Schon wieder verschnupft?

Dezember 2014 | Medizin & Trends

Warum Erkältungsviren gar so fies sind
 
Warum schlagen Erkältungsviren gar so oft zu?
Wo lauern die gefährlichsten Fallen? Wie kann man sich wirklich vor den Erregern schützen – und warum hat die Medizin bei allem Fortschritt immer noch keine Impfung gegen Schnupfen? Der Experte auf dem Gebiet, Dr. Lukas Weseslindtner vom Department für Virologie der Medizinischen Universität Wien, lüftet das ganze Geheimnis der fiesen Winzlinge.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN populär
Warum sind Erkältungsviren derart fies, dass sie uns oft gleich mehrmals im Jahr zumindest einen Schnupfen bescheren?

Dr. Lukas Weseslindtner
Eine Erkältung oder Verkühlung ist eine Infektionskrankheit der Atemwege, also der Nasenschleimhaut, des Rachenraums und manchmal der Bronchien. Diese respiratorischen Infekte werden von Viren hervorgerufen, und zwar von sehr vielen, sehr unterschiedlichen Viren. Wenn unser Immunsystem eines dieser Viren überwunden hat, ist es noch lange nicht gegen alle anderen Erreger von Schnupfen, Halsweh und Husten immun. Deswegen kann man schon bald nach einer Erkältung die nächste bekommen, und es ist nicht ungewöhnlich, zwei- bis dreimal im Jahr verkühlt zu sein. Kinder trifft es sogar bis zu 13 Mal im Jahr, weil ihr Immunsystem sozusagen noch lernen muss, mit den Viren umzugehen.

Warum gibt es bei allem medizinischen Fortschritt noch immer keine Impfung gegen Schnupfen?

Weil es schwierig ist, einen Impfstoff zu entwickeln, mit dem man auf einmal gegen die vielen genetisch unterschiedlichen Schnupfenviren immun wird. Auch Grippeviren verändern sich, aber bei ihnen kann man vorhersagen, welche im nächsten Jahr im Umlauf sein werden. Gegen sie wird dann ein Impfstoff produziert, der in der Regel eine Saison lang schützt.

Warum bekommen wir gerade im Herbst und Winter so oft eine Erkältung oder Grippe?

Dazu gibt es mehrere Theorien, die sich aber nur schwer wissenschaftlich beweisen lassen. Man vermutet zum Beispiel, dass sich die Viren im Herbst und Winter aufgrund der kühleren Temperaturen und der größeren Luftfeuchte besser verbreiten können. Auch der Mangel an Sonnenschein in der kalten Jahreszeit wird als Erklärung herangezogen. Dadurch kann es zu einem Vitamin D-Mangel und zu einem schwächeren Immunsystem kommen, sodass wir uns leichter anstecken.

Wo kann man sich denn besonders leicht anstecken?

Ganz klar: Bei Menschen, die bereits infiziert sind. Da braucht nur einer zu niesen, und schon sind virushaltige Tröpfchen in der Luft, die auf Tische, Sessellehnen, Türklinken und so weiter fallen. Auf Oberflächen bleiben die Schnupfenviren aufgrund ihrer Struktur stabil und sind auch nach mehreren Stunden noch ansteckend. Berühren wir diese Flächen, gelangen die Viren womöglich in unsere Hände. Führen wir dann eine Hand an den Mund oder die Nase, so kommen die Viren in unsere Atemwege und wir erkranken. Niest der Kranke in seine Hand, so kommt dieser Teufelskreis in Gang, wenn wir ihm zum Gruß die Hand schütteln und uns danach an der Nase kratzen.

Wie sollten sich Erkrankte verhalten, um andere zu schützen?

Am besten nach Hause gehen und sich in Heimquarantäne begeben, bis die Symptome abgeklungen sind, denn erst dann sind sie nicht mehr ansteckend.    

Und wie schützt man sich, wenn man doch im Bus oder Büro auf Schnupfennasen trifft?

Man kann sich abwenden, wenn sie niesen, und Räume, in denen sie sich aufgehalten haben, gut durchlüften, da möglicherweise noch virushaltige Tröpfchen in der Luft schweben. In Zeiten erhöhter Infektionsgefahr, also wenn viele krank sind, sollte man möglichst seine Finger von jenen Flächen oder Gegenständen lassen, die von vielen Menschen berührt werden. Auch häufiges Händewaschen oder Desinfizieren ist ein guter Schutz.

Ist es doch zur Ansteckung gekommen: Was genau richten die Erkältungs- und Grippeviren im Körper an?

Sobald sie über die Nase und den Mund in den Körper eingedrungen sind, infizieren sie die Schleimhaut der Atemwege und werden vom Immunsystem bekämpft. Im Rahmen der Abwehr entsteht dann eine Entzündung. Durch sie kommt es zu den klassischen Symptomen einer viralen Atemwegserkrankung, also zu Halsweh, Schnupfen und Husten, manchmal zu Bronchitis und Fieber. Ist das Fieber sehr hoch, der Husten trocken, schmerzen die Glieder und fühlt man sich sehr krank, so deutet das auf eine Grippe hin. Wenn sich auf die entzündete und geschädigte Schleimhaut Bakterien setzen, kann es sowohl bei der Grippe als auch bei einer Verkühlung zu Komplikationen kommen, etwa zu einer Entzündung der Nasennebenhöhlen oder zu einer Lungenentzündung.

Haben diese Erkrankungen für unseren Körper einen Sinn?

Scheinbar gehört es zum Leben dazu, etliche dieser Erkrankungen durchmachen zu müssen.  

Und die Viren? Profitieren sie von diesen Attacken?

Sehr wohl, denn sie können sich nur mithilfe eines Wirts vermehren, also indem sie die Zellen des Wirts infizieren. Die infizierten Wirtszellen müssen dann wieder neue Viren bilden, ohne dass diese selbst einen Nutzen davon haben. 

Wie kann man den Körper dabei unterstützen, die Attacken von Viren und Bakterien abzuwehren?

Gegen Bakterien helfen Antibiotika, gegen Grippeviren gibt es Neuraminidase-Inhibitoren als Inhalationspulver oder Tabletten. Diese verhindern, dass die Viren aus den bereits infizierten Zellen herauskommen und sich weiter verbreiten. Damit man als Erkrankter nicht so leiden muss, kann man natürlich auch etwas nehmen, das die Symptome lindert, zum Beispiel Lutschtabletten gegen Halsweh. Fieber scheint einen anregenden Effekt auf das Immunsystem zu haben, daher sind Fiebersenker nur bei Kleinkindern mit sehr hoher Temperatur sinnvoll, denn bei ihnen kann es zu Fieberkrämpfen kommen.

Was halten Sie von Hausmitteln wie heißer Zitrone, scharf gewürzter Hühnersuppe, Inhalationen mit Salzwasserdampf, einer aufgeschnittenen Zwiebel neben dem Bett, Essigpatscherln…

…Essigpatscherln und Zwiebel, ich weiß nicht… Deren Wirkung lässt sich wissenschaftlich schwer beweisen. Aber heiße Flüssigkeiten können Halsweh lindern, und heißen Wasserdampf zu inhalieren, wirkt schleimlösend. 

Warum dauert es immer etwa eine Woche, bis alles vorbei ist, egal ob man Mittel zur Linderung nimmt oder nicht?

Weil das Immunsystem in etwa so lange braucht, bis es die Viren besiegt hat. Sind auch Bakterien mit im Spiel, kann es länger dauern, bis alles wieder vorbei ist.

Welche Viren sind für den Menschen ähnlich gefährlich wie Erkältungs- und Grippeviren?

Es kommt darauf an, was man mit gefährlich meint. Wenn man die Gefahr für den Menschen an der Anzahl der Personen misst, die pro Jahr weltweit erkranken, sind jene Viren ähnlich gefährlich, die zu Magen- und Darmerkrankungen führen. Meint man mit gefährlich, wie wahrscheinlich es ist, dass im Rahmen einer Infektion der Tod eintritt, ist ein Erreger wie das Ebola-Virus natürlich gefährlicher. Man darf aber nicht vergessen, dass jedes Jahr viele Menschen an einer Grippe sterben.

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Was sind Viren & Bakterien?

  • Viren, die zu Erkältungen führen, sind sehr einfach aufgebaut: Sie bestehen nur aus einer Eiweißhülle und einer Nukleinsäure, die die Erbinformation enthält. Wie alle Viren benötigen sie einen Wirt, um sich zu vermehren, und werden deswegen von einigen Wissenschaftlern nicht als Lebewesen betrachtet. Viren sind so winzig klein, dass man sie nicht einmal mit einem Lichtmikroskop sehen kann.
  • Bakterien sind zehn bis 100 Mal größer als Viren. Das Äußere von Bakterien besteht aus einer Zellwand, sie besitzen einen Stoffwechsel, können ihr Erbgut selbstständig vervielfältigen und sich danach durch Zellteilung vermehren. Aufgrund dieser Fähigkeiten gelten sie als Lebewesen.

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Richtig oder falsch?

Man kann sich nur erkälten, wenn einem kalt ist.
„Eine Erkältung oder Verkühlung ist immer eine Virusinfektion, man kann sich also auch erkälten, wenn einem warm ist“, stellt der Virologe Dr. Lukas Weseslindtner klar. Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der kalten Jahreszeit scheinen aber die Verbreitung von Viren zu begünstigen. 

Beim Händeschütteln steckt man sich eher an als beim Küssen.
Niest ein Infizierter in seine Handfläche, so ist Händeschütteln alles andere als ein Akt der Höflichkeit, da sich das Gegenüber eine Erkältung oder Grippe holen kann. Weil sich auch im Speichel, Nasensekret und Hustenschleim Viren befinden, kann man sich aber auch beim Küssen anstecken, wenn dabei etwas von diesen Flüssigkeiten in den eigenen Mund gerät.

Hat man sich angesteckt, schwitzt man die Viren am besten in der Sauna aus.
„Wenn man erste Symptome einer Erkältung oder Grippe spürt, sollte man heimgehen, um sich zu schonen und seine Mitmenschen nicht anzustecken“, rät Weseslindtner. Während eines Infekts in der Sauna zu schwitzen, nützt nicht nur nichts, es kann außerdem den Kreislauf belasten.  

Wenn man sich eine Erkältung eingefangen hat, erwischt es einen nicht gleich wieder.
„Nach einer Infektion entwickelt man eine Immunität gegen genau jenes Virus, mit dem man infiziert war“, räumt Experte Weseslindtner ein. Da aber sehr viele sehr unterschiedliche Erkältungsviren gleichzeitig im Umlauf sind, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, sich zeitnah ein anderes Virus einzufangen, gegen das das Immunsystem noch keine Waffen im Arsenal hat. Man kann sich also sehr wohl gleich wieder verkühlen, nachdem man einen Schnupfen überstanden hat.

Mit zunehmendem Alter erkrankt man immer seltener an Erkältungen oder Grippe.
„Wohl lernt das Immunsystem im Lauf des Lebens dazu, aber es kann jederzeit ein neuer Virustyp in Umlauf kommen, den das Immunsystem nicht kennt und der zur Erkrankung führt“, so Weseslindtner. Gerade für ältere Menschen sind Erkältungen und Grippe gefährlicher, da es bei ihnen häufiger zu Komplikationen kommt.

Stand 11/2014

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