Rauchstopp ohne Kilofrust

Dezember 2012 | Medizin & Trends

Das hilft Ex-Rauchern im Kampf gegen den Speck
 
Die Angst vor zusätzlichen Speckröllchen hält viele davon ab, das Rauchen sein zu lassen. MEDIZIN populär hat Tipps und Tricks, wie der Rauchstopp ohne Kilofrust gelingen kann.
 
Von Bettina Benesch

Keine Zigarette mehr in der Tasche – dafür zehn Kilo mehr auf den Hüften, schlecht gelaunt und gestresst: Ein Horrorgedanke für viele, die das Rauchen aufgeben möchten. Meistens aber bleibt es nur beim Gedanken, denn die Gewichtszunahme ist längst keine ausgemachte Sache. Etwa die Hälfte aller Ex-Raucher nimmt nach dem Entzug kein Gramm zu. Viele nehmen sogar ab, wenn nach dem Rauchstopp der Startschuss für ein bewusstes Ess- und Bewegungsverhalten fällt.

Nikotin kurbelt Stoffwechsel an

„Im Durchschnitt wiegen Raucher zwei bis drei Kilogramm weniger als Nichtraucher“, weiß die Klinische­ und Gesundheitspsychologin Mag. Sophie Meingassner, fachliche Leiterin des Rauchertelefons. Grund dafür ist, dass Nikotin den Stoffwechsel ankurbelt, sodass Raucher täglich etwa 200 Kalorien mehr verbrauchen als Nichtraucher.
Nikotin erhöht nicht nur den Energiebedarf, sondern regelt auch den Blutzuckerspiegel und dämpft so Hungergefühle. Das erklärt, warum es möglich ist, mit reichlich Zigaretten auch ohne Mahlzeiten durch den Tag zu kommen. Bei vielen Rauchern wirkt die morgendliche Zigarette überdies verdauungsfördernd, denn Nikotin stimuliert über das vegetative Nervensystem auch den Magen-Darm-Trakt.

Aktiv, süchtig, krank

Das Nikotin im Tabakrauch beeinflusst darüber hinaus auch die Stimmung, indem es Hormone wie Adrenalin, Dopamin und Serotonin aktiviert. Adrenalin gilt als Stresshormon, das unseren Körper bei Gefahr für Kampf oder Flucht bereit macht. Raucher sind also aktiv und munter – und daher ständig unter Strom. Bei all der körperlichen Anspannung sind sie aber gut aufgelegt, denn Nikotin regt auch die Übertragung von Dopamin an, das positiv auf Stimmung und Wohlbefinden wirkt. Für gute Laune und wenig Appetit sorgt überdies Serotonin, dessen Werte durch Nikotin ebenfalls erhöht werden.
All das darf die negativen Effekte keineswegs vergessen machen: Nikotin ist ein starkes Gift, das süchtig macht, massiv in den Stoffwechsel eingreift, die Durchblutung verschlechtert und dadurch zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“) führen kann, ebenso zu Impotenz oder Konzentrationsschwäche. Dazu kommt eine Vielzahl anderer Substanzen im Tabakrauch, die als krebserregend oder anderweitig gesundheitsschädlich gelten. Der Verzicht auf Zigaretten zahlt sich daher immer aus – auch wenn die Waage vielleicht vorübergehend ein paar Kilo mehr anzeigt.

Körper braucht weniger Energie

Fängt ein Mensch zu rauchen an, kontert der Körper erst mit Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen. Mit der Zeit gewöhnt er sich aber an die Rauchinhaltsstoffe und stellt sich voll und ganz auf die regelmäßigen Nikotinrationen ein. Bleiben die einmal aus, ist Feuer am Dach, denn vieles im Körper gelangt nun aus der gewohnten Bahn: So sinkt etwa der Grundumsatz, was nichts anderes heißt, als dass der Körper jetzt weniger Energie braucht. Wer nach dem Rauchstopp so weiter isst, als wäre die Zigarette immer noch dabei, nimmt wahrscheinlich zwei bis drei Kilogramm zu – vor allem dann, wenn er kaum Bewegung macht. Eine Gewichtszunahme von zehn Kilogramm oder mehr ist freilich möglich, aber meist nur dann der Fall, wenn die Zigarette durch ständiges Essen ersetzt wird und Bewegung vollkommen ausbleibt. „Die Hälfte der Ex-Raucher nimmt zu, wenn sie nicht bewusst gegensteuert“, sagt Sophie Meingassner. Und gegensteuern lässt sich: „Der Rauchstopp soll schließlich geplant werden. Bei dieser Gelegenheit kann man gleich Bewegung mit einbauen, denn körperliche Aktivität lindert eventuelle Entzugserscheinungen.“

Heißhungerattacken möglich

Ein mögliches Entzugssymptom ist der Heißhunger. Er entsteht, wenn der Blutzuckerspiegel unter ein gewisses Niveau fällt. Raucher wie Nichtraucher bekommen dann nicht nur übermäßigen Appetit, sondern sie werden auch unruhig oder aggressiv und können sich nur mehr schlecht konzentrieren. Raucher können einen niedrigen Blutzuckerspiegel durch ein paar Züge an der Zigarette wieder erhöhen, ohne zwangsläufig essen zu müssen. Auch dafür ist das Nikotin verantwortlich. Nichtraucher essen statt zu rauchen und müssen anschließend ein paar Minuten länger warten als Raucher, bis ihr Blutzuckerspiegel wieder ein verträgliches Niveau erreicht hat. Laut Meingassner sind Heißhungerattacken bei jenen Ex-Rauchern wahrscheinlicher, die auch in der Zeit als Raucher mit Heißhunger Bekanntschaft gemacht haben.

Essen schmeckt besser

Niedrigerer Grundumsatz und Blutzuckerturbulenzen sind zwei Gründe für Gewichtszunahme nach dem Rauchstopp. Und es gibt ein paar mehr: Wer nicht mehr raucht, der schmeckt das Essen wieder, nimmt Süßes intensiver wahr, kann salzig und sauer besser voneinander unterscheiden. Grundsätzlich eine gute Entwicklung, die zeigt, dass sich auch die Geschmacksnerven regenerieren. „Das Essen schmeckt einfach besser“, sagt Sophie Meingassner, „viele Ex-Raucher essen daher mehr als zuvor.“ Manche reagieren auch mit einer so genannten Suchtverschiebung, greifen also statt zur Zigarette zum Schokoriegel – auch deshalb, weil sie gerne etwas im Mund oder in den Fingern haben.

Kurzes Tief, längeres Leben

Auch schlechte Laune nach dem Rauchstopp lässt sich durch den Entzug erklären, schließlich hat Nikotin eine stimmungsaufhellende Wirkung. „Viele Ex-Raucher berichten über Stimmungstiefs“, erzählt die Psychologin Meingassner. „Das ist ein normales Entzugssymptom, das nach einer, spätestens drei Wochen vorübergeht.“ Das Tief kann freilich dazu führen, dass das eine oder andere Stück Kuchen als Nikotinersatz herhalten muss. Dauert die schlechte Stimmung länger als drei Wochen an, steckt vermutlich ein anderer Grund als der Rauchstopp dahinter. Spätestens dann ist professionelle psychologische Betreuung angezeigt.
Da das Nikotin auch die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin fördert, sind Ex-Raucher auf lange Sicht gesehen entspannter als Raucher. Auch die Herzfrequenz und der Blutdruck sinken, was sich insgesamt positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundheit auswirkt. Als Wundermittel vor allem zu Beginn des Rauchstopps gilt Ausdauersport, da er Hormone freisetzt, die sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Diese sogenannten Beta-Endorphine mindern Angst und Stress und wirken so ganz natürlich gegen Entzugserscheinungen. Und am Ende fehlen nicht nur die Zigaretten in der Tasche – sondern auch die Horrorgedanken. Schließlich ist klar: Wer sich bewusst auf das Abenteuer Rauchstopp einlässt, kann nur gewinnen.

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Sechs Tipps gegen den Kilofrust

1. Werden Sie sich klar darüber, warum Sie rauchen. Ist die Zigarette Ihr Mittel zur Gewichtsreduktion? Da gibt es gesündere: Sport, Gemüse, Obst, Vollkornbrot…

2. Planen Sie den Rauchstopp. So können Sie sich zum Beispiel schon vorher über Entzugserscheinungen informieren, Gewicht reduzieren, die Ernährung umstellen, mit Ausdauersport beginnen, Ihr bestehendes Training intensivieren und sich mental auf den Tag X vorbereiten.

3. Heißhunger ist ein Entzugssymptom. Wer sich dessen bewusst ist, hat gute Karten. Wenn Sie scheinbar unbändiger Hunger plagt, hinterfragen Sie: Ist es wirklich Hunger oder nur Appetit? Wenn es Hunger ist, essen Sie eine ausgewogene Mahlzeit. Ist es Appetit, trinken Sie ein Glas Fruchtsaft, gehen Sie an die frische Luft oder knabbern Sie an einer Karotte. Nach maximal drei Wochen hat sich Ihr Blutzuckerspiegel eingependelt und die Heißhungerattacken bleiben aus.

4. Bei großem Verlangen nach einer Zigarette nicht zur Schokolade greifen, sondern: Abwarten und nicht nachgeben, das Verlangen verfliegt nach maximal zehn Minuten  garantiert von selbst. Stehen Sie auf, öffnen Sie das Fenster, konzentrieren Sie sich auf Ihre Arbeit, Ihren Gesprächspartner, lenken Sie sich ab.

5. Sparen Sie beim Essen täglich 200 Kalorien ein oder verbrennen Sie sie durch Sport. Rund 200 Kalorien nehmen Sie beispielsweise mit einem Croissant zu sich, mit zwei Esslöffeln Erdäpfelsalat mit Mayonnaise, einem halben Liter Bier, einem Glas Rotwein oder 40 Gramm Schokolade. Verbrennen können Sie 200 Kalorien mit einem einstündigen Spaziergang, 30 Minuten Aerobic, 15 Minuten mittelschnellem Joggen oder einer halben Stunde Radfahren.

6. Treten Verdauungsstörungen auf, greifen Sie zu verdauungsfördernden Lebensmitteln wie Vollkornprodukten, Gemüse oder geschroteten Leinsamen und vermeiden Sie Stopfendes wie Weißmehl, Schokolade oder Bananen. Trinken Sie reichlich. Machen Sie Bewegung, denn auch sie regt den Darm an.

Buchtipp:

Hahnkamper, Raucherentwöhnung mit Hypnose
ISBN 978-3-99052-019-2, ca. 112 Seiten, € 12,90
Verlagshaus der Ärzte 2012

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