Wege aus der Beziehungskrise

März 2014 | Partnerschaft & Sexualität

Wie die Liebe gerettet werden kann
 
Auf der einen Seite werden sie oft übersehen, die Zeichen einer echten Beziehungskrise. Auf der anderen Seite empfinden viele Paare Schwierigkeiten vorschnell als unüberwindbar und leiten rascher denn je die Trennung in die Wege: Liebesbeziehungen werden heute auf einen besonderen Prüfstand gestellt. Was den wenigsten bewusst ist: Wenn die Liebe auf der Kippe steht, hakt es meist in zumindest einem von vier Bereichen. Für MEDIZIN populär zeigt Expertin Dr. Claudia Wille auf, wie sich diese „Minenfelder der Liebe“ entschärfen lassen und wie die Beziehung gerettet werden kann.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Sie nörgelt ständig an ihm herum: Nie ist er pünktlich, ständig vergisst er etwas – und wie lange ist es eigentlich her, dass er zuletzt „Ich liebe dich“ gesagt hat? Er wiederum zieht sich immer mehr zurück, lässt sie mit der Hausarbeit allein und ist genervt: „Ständig fordert sie etwas, nie hat sie genug.“ Während Controllerin Monica, 36, sich bei ihrer besten Freundin ausweint, findet Anwalt Robert, 37, Ablenkung beim Squash mit seinen Kollegen. So typisch die Entwicklung, so fatal ist sie: Von der anfänglichen Verliebtheit des Paares ist nach nur knapp fünf Jahren nichts mehr übrig, und im Alltag ergeben sich kaum mehr (wohltuende) Berührungspunkte. Unterm Strich bleibt die Frage: Was läuft zwischen Monica und Robert eigentlich falsch?
Wenn die Liebe auf der Kippe steht, in Gereiztheit, Gleichgültigkeit oder sogar Verachtung umschlägt, lässt sich das meist auf Schwierigkeiten in zumindest einem von vier Bereichen zurückführen, beobachtet Dr. Claudia Wille, Paar- und Sexualtherapeutin und Allgemeinmedizinerin in ­Wien.


Die vier „Minenfelder der Liebe“ sind:

1. Problematische Kommunikation

Natürlich ist es positiv, dass Monica eine verständnisvolle Freundin und Robert gute Kumpels hat. Was dem Paar aber offenbar fehlt, ist eine Gesprächsbasis, eine „konstruktive Interaktion“, wie Claudia Wille betont. „Die erste Ebene, auf der Beziehungsprobleme entstehen, ist das gegenwärtige Miteinander: Wie gehen wir miteinander um? Wie reden wir miteinander? Reden wir überhaupt miteinander?“ Ist die Kommunikation eingeschlafen bzw. reduziert sie sich auf destruktive Muster – im Fall von Robert und Monica auf Vorwürfe und Rückzug –, ist Gefahr in Verzug. Der US-amerikanische Psychologe John Gottman nennt derartige Kommunikationsmuster gar „apokalyptische Reiter“ einer Paarbeziehung; zu diesen zählen neben Kritik und Abwehr Verachtung, Mauern und eben Rückzug.
Das Um und Auf im täglichen Miteinander? Neben einer konstruktiven Gesprächs- und Konfliktkultur zählt dazu vor allem ein gelungenes Stressmanagement. „Forschungen zufolge ist der Umgang mit Stress einer der wichtigsten Faktoren dafür, ob Beziehungen und Ehen halten oder nicht“, erklärt Claudia Wille. Damit ist sowohl der Stress gemeint, den der einzelne für sich zu bewältigen hat, als auch Belastungen in der Partnerschaft. Haben die Partner gelernt, schwierige Situationen möglichst gelassen zu meistern, kommt dies auch der Beziehung zugute. Vielen ist dies durchaus bewusst: Einer aktuellen Umfrage zufolge steht bei Männern wie Frauen „Ausgeglichenheit“ ganz oben auf der Wunschliste an den Liebespartner.

2. Schlechte Organisation

Leider hakt es bei Monica und Robert in einem weiteren Bereich: der Organisation des (gemeinsamen) Alltags. Monica ist neben ihrem Teilzeitjob fast allein für den gemeinsamen Sohn und den Haushalt zuständig, während Robert die meiste Zeit in der Kanzlei verbringt und phasenweise kaum mehr ist als Übernachtungsgast im eigenen Heim.
Wie leben wir den Alltag? Wie verteilen wir die Aufgaben? Wie viel Verantwortung tragen wir jeweils bei der Erziehung der Kinder? Wie steht es um die Freizeit? Wieder ist das gemeinsame Gespräch ein wichtiger Ankerpunkt, um Struktur in den (Beziehungs-)Alltag zu bringen.
So wichtig dieser ist, es geht keineswegs um ein ausgeklügeltes Beziehungsmanagement, dies wäre im Gegenteil sogar destruktiv: „In unserer Zeit wird verlangt, dass wir immer und in jedem Bereich, auch in einer Beziehung, erfolgreich sein müssen“, beobachtet Wille. „Perfektionistisch veranlagte Menschen sind deshalb besonders krisengefährdet, denn Beziehungen sind nie perfekt.“

3. Kränkungen durch den Partner

An ganz anderer Front kämpfen Susanne, 40, und Peter, 38: Die 15-jährige Beziehung der Lehrerin und des Arztes ist durch verschiedene unverarbeitete Erfahrungen belastet. „Kränkungen aus der Vergangenheit, die noch nicht erledigt sind, etwa wenn ein Partner fremdgegangen ist, können ein Grund für Beziehungsprobleme sein“, erklärt die Paartherapeutin. Susannes Seitensprung vor acht Jahren hat Peter bis heute nicht verwunden, und auch Susanne ist verletzt: „Als ich mit unserem Kind schwanger war, hat Peter sich kaum um mich gekümmert.“ Mit dieser Erfahrung ist sie nicht allein: „Frauen beklagen sehr oft, dass sie in der Schwangerschaft mit ihren Ängsten oder Beschwerden alleingelassen wurden“, bestätigt Wille. „Wurde nie über die Verletzungen gesprochen, kommen sie später wieder hoch, etwa, wenn eine ähnliche Situation eintritt.“
Aus diesem Grund ist das Aufarbeiten alter Kränkungen enorm wichtig; vor überzogenen Erwartungen und Ansprüchen hingegen sollte man sich hüten. So sei es beispielsweise unrealistisch, sich eine permanent glückliche Beziehung zu erwarten, „niemand ist dauernd glücklich“, sagt Wille. Viele denken auch, sie hätten in der Partnerschaft bestimmte Rechte, sei es auf Liebe oder Sex. „Das stimmt aber nicht“, betont die Paartherapeutin. „Idealerweise empfindet man Dank für das, was der Partner an Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe zu geben hat.“

4. Altlasten aus der Kindheit

Was so gut wie keinem Paar erspart bleibt, sind Prägungen aus der Herkunftsfamilie, die ebenfalls Einfluss auf die Liebesbeziehung nehmen. Die strenge Mutter, der man es nie recht machen konnte, der lieblose Vater, der wegen jeder Kleinigkeit losschimpfte: All diese Erfahrungen hinterlassen Wunden, an denen der Partner (unwissentlich) rührt. „Die Prägungen sind einem oft selbst nicht einmal bewusst“, sagt Claudia Wille. Dann fällt es schwer, die eigenen Gefühle auszudrücken, stattdessen fällt man in Verhaltensweisen aus der Kindheit: Wir fühlen uns vom Partner kritisiert? Die Partnerin versteht uns nicht? Statt den Konflikt in Ruhe zu besprechen, reagieren wir trotzig oder mit Rückzug.
Alte Verletzungen verlieren an Brisanz, indem man sich damit z. B. im Rahmen einer Psychotherapie auseinandersetzt: „Wenn man weiß, wie man selbst tickt, warum einem manches wichtig ist oder man in bestimmten Bereichen leicht gekränkt ist, kann man etwas dagegen unternehmen“, betont Claudia Wille. „In einer Beziehung sollte man über sich selbst und den anderen Bescheid wissen – und darüber reden.“

Heikle Phasen

Ob Kindheitstrauma, Kränkungen oder destruktive Kommunikationsmuster – die Probleme sind vielen Paaren vertraut; zu bestimmten Zeiten wiegen sie allerdings besonders schwer; dann nämlich, wenn die Verliebtheit abgeklungen und schließlich ganz verschwunden ist. „Ist man verliebt, projiziert man alle möglichen Wünsche und Erwartungen auf den anderen. Man bemerkt nur positive Eigenschaften und blendet die weniger positiven aus“, beschreibt es Wille. Paare, die auf Wolke sieben schweben, zeichnet auch eine bestimmte Hormonsituation aus: „Der Testosteronspiegel bei der Frau steigt, sodass sie aktiver ist als sonst. Beim Mann wiederum sinkt der Testosteronspiegel; er wird weicher, ruhiger, aufmerksamer.“ Die Partner verhalten sich damit so, wie es dem anderen Geschlecht klassischerweise entgegenkommt. Wenn die Verliebtheit allmählich abklingt, macht sich Enttäuschung breit: „Man beginnt am anderen Eigenschaften zu sehen, die man weniger gern mag“, so die Expertin. Richtig schwierig wird es, wenn von der Verliebtheit nichts mehr übrig ist. „Die Partner haben dann oft das Gefühl, der andere ist nicht der oder die Richtige“, so Wille. „Man versucht mit verschiedenen Methoden seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen. In dieser Phase des Machtkampfes, nach etwa vier, fünf Jahren Beziehung, kommt es zu den meisten Trennungen.“ Diese müsse nicht immer äußerlich erfolgen; viele Paare begnügen sich mit einer innerlichen Trennung. „Das ist dann der Fall, wenn man punkto Partnerschaft resigniert hat und quasi eine arrangierte Beziehung lebt.“

Krise als Wendepunkt

Egal, auf welcher der vier Ebenen es bei einem Paar kriselt, in jeder Situation kann man die Notbremse ziehen. „Eine Krise birgt auch Chancen“, unterstreicht Claudia Wille. „Sie steht für den entscheidenden Wendepunkt: Entweder geht es weiter bergab oder man besinnt sich, ergreift die Chance und heilt.“ Dies geschieht z. B., indem man sich vor Augen führt: Nicht mein Partner, ich selbst bin für mein Wohlergehen und Glück verantwortlich. Was macht mich glücklich? Wie bekomme ich, was ich brauche? „Außerdem könnte man sich fragen, was den Partner glücklich macht“, regt Wille an und ermutigt außerdem zur Dankbarkeit: „In dem anderen habe ich einen Menschen, der mich jeden Tag spiegelt. Das macht die Beziehung zu einer Quelle der Persönlichkeitsentwicklung.“ Wer das begreift und außerdem aus den Ressourcen einer Partnerschaft (siehe „Resourcen der Liebe“ unten) schöpft, bringt die Beziehung auf ein solides Fundament und verhilft der Liebe – auch wenn sie bereits auf der Kippe steht – womöglich zu einem fulminanten Comeback.

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Beziehungskrisen:
Gehen oder bleiben?


Viel zu schnell nimmt man heute das Wort Krise in den Mund, bedauert die Wiener Paar- und Sexualtherapeutin Dr. Claudia Wille. Doch wann wird es für eine Beziehung wirklich kritisch? Und wann steht gar die Trennung an? „Eine Beziehung ist dann gefährdet, wenn  das Unbefriedigende gegenüber dem Befriedigenden über längere Zeit hinweg überwiegt“, bringt es die Expertin auf den Punkt. Als Parameter hierfür sollte man vor allem die eigene Befindlichkeit heranziehen: Wie geht es ich mir mit dem anderen? Fühle ich mich respektiert mit meinen Wünschen und Werten? Respektiere ich den anderen?
Mögliche Anzeichen einer Krise: Sie fühlen sich seit langem unglücklich in Ihrer Beziehung? Sie haben das Gefühl, die eigene psychische Stabilität zu verlieren? Sie fühlen sich depressiv oder haben Ängste? Sie haben keine Lust auf Sex oder Schlafprobleme? „Eine wirkliche Krise äußert sich auch in psychosomatischen Beschwerden“, betont Claudia Wille. „Wenn nun der andere die eigene Unzufriedenheit oder auch Veränderungsbestrebungen über lange Zeit ignoriert, dann ist es Zeit zu gehen.“
Bei Beziehungsproblemen müssen beide an einem Strang ziehen. „Umgekehrt lassen sich die meisten Probleme lösen, wenn beide es wollen“, so die Expertin. Selbst eine krisengebeutelte Beziehung kann dann gerettet, die Liebe gekittet werden.

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Gespräche, Leidenschaft, Respekt:
Ressourcen der Liebe

Um die Liebe zu erhalten – und erst recht, um sie zu retten –, sollte man sich auf die Ressourcen einer Beziehung besinnen: „Zeit für Zweisamkeit, in der man miteinander redet oder etwas unternimmt, verbindet“, nennt die Paartherapeutin Dr. Claudia Wille die erste Kraftquelle. Nicht nur Zeit, sondern auch Energie sollte man in eine Partnerschaft investieren und wie auf ein Konto einzahlen – eine wichtige Investition: „Das emotionale Gehirn speichert negative Vorfälle fünfmal stärker als positive“, nennt die Expertin den Grund. Wer den Partner anschreit, müsste also fünf Mal etwas Nettes sagen oder tun, um das Liebeskonto wieder auszugleichen: Schön, dass es dich gibt. Ich liebe dein Lächeln. Möchtest du eine Massage?
Außerdem braucht es eine Gesprächs- und Konfliktkultur, die „konstruktiv und begrenzt“ ist. „Man sollte sich regelmäßig Zeit nehmen, um Schwierigkeiten zu besprechen“, betont Wille. „Gut bewährt hat sich das wöchentliche Gespräch, in dem die Partner einander mitteilen, was sie beim anderen gut und weniger gut fanden.“
Was außerdem nicht zu kurz kommen darf, ist Leidenschaft. „Sie muss gepflegt werden, damit das Beziehungsfeuer erhalten oder neu entfacht wird.“ Ebenfalls erhalten sollte man sich das Interesse am Partner oder der Partnerin. „Sich zu denken, dass man den anderen ohnehin in- und auswendig kennt, ist ein Irrtum – nie kennt man jemanden ganz“, betont die Expertin. „Es lohnt sich also, neugierig zu bleiben und nachzufragen: Was hast du noch für Träume und Wünsche?“ Auf der anderen Seite braucht es ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. „Weder muss man alle Freunde teilen noch jeden Urlaub gemeinsam verbringen“, gibt Wille Beispiele. „Jeder braucht auch seinen eigenen Bereich.“ Auch an Respekt füreinander sollte es nicht fehlen: „Behandle ich meinen Partner so, wie ich selbst behandelt werden möchte?“ nennt Wille das entscheidende Kriterium. Nicht zuletzt ist Einfühlungsvermögen gefragt: Die Fähigkeit, sich in den Liebsten hineinzuversetzen, hilft auch, Konflikte besser zu handhaben und zu lösen.

 

Stand 03/2014

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