Leben mit einer Hörschädigung

November 2012 | Medizin & Trends

„Dabei sein, aber nicht dazugehören”
 
Mit 35 Jahren erkrankte sie an Grippe und hatte verlegte Ohren. Daraus entwickelte sich bei Hana Adam aus Wien eine bleibende Schwerhörigkeit. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt die heute 54-Jährige, wie das Leiden ihr Leben verändert hat.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN populär Frau Adam, wie hat sich die Schwerhörigkeit bei Ihnen entwickelt?

Hana Adam
Bei mir hat alles vor 19 Jahren im Zuge einer Grippe begonnen, bei der ich verlegte Ohren gehabt habe. Da habe ich mir noch nicht so große Sorgen gemacht. Unruhig wurde ich erst, als ich nach vier Wochen immer noch alles wie durch Watte gehört habe. Da bin ich dann zum Arzt gegangen und habe Medikamente und Behandlungen bekommen, die sich über ein halbes Jahr hingezogen haben. Trotzdem wurde mein Gehör immer schlechter. Nach neuerlichen Untersuchungen hat man festgestellt, dass ich auch einen Hörsturz hatte. Da habe ich dann Infusionen bekommen, die aber nichts genützt haben. Irgendwann hat man mir gesagt, dass man nichts mehr für mich tun kann, und mich mit zwei Hörgeräten nachhause entlassen. Für mich war das ein ziemlicher Schlag.

Wie hat sich durch die Hörschädigung Ihr Leben verändert?

Im Beruf hatte ich viel Kundenkontakt, und den zu halten, war sehr schwierig. Auch Treffen mit Arbeitskollegen und Freunden waren nicht mehr so einfach. Ich hatte oft das Gefühl, man bemitleidet mich und weiß nicht wirklich, wie man mit mir sprechen soll. Ich war zwar dabei, gehörte aber nicht dazu. Mitleid wollte ich aber nicht. Also habe ich mich mit gerade einmal 35 Jahren in mein Schneckenhaus zurückgezogen. Das war nicht einfach, denn davor war ich eine leidenschaftliche Theaterbesucherin. Ich bin gern zu Veranstaltungen gegangen, aber auch das hat mir nun keinen Spaß mehr gemacht. Nach einiger Zeit hat mir mein grundsätzlich positives Denken dann aber doch geholfen. Ich habe begonnen, viel zu lesen und mich mit vielen interessanten Dingen auseinanderzusetzen. Und ich habe angefangen, mein Leben langsam an meine Schwerhörigkeit anzupassen und sie zu akzeptieren. So habe ich schließlich Kurse besucht, in denen ich das Lippenabsehen gelernt habe. Danach konnte ich wieder besser nachvollziehen, was gesprochen wurde. Und obwohl ich immer schlechter gehört habe, ist es mir wieder etwas besser gegangen.

Wie reagieren Menschen, die Sie neu kennenlernen, wenn sie von Ihrer Schwerhörigkeit erfahren?

Die meisten wundern sich und glauben es nicht, weil ich normal rede. Da ich lange Haare habe, sieht man meine Hörhilfen ja nicht.

Welche Hilfsmittel benützen Sie noch?

Blitzlampen möchte ich nicht mehr missen. Die blitzen bei mir immer, wenn das Telefon oder die Türglocke klingelt, oder wenn ein Fax kommt. Ich habe auch einen Wecker, der blitzt. Und mittlerweile habe ich im rechten Ohr ein Cochlea-Implantat. In Kombination mit dem Hörgerät bringt mir das 80 Prozent meiner Hörfähigkeit zurück. Als ich einige Wochen nach dem Einsetzen des Implantats das Ticken der Küchenuhr gehört habe, sind mir vor Freude die Tränen gekommen, denn dieses Ticken habe ich viele Jahre nicht mehr wahrgenommen. Inzwischen kann ich wieder recht gut Gesprächen folgen, Musik hören und sogar ins Theater gehen, also das Leben wieder besser hören, verstehen und genießen.

Sie sind ehrenamtliche Vizepräsidentin im VOX-Schwerhörigenzentrum in Wien und leiten auch Selbsthilfegruppen. Warum engagieren Sie sich für andere Hörbehinderte?

Vorwiegend möchte ich dort anderen Betroffenen auf der Grundlage meiner Erfahrungen helfen, mit ihrer Behinderung besser umzugehen. Einige sind froh, wenn sie medizinische oder technische Ratschläge von mir bekommen. Anderen hilft es, dass man ihnen Mut macht, einzufordern, was ein Schwerhöriger braucht, um das Leben genießen zu können, nämlich normale Lautstärke und Blickkontakt in Gesprächen.  

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