Progressive Muskelanspannung nach Jacobson

Dezember 2014 | Leben & Arbeiten

Das Prinzip ist so einfach wie wirkungsvoll: Indem man einzelne Muskelgruppen vom Kopf bis zu den Zehen anspannt und wieder locker lässt, stellt sich wohlige Entspannung ein. Nicht nur wegen der günstigen Effekte auf Körper, Psyche und Geist ist die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson eine der weltweit am meisten praktizierten Wege zu innerer Ruhe.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Anspannen, die Spannung für einige Sekunden halten, lockerlassen – und genießen: „Die Technik der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson kann mit dem Pendelprinzip erklärt werden“, verdeutlicht der Wiener Allgemeinmediziner Dr. Johannes Rohregger die Funktionsweise. Der Anspannung folgt automatisch die Entspannung – und das hat viele positive Auswirkungen.
Um in deren Genuss zu kommen, braucht es nicht viel: Die Muskelentspannung lässt sich einfach und rasch erlernen und gut in den Alltag integrieren. „Man kann die Übungen zuhause mithilfe einer CD oder DVD oder auch unter Anleitung in einer Gruppe praktizieren“, führt Rohregger aus, der Anfängern allerdings zumindest zehn Sitzungen mit einem Lehrer oder einer Lehrerin empfiehlt. „Speziell beim Erlernen sollte man die Übungen unbedingt vorgesagt bekommen – auch, damit man nicht den Faden verliert.“
Relativ rasch stellen sich erste Erfolgserlebnisse ein: „Eine angenehme Wirkung kann sogar schon nach der ersten Sitzung eintreten“, so der Mediziner, der in seiner Praxis Gruppenabende mit der Methode anbietet. Damit ist er längst nicht mehr allein auf weiter Flur: Die wissenschaftlich anerkannte Methode zählt zu den am meisten praktizierten Entspannungstechniken weltweit. Keine andere ist so gut untersucht wie das Spiel mit den Muskeln – entsprechend breit wird sie angewendet: in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, in Kuranstalten, in den Praxen niedergelassener Psychotherapeuten und Psychologen, in Volkshochschulen und in den Wohn- und Schlafzimmern zuhause.

Zunehmend entspannt

Warum die Methode so gut funktioniert? Die Progressive Muskelentspannung, auch Progressive Muskelrelaxation (PMR) genannt, simuliert gleichsam den natürlichen Wechsel von An- und Entspannung, der heutzutage bei vielen nicht mehr funktioniert. Wieder in Balance zu kommen, ist das Ziel der Technik, die auch dann weiter wirkt, wenn man sie gerade nicht praktiziert. „Im Prinzip sollte sie dauerhaft zu einer gelasseneren Haltung führen“, nennt Johannes Rohregger ihren tieferen Sinn. Die beruhigende Wirkung der Übungen auf den Körper lässt sich (auch) mit deren Einfluss auf den Stressnerv, den Sympathikus, erklären. „Die Dominanz des Sympathikus wird zurückgenommen, und es erfolgt eine Aktivierung des Ruhenervs, also des Parasympathikus“, beschreibt es der Experte.
Wie der Name „Progressive Muskelentspannung“ („progressiv“ bedeutet „fortschreitend“) verrät, sinkt durch die Übungen mit den einzelnen Muskelgruppen nach und nach die Grundspannung im Körper, sodass sich vielfältig günstige und wohltuende Effekte einstellen. „Zu den körperlichen zählt eine Senkung der Herzfrequenz, das heißt, das Herz schlägt langsamer“, erklärt der Arzt. „Auch wird die Atmung ruhiger, man holt tiefer und langsamer Luft.“ Emotional fühlt man sich durch das regelmäßige „Muskelspiel“ ausgeglichen und erholt. „Gleichzeitig mit der Entspannung der Muskulatur, dem Abfallen der Atem- sowie der Herzfrequenz beschreiben die meisten eine angenehme, tiefe Ruhe“, beobachtet der Mediziner. „Dieser Ruhezustand führt teilweise sogar bis zum Schlaf.“

Im Unterbewusstsein verankern

Ergänzend zu den Übungen könnte man sich eine Affirmation bzw. einen „für sich selbst wichtigen Satz“ überlegen, regt der Mediziner an. „Dieser sollte einfach, kurz und positiv formuliert sein. Er wird immer an einer bestimmten Stelle der Übungen bedacht, sodass er sich im Unterbewussten verankert und weiter arbeitet, auch wenn man die Muskelrelaxation gerade nicht durchführt.“ Wer einen nervösen Magen hat, könnte sich etwa mit dem Satz „Meinem Bauch geht es gut“ helfen. Wer unter Ängsten leidet, entscheidet sich vielleicht für „Ich fühle mich an jedem Ort ruhig und sicher“. Und wer sich Nacht für Nacht ruhelos im Bett wälzt, kann mit der Formulierung „Ich schlafe entspannt und rasch ein“ versuchen, sein Problem in den Griff zu bekommen.    

Wie alles begann

Der Erfinder der Progressiven Muskelentspannung ist zugleich namensgebend: Der US-amerikanische Arzt und Physiologe Edmund Jacobson bemerkte 1928, dass es Wechselwirkungen zwischen muskulärer Spannung und bestimmten psychischen Befindlichkeiten wie Unruhe, Ängsten etc. gibt. Auf genau dieser Erkenntnis basiert das von ihm in den 1930er Jahren entwickelte Training.

Wie sie wirkt

Bevorzugte Einsatzgebiete der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Herzrasen, Schlafstörungen, Schmerzen (insbesondere Kopf-, Rücken- und Schulterschmerzen), psychosomatische Beschwerden, Spannungszustände, Angst und Angsterkrankungen.
Wie wirksam das „Medikament Muskelentspannung“ ist, verdeutlicht Johannes Rohregger am Beispiel Bluthochdruck: „Einer meiner Patienten konnte nach einem halben Jahr regelmäßigen Trainings die Blutdruckmedikamente absetzen, und die Blutdruckwerte blieben im Normalbereich.“
Die Technik sei „prinzipiell für jeden geeignet“, setzt der Experte fort. „Bei Beschwerden oder Schmerzen in bestimmten Regionen lässt man allerdings entweder die betreffenden Körperpartien aus oder führt die Übungen besonders behutsam durch.“ Wem z. B. die Halswirbelsäule Probleme macht, sollte den Kopf weder zu tief in den Nacken legen noch zu weit nach rechts und links drehen.

Wie sie funktioniert

Am besten wird die Progressive Muskelentspannung mit geschlossenen Augen in einer bequemen Sitzposition oder im Liegen durchgeführt. Man „arbeitet“ sich Muskelgruppe für Muskelgruppe durch. „Man beginnt mit den Armen und Händen, trainiert dann den Schulter- und Kopfbereich, geht über Brust und Bauch zu den unteren Extremitäten bis hin zu den Zehenspitzen“, beschreibt Rohregger den Ablauf, den man „immer beibehalten“ sollte. Variieren lässt sich bezüglich der Intensität der Aufmerksamkeit, die man jeder Körperregion bzw. Muskelgruppe schenkt: „Man kann zum Beispiel die Muskeln von Fingern, Hand, Unterarm einzeln durchgehen oder den gesamten Arm an- und entspannen“, so der Experte.
Einer Phase der Anspannung von fünf bis zehn Sekunden folgt eine etwas längere Phase der Entspannung. „Währenddessen beobachtet man die aufkommenden Empfindungen“, ergänzt der Arzt. Schließlich basiert das Training grundlegend auf der Wahrnehmung des Kontrastes zwischen an- bzw. entspannten Muskelgruppen. Das bewusste Genießen der muskulären Entspannung wird im Körpergedächtnis gespeichert und ist immer abrufbar.
„Damit sich eine Routine entwickelt und das Training gut in den Tagesablauf integriert wird, sollte man zumindest in der Früh und am Abend üben“, rät Rohregger. Eine Übungseinheit kann zwischen zwei und 45 Minuten dauern, ein Muskelkater ist nicht zu befürchten!

Übungen zur Progressiven Muskelentspannung nach Jabson
hier zum kostenlosen Download.

Buchtipp:
Schmid
Mein Weg in die Entspannung
Mit Audio-CD & Selbsttest
ISBN 978-3-85175-978-5
192 Seiten, € 22,–
Verlag Maudrich 2013

 

Stand 12/2014

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