Ausreden statt Aufhören

Januar 2015 | Medizin & Trends

Wie sich Raucher selbst belügen
 
So schwer Rauchern das Aufhören fällt, so leicht kommen ihnen Ausreden über die Lippen, warum sie an der Zigarette festhalten. Für MEDIZIN populär nimmt Univ. Doz. Dr. Ernest Groman vom Wiener Nikotininstitut zehn gängigen Mythen den Wind aus den Segeln.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

1. Ich rauche nur leichte Zigaretten, die sind nicht so gefährlich.

Schon vor rund zehn Jahren hat die EU den Aufdruck „Light“ für Zigaretten als irreführend verboten; dennoch hält sich die Meinung hartnäckig, dass „leichtere“, „mildere“ Sorten, also Tabakwaren mit weniger Nikotin, weniger Schaden anrichten. Tatsache ist: „Um auf die gewünschte Dosis Nikotin zu kommen, werden oft entsprechend mehr ,schwächere‘ Zigaretten geraucht, oder es wird tiefer inhaliert“, weiß der Sozialmediziner Univ. Doz. Dr. Ernest Groman, wissenschaftlicher Leiter des Nikotininstituts in Wien. Von einem gesundheitlichen Benefit könne also nicht die Rede sein, im Gegenteil: Die vor allem von Raucherinnen bevorzugten Leichtzigaretten werden sogar für die Zunahme von Lungenkrebs bei Frauen mitverantwortlich gemacht. „Einen Umstieg von leichteren auf stärkere Zigaretten würden wir trotzdem niemandem empfehlen“, so der Mediziner.
 
2. Ich habe schon immer morgens gehustet, mit der ersten Zigarette wird das besser.

Den Effekt betonen viele Raucher, die sich in der Früh die Seele aus dem Leib husten: Zünden sie sich eine Zigarette an, ist der Spuk vorbei. „Ja, Zigarettenrauch kann den Hustenreiz kurzfristig lindern, weil er die feinen Härchen im Bronchialsystem der Lunge, also das Flimmerepithel, lähmt“, erklärt Groman. Das Problem: „Dadurch können die Härchen ihre eigentliche Reinigungsfunktion nicht mehr erfüllen, und der Schmutz bleibt in der Lunge.“ Ein Phänomen, das ebenfalls einem Teil der Raucher bekannt ist: Schwören sie ihrer Sucht ab, husten sie eine Zeitlang sogar mehr als während ihrer Zeit als Raucher. „Das wiederum ist ein gutes Zeichen, denn es deutet auf den anlaufenden Reinigungsprozess hin. Das Flimmerepithel erholt sich langsam und beginnt wieder zu arbeiten“, macht Groman Mut zum Aufhören.

3. Man kann nur ganz oder gar nicht aufhören. Alles andere bringt nichts.

„Jede Phase, in der nicht geraucht wird, ist ein Gewinn für die Gesundheit“, betont Groman. Mit jeder Zigarette, die man nicht anzündet, erspart man dem Körper rund 5000 Substanzen, von denen mindestens 30 gesichert krebserregend sind. Gerade beim Rauchen stehen Dosis und Wirkung in engem Zusammenhang. Das heißt, je mehr geraucht wird, desto größer ist der Schaden für die Gesundheit. „Erfahrungsgemäß ist Reduzieren aber viel schwieriger als Aufhören“, weiß Groman aus seiner langjährigen Beratungstätigkeit. „Denn mit jeder Zigarette, und sei es nur eine pro Tag, wird das Rauchverlangen aufs Neue entfacht.“ Nur wenn man ganz aufhört, hat man die Chance, das Rauchen letztlich ganz zu „vergessen“ und von der Sucht loszukommen.

4. Herr XY hat nie geraucht und trotzdem Lungenkrebs.

„Rauchen ist ursächlich für ein Drittel aller Krebserkrankungen verantwortlich“, nennt Ernest Groman die alarmierenden Fakten. „Bei Lungenkarzinomen sind es sogar 90 Prozent.“ Lungenkrebs ist in Österreich die häufigste Krebs-Todesursache bei Männern, und auch der weibliche Teil der Bevölkerung holt auf. „Tritt ein Lungenkarzinom auf, ohne dass je geraucht wurde, so ist das ein tragischer Einzelfall, aus dem man keine allgemeinen Schlüsse ziehen darf“, sagt Groman. Außerdem müsse man in diesen „Einzelfällen“ berücksichtigen, ob der Betroffene vielleicht häufig dem Rauch anderer ausgesetzt war: Passivrauchen erhöht das Lungenkrebsrisiko beträchtlich.

5. Autofahren ist viel gefährlicher als Rauchen.

„In der Altersgruppe der Zehn- bis 19-Jährigen sind Unfälle tatsächlich die häufigste Todesursache“, räumt Groman ein. „Das ändert sich aber mit zunehmendem Alter, wenn Krankheiten in den Vordergrund treten, die in vielen Fällen maßgeblich vom Rauchen verursacht werden.“ So spielt auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der aktuell größten Geißel der Österreicher, der Tabakkonsum eine zentrale Rolle. Damit nicht genug: Autofahren wird durchs Rauchen wesentlich gefährlicher: „Die Ablenkung beim Hantieren mit der Zigarette hat schon so manchen Unfall verursacht. Und die Schadstoffkonzentrationen, die durch das Rauchen im Wageninneren entstehen, nehmen besonders bedenkliche Ausmaße an“, gibt Groman zu denken.

6. Ich rauche nur mehr E-Zigaretten mit Nikotin; so erspare ich mir viele Schadstoffe.

Tatsächlich sind „etwa 95 Prozent der im EU-Raum vertriebenen E-Zigaretten nikotinhaltig, obwohl immer wieder betont wird, dass es auch nikontinfreie Varianten gibt“, sagt Groman: „Die allermeisten rauchen eben wegen des Nikotins.“ Auch wenn die schädlichen Stoffe der Zigarette zum größten Teil durch den Verbrennungsprozess entstehen, könne man E-Zigaretten keinesfalls empfehlen, zumal auch das Verdampfen nicht unbedenklich sei. Darüber hinaus gibt es derzeit keine Standards für die Herstellung, sodass keine sicheren Aussagen über die enthaltenen Substanzen getroffen werden können. „Etliche Stoffe mit langfristig negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hat man in einigen Produkten bereits gefunden. Die derzeit größte Gefahr ist aber, dass man nicht weiß, was genau man dem Körper mit einer E-Zigarette zuführt“, warnt Groman.    

7. Meinen Stress bewältige ich mit einer Zigarette.

Nikotin entfaltet seine tückische Wirkung über das sogenannte Lustzentrum im Gehirn. Indem es dort die Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin erhöht, löst es ein – äußerst flüchtiges – Gefühl der Zufriedenheit aus. Weil das Gefühl so rasch „verraucht“, greift man zur nächsten Zigarette, um es erneut abzurufen – der Teufelskreis der Sucht nimmt seinen Lauf. „Das Nikotin wirkt je nach Ausgangslage: Bei Müdigkeit kann es anregen, bei Aufregung kurzfristig beruhigen und entspannen“, so Groman. Die berühmte „Entspannungszigarette“ bewältigt den Stress nicht, sie deckt ihn höchstens für einen Augenblick zu. „Rein medizinisch stresst man den Körper mit dem Rauchen sogar zusätzlich“, sagt der Experte.

8. Zigarette und Kaffee gehören einfach zusammen.

Rituale und Routinen spielen eine große Rolle bei der Sucht im Allgemeinen und der Nikotinsucht im Besonderen. Und so wird das Rauchen an bestimmte Situationen gekoppelt – besonders gern an die Kaffeepause. Dass die beiden „Genussmittel“ für viele Raucher eine Einheit darstellen, liegt am Pauseneffekt, der ihnen anhaftet. Solche lieb gewordenen Gewohnheiten zu durchbrechen, ist eine große Herausforderung beim Rauchstopp. Was viele außer Acht lassen: „Auch Nichtrauchen wird nach einiger Zeit zur Gewohnheit, zum Beispiel in der Kaffeepause“, sagt Groman.

9. Einmal Raucher, immer  Raucher: Man kommt sowieso nie ganz davon los.

Ja, es gibt sie, die Ex-Raucher, bei denen in bestimmten Situationen selbst nach Jahren der Abstinenz das Verlangen nach Zigaretten wieder aufkeimt. So stark können sich die Verhaltensmuster ins Gehirn einprägen. „Und es gibt freilich auch ehemalige Raucher, die nach langer Zeit ,rückfällig‘ werden“, weiß Groman. Die Verfügbarkeit der Droge an praktisch jeder Straßenecke macht den Verzicht nicht gerade einfacher. Dennoch: Bei einem ernsthaften Versuch schaffen es immerhin 30 Prozent, mit dem Rauchen aufzuhören. „Doch selbst wenn man wieder anfängt, darf man nicht vergessen, wie viel Gift man dem Körper in der Zeit als Nichtraucher erspart hat“, ruft Groman in Erinnerung. Und: „Ein Moment der Schwäche muss nicht bedeuten, dass der Zug in ein gesundes Leben ein für alle Mal abgefahren ist. Wem es einmal gelungen ist, aufzuhören, dem gelingt es auch ein zweites Mal.“

10. Ich bin ohnehin schon übergewichtig, ein Rauchstopp würde das Problem noch verstärken.

Der berühmte Ex-Raucher, der seit seiner letzten Zigaretten zehn Kilo mehr mit sich herumschleppt, sei in Wahrheit äußerst selten, stellt Groman klar. Tatsache sei vielmehr: „Rund ein Drittel der Raucherinnen und Raucher, die an unserem Betreuungsprogramm teilnehmen, verlieren sogar ein paar Kilos. Bei einem weiteren Drittel verändert sich das Gewicht kaum bis gar nicht. Nur ein Drittel legt zu, im Durchschnitt aber nur 1,5 Kilo im ersten Nichtraucherjahr“, kennt Groman die Fakten. Und: Aus medizinischer Sicht sei es immer besser, „das Rauchen einzustellen und das eine oder andere Kilo mehr auf den Rippen zu haben, als die Lunge mit Schadstoffen zu überfluten“, sagt der Arzt.

Webtipp:
www.nikotininstitut.at

Buchtipp:
Groman, Tröstl
Rauchfrei in 5 Wochen.
Das Erfolgsprogramm seit über 15 Jahren: Selbsthilfe zum Nichtrauchen
161 Seiten, € 20,55
als e-book € 14,99
ISBN 978-3-642-40931-8
Springer Verlag, 2014

Stand 01/2015

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