Das trockene Auge

Mai 2007 | Medizin & Trends

Neue Volkskrankheit in Sicht
 
Augenärztinnen und Augenärzte beobachten in ihren Ordinationen ein alarmierendes neues Phänomen: Immer mehr jüngere Menschen leiden an „trockenen Augen“. Schuld daran sind hauptsächlich intensive Computerarbeit und Umweltfaktoren. Das Problem sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da es schwere Folgen haben kann.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

Es fühlt sich an wie Sand in den Augen, ein Schleier trübt den Blick. Die Augen brennen und jucken, ermüden rasch, sind oft extrem lichtempfindlich und schmerzen. Beschwerden wie diese führen immer mehr Menschen in die augenärztliche Praxis, und sie tun gut daran: Denn das trockene Auge ist keine bloße Befindlichkeitsstörung, sondern eine ernstzunehmende Krankheit, von der bereits rund 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Tendenz: steigend.
Hervorgerufen wird das Problem durch eine Verminderung der Tränenmenge oder eine veränderte Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit (siehe Kasten). „Die Augenoberfläche wird dadurch nicht mehr ausreichend befeuchtet, was sich in Form von Brennen, Rötungen und Fremdkörpergefühl bemerkbar macht“, erklärt Dr. Herbert Schuster, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie in Wien. Damit nicht genug: Reißt der Tränenfilm, der wie ein Schutzschild das Auge überzieht, auf, so sind Bakterien und Viren Tür und Tor geöffnet, die schmerzhafte Entzündungen auslösen können. Schreitet die Austrocknung des Auges voran, so kann es zu einer Hornhauttrübung kommen, die das Sehvermögen deutlich beeinträchtigen kann.

Was das Auge austrocknet
Ursachen für das trockene Auge, in der Fachsprache Sicca-Syndrom genannt, gibt es viele. Dass das Leiden in jüngster Zeit zum Volksleiden geworden ist, führen Experten auch auf Umweltfaktoren zurück. „Bodennahes Ozon, jegliche Art der Luftverschmutzung – etwa durch Abgase oder Feinstaubpartikel – sowie Luftaustrocknung durch Klimageräte stören die Zusammensetzung des Tränenfilms und schädigen dadurch die Hornhautoberfläche“, so Dr. Schuster. Dass das Leiden immer mehr jüngere Menschen trifft, liegt hauptsächlich an der vielen Bildschirmarbeit. In den USA existiert deshalb schon seit längerem die Bezeichnung „Office Eye Syndrome“ (Büroaugen-Syndrom). Dr. Schuster über die Hintergründe: „Die Arbeit am Computer, vor allem in trockenen, verrauchten und staubigen Räumen, ist Gift für die Augen. Rund um den Bildschirm wimmelt es nur so von elektrostatisch aufgeladenen Staubteilchen, die das Auge reizen. Außerdem bekommt man bei der Bildschirmarbeit – wie übrigens auch beim Fernsehen oder längerem Autofahren – durch die Konzentration einen starren Blick, und man blinzelt zu selten. Dadurch wird das Auge nicht ausreichend mit Tränenflüssigkeit benetzt und trocknet aus.“
Weil aber auch Allgemeinerkrankungen Ursache des trockenen Auges sein können, muss eine genaue ärztliche Abklärung des Problems erfolgen. Steht die Benetzungsstörung des Auges in Zusammenhang zum Beispiel mit Asthma, Diabetes, Rheuma, bestimmten Hautkrankheiten oder hormonellen Störungen, so muss zunächst diese Erkrankung behandelt werden. Verschiedene Medikamente, aber auch die Anti-Baby-Pille können ebenso schuld sein wie schlecht angepasste oder zu lange getragene Kontaktlinsen.

Keine Hausmittel!
Eine genaue Diagnose durch den Facharzt ist gerade beim trockenen Auge unumgänglich. Denn Hausmittel und Selbstmedikation können das Problem noch verschlimmern. Dr. Schuster erklärt: „Frei erhältliche Augentropfen sind deswegen oft bedenklich, weil sie Konservierungsmittel enthalten, die bei häufigem Gebrauch zu Hornhautepithelschäden, also zu Problemen an der Außenfläche der Hornhaut, führen können. Konservierungsmittelfreie Tropfen oder Gele sind zwar teurer, aber besser. Dringend abzuraten ist von so genannten Weißmacher-Tropfen, die letztlich zu weiterer Austrocknung beitragen. Kamillehältige Zubereitungen sind streng verboten, da sie die Schleimhaut austrocknen und Allergien hervorrufen können.“
Zur Diagnosestellung des trockenen Auges sind mehrere Untersuchungen nötig. Dr. Schuster: „Beim so genannten Schirmer-Test werden saugfähige Papierstreifchen in den Bindehautsack gelegt. Daran sieht man nach drei Minuten den Grad der Benetzung, also der Tränenproduktion. Aufschlussreich ist auch die so genannte Aufreißzeit des Tränenfilms: Um sie zu ermitteln, wird Farbstoff ins Auge getropft, der den Tränenfilm am Hornhautmikroskop sichtbar macht. Die Zeit bis zum ,Aufreißen‘ des Films darf – ohne zu blinzeln – nicht unter zehn Sekunden liegen.“
Bei der Behandlung des trockenen Auges stehen die Abklärung und Therapie einer eventuellen Grundkrankheit sowie die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Vordergrund. Ist eine Grundkrankheit ausgeschlossen oder behandelt, reichen in leichten Fällen wässrige bis so genannte niedrigvisköse, also leicht zähflüssige, Tropfen, am besten ohne Konservierungsmittel. In schwereren Fällen werden höher visköse Tropfen oder Gele eingesetzt. In ganz schweren Fällen kann der Tränenabfluss durch operativen Verschluss des Tränenröhrchens an der Lidkante verhindert werden.

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So lindern Sie die Beschwerden

Eine genaue ärztliche Abklärung bringt die Hintergründe des Leidens ans Licht. Wenn Umweltfaktoren die Verursacher trockener Augen sind, kann man selbst einiges dazu beitragen, um die Beschwerden zu lindern.

Bildschirm richtig platzieren
Zwischen Bildschirm und Betrachter sollten 50 bis 70 Zentimeter Abstand sein. Das Gerät sollte im 90-Grad-Winkel zum Fenster stehen, damit das einfallende Licht nicht blendet. Auch die Raumbeleuchtung darf sich nicht am
Bildschirm spiegeln.

Bewusst blinzeln
Wer Bildschirmarbeit leistet, sollte regelmäßig Pausen einlegen und die Erstarrung des Auges durch bewusstes Blinzeln lockern.

Genügend trinken
Auch den Augen tut die allgemein empfohlene tägliche Trinkmenge von 1,5 bis zwei Liter Wasser gut.

Zugluft meiden
Zugluft – zum Beispiel von Klimaanlagen oder Autogebläse – beschleunigt die Verdunstung der Tränenflüssigkeit und trägt so zur Austrocknung des Auges bei.

Luftfeuchtigkeit erhöhen
Luftbefeuchter sind im guten Fachhandel erhältlich, man muss aber auf einen guten Filter und dessen Reinigungsmöglichkeit achten.

Geeignete Beleuchtung
Der Arbeitsplatz oder die Leseecke zu Hause müssen mit einer ausreichend hellen und vor allem flimmer- und blendfreien Beleuchtung ausgestattet sein.

Die Augen entlasten
Die Belastung anderer Sinnesorgane zum Beispiel der Ohren beim Musikhören ist eine hervorragende Entspannung für die Augen.

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Der Tränenfilm
Lieblingsfilm gesunder Augen
Kleine Drüsen, die sich schläfenwärts oberhalb des Auges befinden, sind die ständig tätigen Produktionsstätten eines hochaktiven Wässerchens: der Tränenflüssigkeit. Zahlreiche andere Drüsen in den Augenlidern und der Augenbindehaut liefern in Form von Fett- und Schleimanteilen weitere wichtige Mitwirkende, und alle fünf bis zehn Sekunden gibt es „Action“: Ein Lidschlag sorgt dafür, dass der Tränenfilm auf der gesamten Augenoberfläche verteilt wird, bevor er über so genannte Tränenpünktchen in den Nasen-Rachenraum abgeleitet wird.
Was den Tränenfilm zum Lieblingsfilm gesunder Augen macht? Ohne dieses hauchdünne Wunderwerk könnten wir nicht beschwerdefrei sehen. Es hält den Augapfel glatt und geschmeidig, so dass die Lider reibungslos darüber gleiten können. Es schützt die Augen vor Fremdkörpern wie Sand oder Staub, hält Bakterien und Viren ab oder bekämpft sie durch natürliche Immunstoffe, es ernährt die Hornhaut und versorgt sie mit Sauerstoff.
Wenn nicht ausreichend Tränenflüssigkeit produziert wird oder die richtige Zusammensetzung aus wässrigen, fett- und schleimhaltigen Anteilen gestört ist, so wird der Tränenfilm rissig und durchlässig und kann seine schützenden und nährenden Aufgaben nicht mehr erfüllen.

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Was sonst noch helfen kann:

Jod fürs Auge

Die Kurbetriebe Bad Hall setzen bei der Behandlung des trockenen Auges auf die Heilkraft der Jodsole. Mit sensationellen Erfolgen, wie Kurarzt Dr. Walter Loos berichtet.
Das Jod aus der Salzlösung ist deshalb so gut für die Augen, weil es „nachgewiesenermaßen die schützende Funktion des durch verschiedene Einflüsse gestörten Tränenfilms verbessert“, sagt Dr. Walter Loos, Kurarzt in Bad Hall.
Die Jodsole gelangt auf verschiedene Arten in die Augen: Bei der so genannten Augenjodidiontophorese werden die Sehorgane in speziellen Schälchen „gebadet“, in denen die Jodsole mit schwachem galvanischen Strom geladen wird. Die heilsamen Jodteilchen können so auch in der Tiefe des Auges wirksam werden. Bei den Augenbesprühungen wird mit Hilfe von speziellen Apparaturen dichter Jodsole-Nebel ins Auge gesprüht, sodass Horn- und Bindehaut die wertvollen Inhaltsstoffe der Jodsole aufnehmen können.
Zur Therapie des trockenen Auges wendet man in Bad Hall in Kombination mit der Augenjodidiontophorese auch die Lipidaugenbesprühung an. Dabei wird die gestörte äußere Fettschicht des Tränenfilms wieder aufgebaut.
Die Jodsole-Anwendungen sind, so Dr. Loos, „sehr gut verträglich. Patientinnen und Patienten mit bestimmten Schilddrüsenerkrankungen sollten aber davon Abstand nehmen.“ Schon nach zehn Behandlungen treten deutliche Verbesserungen ein, nach einer dreiwöchigen Kur kann der Erfolg der Therapie bis zu neun Monate anhalten.

Akupunktur fürs Auge
An der Universitätsklinik für Augenheilkunde am AKH Wien und an anderen Spezialambulanzen wie in Graz werden trockene Augen auch mit Hilfe von Akupunktur therapiert. Vor allem bei jüngeren Patienten wirken die Nadelstiche, wie Studien belegen, nachhaltig.
        

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