. „Zudem leben gestresste Menschen meist ungesünder, rauchen häufiger und sind körperlich weniger aktiv.“

Risiko Bewegungsmangel

Bewegungsmangel führt nicht nur zu Übergewicht, er erhöht auch die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden. Der Grund, so Werner: „Wer sich kaum oder nie bewegt, riskiert, dass Herz und Gefäße frühzeitig schwächeln.“ Zudem steigert Bewegungsmangel das Risiko für Arteriosklerose und Diabetes.

Risiko Vorhofflimmern

Etwa 100.000 Österreicher leiden nach Schätzungen von Experten an Vorhofflimmern, rund ein Drittel davon, ohne es zu wissen. „Bei Vorhofflimmern pumpt das Herz das Blut unregelmäßig und daher unzulänglich sowie auch zu langsam durch den Körper“, erklärt Werner das Problem. „Wird das Blut nicht schnell genug weitertransportiert, ist die Gefahr groß, dass sich Blutgerinnsel bilden.“ Gelangen die Blutgerinnsel ins Gehirn, können sie dort ein Gefäß verstopfen. So wird die Sauerstoffzufuhr unterbrochen, Nervenzellen sterben ab – und es kommt zum Schlaganfall. „Vorhofflimmern muss nicht immer zu Beschwerden führen, kann sich aber in Kurzatmigkeit, Herzrasen oder Schwächegefühlen äußern“, streicht Werner die Wichtigkeit der Vorsorge hervor. „Diese Beschwerden werden aber oft auf andere Ursachen zurückgeführt und nicht ernst genommen.“ Fatalerweise, denn Vorhofflimmern erhöht das Risiko für einen Schlaganfall um das Vier- bis Fünffache. Wird das Risiko rechtzeitig erkannt, lässt es sich mit blutverdünnenden Mitteln gut behandeln. Seit kurzem gibt es dazu neue Medikamente, die besser verträglich sind und noch andere Vorteile haben als bisher eingesetzte Präparate.
Auch andere Herzprobleme können die Gefahr für einen Schlaganfall erhöhen. So wird etwa auch bei Herzinsuffizienz bzw. Herzschwäche das Blut nicht in ausreichendem Tempo durch den Körper gepumpt, wodurch oft gefährliche Gerinnsel entstehen.

Risiko Nikotin & Alkohol

„Nikotin und eine Vielzahl anderer Giftstoffe gelangen beim Rauchen über die Mundschleimhaut und die Lunge in den Blutkreislauf“, schildert Werner die Wurzel des Übels. Treffen die Gifte auf die Gefäße, kommt es zu Gefäßkrämpfen, Entzündungsreaktionen und einer Schädigung der Gefäßwände. Diese wiederum können zur Bildung von Blutgerinnseln führen, die einen Schlaganfall auslösen, wenn sie ins Gehirn gelangen. Jeder dritte Österreicher raucht – und setzt sich damit der Gefahr eines Schlaganfalls aus.
Etwas für die Gesundheit seiner Blutgefäße hingegen tut, „wer täglich ein Achtel Wein trinkt“, weiß Werner. Doch viele trinken jeden Tag wesentlich mehr Alkohol und gefährden damit ihre Gesundheit. „Ein ständiges Übermaß an Alkohol wirkt wie Gift auf die Blutgefäße und schädigt sie“, erklärt Werner. Zudem beeinflusst Alkohol die Blutgerinnung insofern ungünstig, als sich leichter gefährliche Blutgerinnsel bilden. Für sich genommen erhöhen Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum das Risiko für einen Schlaganfall um das Dreifache, in der Kombination, so Werner, um das Siebenfache.

Risiko Gene

„Aus Erfahrung weiß man, dass Schlaganfälle familiär gehäuft auftreten“, so Werner. Da dies auf eine gewisse vererbbare Veranlagung schließen lässt, wird diesbezüglich viel geforscht. Werner: „Das eine oder andere defekte Gen, das zu einem erhöhten Risiko führt, konnte zwar schon entdeckt werden, der endgültige Durchbruch ist aber noch nicht gelungen.“ Dennoch gilt erhöhte Vorsicht für Menschen, deren Großeltern, Eltern oder Geschwister einen Schlaganfall erlitten haben.

Risiko Alter

92 Prozent der Schlaganfallpatienten sind über 50 Jahre alt, der Großteil davon hat den 70. Geburtstag schon hinter sich: „Im Alter treten Schlaganfälle häufiger auf, weil mit den Jahren das Risiko für Gefäßschäden  steigt“, verdeutlicht Werner. Entsprechend kommt es bei älteren Menschen vermehrt zu Ablagerungen in den Blutgefäßen, die sich lösen und Gefäße im Gehirn verstopfen können. Weil Frauen älter als Männer werden, erleiden etwas mehr Frauen als Männer einen Schlaganfall.

Risiko Nichtwissen

Bis auf Alter und Gene lassen sich alle Risikofaktoren für einen Schlaganfall vermeiden bzw. gut behandeln. „Das Problem ist nur, dass viele Betroffenen nicht wissen, dass sie zum Beispiel Bluthochdruck, Vorhofflimmern oder Diabetes haben. Oder sie unterschätzen das Risiko von Übergewicht, Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum“, bedauert Werner. Der Experte hat schon oft erlebt, dass Menschen z. B. nach Aufklärungskampagnen zu Untersuchungen gehen und erfahren müssen, dass sie den einen oder anderen Risikofaktor haben und einer großen Schlaganfallgefahr ausgesetzt sind.
Um sich derlei böse Überraschungen zu ersparen, hilft nur eines, so Werner: „Man sollte die jährlichen Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen, um Risikofaktoren rechtzeitig erkennen zu können.“ Im Fall des Falles kann man dann mit der richtigen Behandlung und einer Veränderung des Lebensstils der Gefahr entgegenwirken.

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Webtipps:

Der Miniratgeber Schlaganfall! von MEDIZIN populär steht zum kostenlosen Download auf www.medizinpopulaer.at zur Verfügung.

Die Broschüre Vorhofflimmern – „Herz aus dem Takt – Gehirn in Gefahr“ der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie kann kostenlos von der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit www.bmg.gv.at heruntergeladen werden.

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