Frust im Job: Tipps gegen den täglichen Blues

Oktober 2013 | Leben & Arbeiten

Statt Freude nichts als Frust: Aktuellen Daten zufolge ist jeder dritte Österreicher mit seiner Jobsituation unzufrieden, jeder Fünfte hat sogar schon innerlich gekündigt.
Für MEDIZIN populär analysieren Experten die Gründe für den Verdruss und geben Tipps gegen den täglichen Blues am Arbeitsplatz.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Geld soll er abwerfen, Anerkennung soll er bringen, Spaß soll er machen, und er soll dem entsprechen, was wir gut können. Das ist das Holz, aus dem der ideale Job geschnitzt ist. Dass die Wirklichkeit oftmals anders aussieht, lässt sich nicht nur an den Gesichtern, sondern auch an aktuellen Zahlen ablesen: Jeder dritte österreichische Beschäftigte ist aufgrund der Arbeitssituation frustriert, jeder Fünfte hat sogar schon innerlich gekündigt. Das heißt, einer von fünf Dienstnehmern erscheint zwar an seinem Arbeitsplatz, hat aber eigentlich kein Interesse (mehr) an dem, was er dort tut. „Die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen führt dazu, dass im besten Fall Dienst nach Vorschrift versehen und quasi am unteren Leistungslimit gearbeitet wird“, nennt Dr. Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer und Leiter des Referats für Arbeitsmedizin, die Folgen innerer Kündigung.

Überforderung, mangelnde Wertschätzung

Was genau verdrießt Österreichs Beschäftigte, die mit einer Jahresarbeitszeit von 1746 Stunden einer Untersuchung der Stiftung Eurofound zufolge immerhin zu den Vielarbeitern der EU zählen? „Als frustrierend wird erlebt, wenn man nicht wirklich das machen kann, was man gelernt hat. Unzufrieden macht zudem, wenn man als Person und mit seiner Arbeit nicht gesehen, geschweige denn wertgeschätzt wird“, bringt es der Grazer Arbeits- und Organisationspsychologe Dr. Paul Jiménez auf den Punkt. Arbeiter sind stärker „gefrustet“ als Angestellte, ältere Beschäftigte mehr als jüngere. Mit zunehmendem Alter sinken die Möglichkeiten und damit „das Selbstvertrauen und der Mut, etwas Neues zu wagen“, erklärt Jiménez den höheren Frustpegel älterer Dienstnehmer.

Zu viel Arbeit, kein Feedback

Besonders viele Beschäftige leiden „unter der Überforderung durch zu viele Aufgaben und zu wenig Zeit“, ergänzt der Wiener Arbeitspsychologe und Psychotherapeut Dr. Karl Kriechbaum. Als frustrierend erleben sie aber nicht nur die Arbeitsmenge: „Oft werden die Aufgaben nicht präzise formuliert“, nennt Kriechbaum eine besonders geläufige Frustfalle, die Vorgesetzte ihren Mitarbeitern stellen. Wenn aufgrund der Informationsdefizite Arbeiten doppelt und dreifach erledigt werden müssen, ist Verdruss programmiert.
Einen besonders folgenschweren Frust-Cocktail mixen jene Führungskräfte, die ihren Angestellten jegliches Feedback für geleistete Arbeit vorenthalten oder aber immer nur negative Rückmeldung geben: „Dann kommen zum Frust auch noch Unsicherheit, Ärger und Druck dazu“, weiß Kriechbaum.

Falsche Sichtweisen

Als ob der Frust im Job nicht schon groß genug wäre, den Experten zufolge nimmt er sogar weiter zu. Dafür verantwortlich sind nicht nur die bereits genannten Belastungen. Oft – und immer öfter – ist der Frust „hausgemacht“: Als mögliche Gründe nennt Kriechbaum die persönliche Sicht auf Job, Kollegen & Co – und die Tendenz, alles und jeden zu bewerten. „Die persönlichen Bewertungen der Gegebenheiten im Job sind oft sogar viel bedeutender als die objektiven Arbeitsbedingungen“, verweist Kriechbaum auf die Auswertungsergebnisse seiner zahlreichen Evaluierungen psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Das Fatale daran: „Studien zeigen, dass bis zu 90 Prozent unserer Bewertungen etwa von Situationen falsch sind, ganz besonders im zwischenmenschlichen Bereich“, so der Psychologe. „Wir ziehen Schlüsse, die sich nicht aus den Fakten, sondern aus den persönlichen Erfahrungen ergeben.“ Immer dann, wenn wir in Reaktion auf eine gegenwärtige Situation „alte Filme“ abspulen, kommt es sehr leicht zu Fehlinterpretationen. Und diese führen zu Missverständnissen, Aggression und Konflikten, welche die ohnehin frustrierende (Arbeits-)Situation weiter aufschaukeln.

Schlechter Arbeitsstil

Verschärft wird das Problem durch die verbreitete Angewohnheit, alles oder vieles persönlich zu nehmen. Wenn ein schiefer Blick vom Chef genügt, um sich zu fragen: „Was hab’ ich jetzt schon wieder falsch gemacht?“, kann das in eine fatale Negativ-Spirale führen, warnt Kriechbaum. „Das Verhalten des Chefs kann schließlich ganz andere Gründe als das vermeintliche persönliche Versagen haben.“
Neben der problematischen Neigung zum Persönlich-Nehmen orten die Experten auch im unstrukturierten Denken einen häufigen Frustauslöser. Das Multitasking im Kopf „führt dazu, dass man unkonzentriert, alles andere als lösungs- und zielorientiert ist, sich verzettelt“, beobachtet Karl Kriechbaum. „Viele Menschen wälzen mehrere Probleme gleichzeitig und lösen letztlich kein einziges.“
Auch ein falscher Arbeitsstil sorgt für Frustration und Stress: „Viele neigen dazu, schnell und gehetzt zu arbeiten, insbesondere, wenn Druck und Aufgabenfülle zunehmen“, beobachtet Experte Kriechbaum. „Sie buttern immer mehr Energie in die Arbeit, erzielen aber immer weniger Resultate, weil die Leistungsfähigkeit nachlässt. Neue Untersuchungen zeigen, dass selbst kurzfristiger und minimaler Stress unsere Denk- und Kontrollzentrale, den präfrontalen Cortex, in Mitleidenschaft zieht.“ Daraufhin wird der Mensch unkontrolliert, unflexibel, „weil niedrigere Hirnareale wie der Mandelkern die Oberhand gewinnen“.

Gefährliche Frustbewältigung

Was auch immer den Frust im Job auslöst – er will bewältigt werden. Auf welche Art und Weise das geschieht, sei Veranlagungssache: „Abhängig von der jeweiligen Disposition entwickelt der eine Bluthochdruck, der andere ein Suchtverhalten“, erläutert der Innsbrucker Allgemein- und Arbeitsmediziner Artur Wechselberger. Die typische österreichische Reaktion? „Alkoholmissbrauch; es beginnt damit, dass man trinkt, um sich zu entspannen und abzuschalten, und kann im Extremfall dazu führen, dass man trinkt, um die Arbeit überhaupt bewältigen zu können.“ Wesentlich bessere Karten haben jene, die den täglichen Blues mit Sport bekämpfen: „Bewegung kann ein sinnvoller Ausgleich sein“, so Wechselberger. „Wenn man es damit jedoch übertreibt, legt man – ähnlich wie bei der Sucht – ein unangemessenes Kompensationsverhalten an den Tag, das auch zu körperlichen Schäden führen kann.“

Folgen für die Gesundheit

So oder so beeinträchtigt der Frust die Gesundheit, geht er doch Hand in Hand mit Stress und dessen ungünstigen Auswirkungen auf den Organismus. Herzrasen, Schlafstörungen, Erschöpfung bis hin zu Burn-out und Depression – die Liste der möglichen Folgen ist lang. Damit nicht genug: „Eine neue amerikanische Studie zeigt, dass durch massiven und länger anhaltenden Stress Schäden in unserer menschlichen Steuerzentrale, dem präfrontalen Cortex, auftreten, die nicht mehr rückgängig zu machen sind“, warnt Kriechbaum. „Nach einem Burn-out etwa können die Schädigungen der signalempfangenden Ausläufer von Nervenzellen nicht mehr ganz repariert werden, und unsere Denkzentrale ist somit nicht mehr voll funktionsfähig.“ Auch Schmerzen können auf das Konto von Dauerfrust im Job gehen: „Es kann zu chronischen Verspannungen im Nacken- und Rückenbereich oder zu chronischen Kopfschmerzen kommen“, sagt Artur Wechselberger. „Oder der Frust schlägt sich auf den Magen-Darm-Trakt und es kommt zu einer chronischen Gastritis, zur Übersäuerung im Magen und im Speiseröhrenbereich oder zu einer Darmentzündung.“

Soziale Probleme

Auch wer innerlich gekündigt hat, bleibt von gesundheitlichen Folgen nicht verschont. „Selbst, wenn man sich scheinbar distanziert, kommt es zu einer vermehrten Adrenalinausschüttung verbunden mit einem erhöhten Blutdruck, der chronisch werden kann“, warnt Arbeitsmediziner Wechselberger. Jene, die sich frustriert zurückziehen, müssen zudem „einer Gesundheitsgefährdung durch Isolation ins Auge sehen“. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Singles leben und der familiäre Zusammenhalt verlorengeht, werden berufliche mehr denn je zu sozialen Problemen: „In dieser Gesellschaft bekommen viele Menschen kaum eine andere soziale Zuwendung als jene, die sie am Arbeitsplatz durch Mitarbeiter, Kunden oder Arbeitgeber erfahren“, so Wechselberger.
Allerdings: Nicht jeder, der frustriert ist, muss gleich gesundheitliche Konsequenzen befürchten. Es gelte, zwischen chronischer Frustration und frustrierenden Alltagssituationen zu unterscheiden, unterstreicht Artur Wechselberger: „In jedem Beruf wird es hin und wieder belastende Situationen und Konflikte geben. Sie zu bewältigen, ist Teil der täglichen Aufgaben.“

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Überprüfen der Ist-Situation

Damit aus einem Motivationstief kein Dauerfrust wird, sollte man rechtzeitig innehalten und sich fragen: Was frustriert mich? Was kann ich dagegen unternehmen? „Letztlich muss man auch entscheiden, ob man die Frustration in Kauf nimmt oder aktiv wird, indem man sich zum Beispiel neu orientiert“, verdeutlicht der Arbeitspsychologe Dr. Paul Jiménez.

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Freude statt Frust:
Tipps gegen den täglichen Blues

  • Strukturiert denken

Das schnellste Mittel gegen Frust? „Denken Sie um!“ rät der Arbeitspsychologe Dr. Karl Kriechbaum. Statt etwa darüber zu jammern, wie viel Arbeit noch zu erledigen ist, gelte es, die einzelnen Aufgaben so zu ordnen, dass man sie der Reihe nach abarbeiten kann. Anstatt also ständig auf Problemen herumzureiten, sei „formal richtiges Denken“ die beste Therapie: „Es geht darum, eine Situation zu analysieren und entsprechende Schlüsse zu ziehen: Was ist das Ziel? Was ist zu tun?“ so Kriechbaum. „Dieses strukturierte Denken stärkt die Kontrollfähigkeit und dämpft Zweifel und Ängste.“

  • Richtig (oder gar nicht) bewerten

Der Kollege reagiert auf eine einfache Frage gereizt? Die Chefin schaut skeptisch? Wer das Verhalten anderer nicht gleich persönlich nimmt und von (falschen) Bewertungen absieht, beugt Frustration vor. „Dadurch ist man davor gefeit, sich über jede Kleinigkeit zu ärgern oder aufzuregen“, sagt Kriechbaum.

  • Aktiv langsam arbeiten

Vor Frust schützt auch ein Arbeitsstil, der sich nicht nur als gesund, sondern auch als erfolgreich erwiesen hat: „Eine Untersuchung an unserem Institut für Psychoneuronalogie hat gezeigt, dass aktiv langsames Arbeiten mittel- und langfristig die mit Abstand beste Arbeitsweise ist“, erklärt Kriechbaum. „Das bedeutet, dass man entspannt, engagiert, fokussiert, Schritt für Schritt vorgeht und eine Aufgabe möglichst abschließt, bevor man die nächste anpackt.“    

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