Gefährliche Begleiter: Welche Krankheiten mit Diabetes einhergehen

Oktober 2018 | Psyche & Beziehung

Diabetes hat Auswirkungen auf den ganzen Körper:
Warum Augen, Haut und Herz bei dieser Erkrankung gefährdet sind.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

Diabetiker haben höchstens den Diabetes gemeinsam. Denn: „Den ‚klassischen‘ Diabetiker gibt es nicht“, erklärt die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) Univ. Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer und ergänzt: „Diabetiker geben ein buntes Bild ab.“ Die Internistin, die auch Expertin für Stoffwechselerkrankungen, Endokrinologie und geschlechterspezifische Medizin ist, zählt auf: Kinder haben Diabetes, Mädchen genauso häufig  wie Buben, Jüngere sind betroffen, Schwangere, Ältere, Übergewichtige und auch Schlanke haben Diabetes – insgesamt rund 600.000 Menschen in Österreich.

 

Breites Spektrum

Bunt wie die Gruppe der Betroffenen ist auch die Palette der Ursachen für einen erhöhten Blutzuckerspiegel: So bunt, dass Diabetes mellitus nach seinen Entstehungsgründen in mehrere Arten unterteilt wird. Wie Kautzky-Willer, Dr. Helmut Brath, Vorstandsmitglied der ÖDG und Internist, sowie Prim. Univ. Prof. Dr. Heinrich Resch, Vorstandsmitglied der Karl Landsteiner Gesellschaft und Internist, außerdem wissen, ist obendrein das Spektrum an möglichen Begleit- oder Folgeerkrankungen der Zuckerkrankheit breit. Dazu zählen alphabetisch von A bis Z gereiht:    

Augenerkrankung
Durch Diabetes verursacht wird die diabetische Retinopathie, eine Netzhauterkrankung.

Etwa jeder vierte Diabetiker leidet laut Experten elf oder mehr Jahre nach der Diagnose Diabetes an diabetischer Retinopathie. Die Augenerkrankung wird häufig zum Begleiter von Diabetes, da die kleinen Blutgefäße der Netzhaut durch den Zucker so geschädigt werden, dass die Netzhaut nicht mehr richtig durchblutet wird und die Lichtreize nicht mehr ausreichend an den Sehnerv und das Gehirn weiterleiten kann.
Diabetische Retinopathie bringt eine sehr langsam voranschreitende Sehverschlechterung mit sich und kann bis zur Erblindung führen, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Demenz
Diabetes kann verschiedene Demenzerkrankungen verursachen, die alle mit einem schleichenden Verlust geistiger Fähigkeiten einhergehen.

Diabetiker haben im Vergleich zu Nicht-Diabetikern laut Experten ein bis zu viermal so hohes Risiko für Demenzformen, die auf Gefäßschäden zurückgehen. Das liegt daran, dass der Zucker im Blut auch Nervengefäße im Gehirn schädigt und diese in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Die für Demenz typische Desorientierung sowie das Nachlassen der Merkfähigkeit sind für Diabetiker besonders gefährlich: Denn ab einem gewissen Zeitpunkt können sie Messergebnisse, Medikamente und Ernährung nicht mehr aufeinander abstimmen – und Anzeichen einer lebensbedrohlichen Hypoglykämie, einer Unterzuckerung, nicht mehr erkennen.

Depression
Eine Depression, die psychische Erkrankung, die zu einer anhaltend negativen Stimmung führt, kann durch Diabetes verursacht werden.

Menschen mit Diabetes haben nach Statistiken ein doppelt so hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken als Nicht-Diabetiker. Gründe dafür sind die Belastungen durch das Management des Diabetes und die Selbstbehandlung, auch die Angst vor einer Hypoglykämie, der Unterzuckerung, und anderen Folgen der Krankheit.
Diabetiker mit Depressionen halten sich oft nicht an die Empfehlungen und ziehen sich so tatsächlich öfter als andere Diabetiker gefährliche Begleiterkrankungen zu.

Hauterkrankung
Diabetes kann zu einer Häufung von Hauterkrankungen führen.

Menschen mit Diabetes haben laut Experten ein erhöhtes Risiko für Hauterkrankungen – vom Fußpilz über Ausschläge bis hin zu Hautentzündungen. Das liegt vor allem daran, dass aufgrund von Gefühlsstörungen Verletzungen oft nicht bemerkt werden und Krankheitserreger über Wunden leicht in die Haut eindringen können.

Herz-Kreislauferkrankung
Bluthochdruck, die arterielle Verschlusskrankheit der Beinarterien, auch „Schaufensterkrankheit“ genannt, sowie Herzinfarkt und Schlaganfall können durch Diabetes verursacht werden.

80 Prozent der Diabetiker leiden nach Statistiken elf und mehr Jahre nach der Diagnose an Bluthochdruck.
Warum Bluthochdruck oft ein Begleiter von Diabetes ist, hat laut Internistin Kautzky-Willer im Wesentlichen einen Grund: Beide Krankheiten haben dieselben Risikofaktoren. Übergewicht und Bewegungsmangel erhöhen sowohl den Zuckerspiegel im Blut, als auch den Druck in den Gefäßen. Bluthochdruck ist wiederum ein entscheidender Wegbereiter für weitere bei Diabetes häufige Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie der arteriellen Verschlusskrankheit der Beinarterien, Herzinfarkt und Schlaganfall. 

Infekt
Diabetes kann zu einer Häufung von Infekten, Erkältungen, führen, die durch Bakterien und Viren verursacht werden.

Alle Menschen mit Diabetes haben von Beginn der Erkrankung an ein erhöhtes Risiko für Infekte. Das geht laut Internist Brath vor allem auf einen Faktor zurück: Darauf, dass der erhöhte Blutzuckerspiegel zu einer Funktionsstörung der Immunzellen im Blut führt, wodurch die Abwehrkräfte geschwächt werden. Betroffene haben deswegen ein erhöhtes Risiko für Infektionskrankheiten aller Art, die Infekte fallen auch schwerer aus und dauern länger an – vom Harnwegsinfekt über Fieberblasen, Halsweh, Husten und Schnupfen bis hin zur Lungenentzündung.

Krebs
Diabetes kann das Wachstum von bösartigen Tumoren mit sich bringen.

Ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen, vor allem für Bauchspeicheldrüsenkrebs, Darmkrebs und Leberkrebs haben Diabetiker laut Kautzky-Willer aus mehreren Gründen. So haben Diabetes und die genannten Krebsarten dieselben Risikofaktoren: Schlechte, fett- und zuckerreiche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch und Rauchen. Auch wachsen Krebszellen schneller, wenn sich mehr Zucker oder das Medikament Insulin im Blut befinden. Während Darmkrebs und Leberkrebs bei Früherkennung gut heilbar sind, sind die Heilungsschancen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs gering.

Nervenkrankheit

Neuropathie, eine Nervenerkrankung, die oft zu Missempfindungen, Taubheitsgefühlen und Schmerzen in Beinen und Armen führt, kann durch Diabetes verursacht werden.

Fast ein Viertel der Diabetiker leidet laut Experten elf und mehr Jahre nach der Diagnose an Neuropathie. Erklärbar ist die Häufigkeit der Nervenerkrankung bei Diabetes damit, dass es durch den Zucker zu Schwellungen der Nervenzellen und zur Schädigung der Hüllen kommt.
Die Schmerzen, die durch die Schäden entstehen, können so stark werden, dass Bewegung schwierig wird. Durch die Gefühllosigkeit werden kleine Verletzungen oft lang nicht bemerkt, wodurch es schlimmstenfalls zum diabetischen Fuß mit schlecht heilenden Wunden bis hin zur Amputation kommen kann.

Nierenschaden
Diabetes kann zu Nephropathie, einem Nierenschaden, führen.

Von Nierenschäden ist nach Statistiken jeder zehnte Diabetiker betroffen. Grund dafür sind Schädigungen jener kleinen Blutgefäße in den Nieren, die für die Blutfilterung zuständig sind.
Die Schäden können bis zur Niereninsuffizienz und der Notwendigkeit der Dialyse, der Blutwäsche, oder der Transplantation einer Spenderniere reichen.

Osteoporose
Osteoporose, die mit sich bringt, dass die Dichte der Knochen abnimmt und das Risiko für Knochenbrüche steigt, kann durch Diabetes verursacht werden.

Wie viele Diabetiker an Osteoporose leiden, ist laut Internist Resch nicht bekannt, doch erwiesenermaßen steigt bei Diabetes das Risiko für den Knochenschwund. Erklärbar ist die abnehmende Dichte der Knochen im Wesentlichen damit, dass sich Zuckerkristalle in die Knochen einlagern. Folgen des Knochenschwundes sind Knochenbrüche, die auch schon aus geringem Anlass passieren.

Zahnerkrankungen
Diabetes kann zu Parodontitis, der Entzündung des gesamten Zahnhalteapparats, führen.

Dass Parodontitis ein häufiger Begleiter von Diabetes ist, liegt laut Experten vor allem an einem: Durch die Schädigung der Blutgefäße, die die Mundschleimhaut durchziehen, wird diese schlechter durchblutet, weshalb die Abwehrkraft der Schleimhaut gegenüber Bakterien herabgesetzt ist  und es zu Zahnfleischentzündungen kommt. Da das Immunsystem insgesamt geschwächt ist, heilen die Entzündungen kaum ab und gehen oft auf den gesamten Zahnhalteapparat über.
Die Folgen sind Zahnfleischschwund, ein Schwund des Kieferknochens, schlimmstenfalls eine Lockerung der Zähne und Zahnverlust.

Was schützt?

  • Ab dem 45. Lebensjahr sollte laut Univ. Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer jeder vorsorglich alle zwei Jahre die Blutzuckerwerte bestimmen lassen, auch den Langzeitblutzuckerwert.
  • Bei Risikofaktoren für Diabetes wie Übergewicht, Rauchen oder Bluthochdruck früher und öfter.
  • Sind die Zuckerwerte leicht erhöht, besteht also Prädiabetes, kann eine Lebensstiländerung vor einer Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2, bis zu einem gewissen Grad auch vor seltenen Diabetes-Arten und Schwangerschaftsdiabetes schützen.
  • Ist man bereits an Diabetes mellitus erkrankt, können eine Lebensstiländerung, eine gute Einstellung auf Medikamente und Disziplin bei der Anwendung vor gefährlichen Begleit- oder Folgeerkrankungen bewahren. Ebenfalls wichtig sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sowie Vorsorgemaßnahmen, wie etwa die Grippeschutzimpfung oder die Pneumokokken-Impfung zum Schutz vor einer Lungenentzündung.

 

Weltdiabetestag 14.November

Die vier Diabetes-Arten

Typ 1-Diabetes
Geht auf eine Autoimmunkrankheit zurück: Das Immunsystem schädigt die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse, Insulinmangel entsteht, der Blutzuckerspiegel steigt an.

Typ 2-Diabetes
Wird durch die Gene, Lebensstilfaktoren und Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse erzeugt: Die Drüse produziert zu wenig Insulin und/oder die Zellen nehmen zu wenig auf.

Seltener Diabetes
Geht auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, Kontakt mit Chemikalien, Medikamenteneinnahme, Alkoholmissbrauch sowie andere Ursachen zurück.

Schwangerschaftsdiabetes

Entsteht, wenn sich durch die Schwangerschaft verschiedene Stoffwechselvorgänge so verändern, dass  der Blutzuckerspiegel in die Höhe geht.     


Buchtipp

Francesconi, Holub, u.a.
Basis-Bolus-Insulintherapie
Erfolgreiche Selbstanpassung bei Typ-1-Diabetes – die Alland-Methode
ISBN 978-3-99052-135-9
174 Seiten, € 17,90
Verlagshaus der Ärzte

Das Buch bietet sowohl Menschen, die bereits etwas länger mit Diabetes leben, als auch jenen, die erst kürzlich die Diagnose erhalten haben, wertvolle Informationen für den Umgang mit der Krankheit. Dazu zählen Anleitungen für das Management der Insulintherapie in verschiedenen Lebenssituationen. Auch psychische Hilfe bei der Bewältigung von Herausforderungen, die sich Diabetikern im Alltag stellen, wird geboten. Außerdem wird dargestellt, welche Faktoren – von der Ernährung und Sport über Arbeit und Reisen – den Blutzuckerspiegel beeinflussen.
Informationen über die Krankheit und Möglichkeiten der Behandlung runden den Ratgeber ab. Verfasst wurde er von einem Internisten und Diabetes­Experten, einem Diabetes-Berater und einem Psychiater.

Buchtipp

Kautzky-Willer, Winhofer
Diabetes
Vorsorgen, rechtzeitig erkennen und richtig behandeln
ISBN 978-3-214-00991-5
174 Seiten, € 21,90
MANZ Verlag Wien

Wie lässt sich Diabetes durch eine frühzeitige Lebensstiländerung vermeiden? Wie können Menschen mit der Erkrankungen lang, gut und fit leben? Das lassen die Autorinnen dieses Buches ihre Leser wissen. Die Erklärungen der beiden Internistinnen und Diabetes-Spezialistinnen basieren auf wissenschaftlichem Fachwissen, das verständlich und durch Grafiken auch variantenreich dargestellt wird. Neben vielen praxisorientierten Tipps in Sachen Ernährung und Diäten sowie Bewegung bei Diabetes finden sich in dem Ratgeber auch ausführliche Informationen zur medikamentösen Behandlung der Erkrankung. Außerdem wird auf Begleit- und Folgeerkrankungen sowie ihre Vermeidung eingegangen.


Webtipp

Den Selbsttest „Könnte ich Diabetes haben?“ und Informationen über Diabetes finden Sie auf:
Opens external link in new windowwww.facediabetes.at

 

Stand 11/2018

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