Die Superinfektion

Dezember 2010 | Medizin & Trends

Wenn aus harmlosem Schnupfen eine ernste Krankheit wird
 
Kaum ist die Erkältung überstanden, fängt nach einigen Tagen alles wieder von vorne an: Das können Anzeichen einer Superinfektion sein, die dazu führen kann, dass sich der harmlose Schnupfen zu einer ernsten Krankheit ausbaut. Der Grund für die Komplikationen: Ist der Körper bereits durch Erkältungs- und Grippeviren geschwächt, haben Bakterien leichtes Spiel – und so drohen Mittelohrentzündung, Lungenentzündung & Co.
Lesen Sie, wie man eine Superinfektion erkennt – und verhindert.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Sie sind winzig klein, und sie stecken in Tröpfchen, die sich z. B. durch Niesen im Raum verteilen: Viren und Bakterien, die uns, sind sie einmal in den Körper gelangt, Halsweh, Schnupfen, Husten und Fieber bescheren. Ist es dann endlich vorbei mit der Erkältung oder der Grippe, meinen viele, bis auf weiteres vor einer neuerlichen Attacke krankmachender Erreger gefeit zu sein. Doch das ist ein Irrglaube. Dr. Brigitte Stoiser von der Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin am AKH Wien: „Wenn der Abwehrschutz des Körpers bereits durch Viren geschädigt ist, ist es in der Folge für Bakterien leichter möglich, eine neuerliche Infektion auszulösen.“

Kampf an zwei Fronten

Superinfektion wird dieser Vorgang genannt, wobei „super“ in diesem Zusammenhang „über“ bedeutet, weil sich die zweite Ansteckung durch Bakterien sozusagen über die erste Ansteckung durch Viren stülpt. Durch diese Superinfektion kommt es nicht bloß zu einem Wiederaufflammen von Halsweh, Schnupfen, Husten und Fieber. „Ein typischer erster Hinweis auf eine Superinfektion ist, dass man fünf bis acht Tage nach der Erstinfektion, deren Symptome schon fast abgeklungen sind, wieder höheres Fieber bekommt“, sagt Stoiser. Das Fieber erzeugt der Körper, weil sich die winzigen Erreger weniger gut vermehren können, wenn es warm ist. Andere Hinweise auf eine Superinfektion: Die Nase rinnt wieder stärker und man hustet wieder öfter – und hustet verstärkt Schleim aus. So versucht der Körper, Flüssigkeit loszuwerden, in der die neuen Erreger stecken.
Währenddessen beginnt das Immunsystem damit, vermehrt weiße Blutkörperchen mit sogenannten Immunbotenstoffen zu bilden, die die neuen Erreger zerstören sollen. Dies geschieht oft, während die „alten“ Erreger, die die erste Infektion ausgelöst haben, noch gar nicht alle abgetötet sind. So kämpft das Immunsystem praktisch an zwei Fronten. Und dieser Kampf wird nicht selten verloren.

Schwachstelle Nase

Besonders leichtes Spiel haben die Bakterien in der Nase. Dort haben die zuvor eingedrungenen Viren bereits jene Härchen auf den obersten Schleimhautzellen belastet, die dazu da sind, Erreger gleich nach dem Eindringen hinauszubefördern. So fällt es den Bakterien leicht, sich auf der Schleimhaut festzusetzen, sich zu vermehren und die Schleimhaut durch die Ausscheidung von giftigen Stoffwechselprodukten so zu belasten, dass es zur Entzündung und zur Bildung von Eiter kommt. Oft wandern die Bakterien von der Nase in die Nasennebenhöhlen weiter, und in Folge der Superinfektion kommt es zu einer Entzündung der Nasennebenhöhlen.
„Auch eine Mittelohrentzündung und Rippenfellentzündung sind möglich“, sagt Stoiser. Im Anschluss an eine Grippe besonders gefürchtet sind Entzündungen des Herzmuskels, die das Herz schwächen. Oder auch Gehirnhaut- und Lungenentzündungen: Dies aus gutem Grund, können doch beide Erkrankungen in lebensbedrohliche Situationen führen – und manchmal zum Tod.    

Jetzt Antibiotika!

Gut, dass man der Superinfektion nicht hilflos ausgeliefert ist. Stoiser: „Treten nach einer viralen Infektion die Anzeichen einer neuerlichen Infektion durch Bakterien auf, also eine Erhöhung der Körpertemperatur oder ein Wiederaufflammen von Halsweh, Schnupfen und Hus­ten, sollte man zum Hausarzt.“ Denn jetzt ist die Gabe von Antibiotika angezeigt. Das sind chemische Substanzen, die die Bakterien entweder vernichten können, bevor sie Nasennebenhöhlen-, Mittelohr-, Lungenentzündung & Co hervorrufen, oder die verhindern, dass es aufgrund der Entzündungen zu mitunter schweren gesundheitlichen Komplikationen kommt. Um die Beschwerden zu lindern, die dann auftreten, wenn sich die Bakterien auf die erste Infektion durch Viren setzen, werden außerdem Mittel gegeben, die das Fieber senken bzw. Husten, Schnupfen und Halsweh lindern.

Schutz vor Ansteckung

Zur Superinfektion muss es aber gar nicht erst kommen. Vorbeugen kann man mit den selben Maßnahmen, die bereits vor der ersten Infektion mit Erkältungs- und Grippeviren schützen können. „Dazu zählt etwa eine gesunde Lebensweise“, sagt Stoiser. So eine Lebensweise führt, wer sich ausgewogen ernährt, sich viel bewegt, Alkohol nur in Maßen genießt und nicht raucht.
Da die Infektionen nahezu ausschließlich über Tröpfchen des Nasensekrets erfolgen, schützt sich auch, wer in Erkältungs- und Grippezeiten möglichst nichts angreift, was besonders viele Menschen angreifen, wie z. B. Geländer und Türklinken im öffentlichen Raum oder Haltegriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ausgenieste Viren und Bakterien können dort und anderswo stundenlang überleben. Gelangen sie über die Finger in die Nase, ist eine Ansteckung sehr wahrscheinlich. Die Infektion funktioniert aber auch über den Mund, in seltenen Fällen über die Augen bzw. den Tränenkanal, der in die Nase und den Rachenraum führt – weswegen man sich sicherheitshalber abwenden sollte, wenn man angeniest oder angehustet wird.
Eine weitere Vorbeugungsmaßnahme: Viel lüften. „Viren und Bakterien halten sich auch in der Raumluft“, sagt Stoiser. „Wenn die Raumluft öfter ausgetauscht wird, ist die Konzentration der Erreger in der Luft geringer und die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, nimmt ab.“  

Impfung als Immuntraining

Insbesondere Kleinkindern, Menschen über 60 Jahren, Menschen, die durch eine chronische Grunderkrankung wie eine Erkrankung des Herz- und Kreislaufsystems geschwächt sind, Menschen in Gesundheitsberufen und auch allen, die öfter an Grippe erkranken, empfiehlt die Expertin außerdem als wichtigste Vorbeugungsmaßnahme die jährliche Impfung gegen Grippe. Aber auch jene gegen Pneumokokken, das sind Bakterien, die Mittelohrentzündungen, Gehirnhautentzündungen und Lungenentzündungen auslösen können. Bei der Impfung werden Substanzen in den Körper eingeschleust, die den Krankheitserregern ähneln. Stoiser: „Dem Immunsystem reicht die Zufuhr abgeschwächter oder veränderter Bakterien und Viren als Anstoß, Abwehrzellen gegen die Erreger zu bilden.“ Dringen dann die echten Erreger in den Körper ein, ist das Immunsystem in der Lage, diese entweder sofort zu vernichten, oder in ihren Aktivitäten so einzudämmen, dass sich die Beschwerden bei Erkältung, Grippe & Co und die Gefahr einer Superinfektion in Schranken halten.

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Viren & Bakterien: Winzig, schnell, zerstörerisch

  • Viren, die bewirken, dass wir eine Erkältung bekommen oder an Grippe erkranken, sind so klein, dass sie nur unter dem Mikroskop sichtbar sind. Eine ungefähre Vorstellung von der Größe gibt ein Vergleich: Ein Salzkorn misst einen halben Millimeter, die menschliche Eizelle, die gerade noch mit freiem Auge sichtbar ist, ist fünfmal kleiner als ein Salzkorn. 1000 Mal kleiner ist ein Grippevirus. 100 Mal größer als Grippeviren sind Bakterien.
  • Übertragen werden Viren wie Bakterien über die Aufnahme von Tröpfchen aus dem Nasensekret von Infizierten. Diese Aufnahme ist z. B. möglich, wenn jemand, der sich im selben Raum aufhält, niest und man die Tröpfchen über die Luft einatmet – wobei die Tröpfchen bis zu fünf Meter weit fliegen. Viren und Bakterien, die auf diesem Weg ausgeniest werden, überleben stundenlang. Kommt man mit ihnen in Berührung und führt die Finger anschließend an oder in die Nase bzw. den Mund, kann man sich auch so infizieren.
  • Während uns Viren krank machen, indem sie gesunde Körperzellen befallen, diese zerstören und sich auf diese Art und Weise vermehren, vermehren sich Bakterien durch die simple Teilung ihrer selbst. Sie setzen sich auf die Schleimhäute und scheiden dort Giftstoffe aus, was zur Entzündung der Schleimhäute und zur Bildung von Eiter führt.

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