Morbus Bechterew

Oktober 2010 | Medizin & Trends

Die Krankheit, die in Schüben kommt
 
Rund 40.000 Österreicherinnen und Österreicher leiden an Morbus Bechterew. Die Krankheit beginnt mit Kreuzschmerzen, die in Schüben kommen, und kann zu einer leichten bis hochgradigen Versteifung und Verkrümmung der Wirbel­säule führen. Heilbar ist Morbus Bechterew nicht, doch je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto eher kann man den Verlauf verzögern und den Betroffenen das Leben leichter machen.
 
von Mag. Sabine Stehrer

Schmerzen im unteren Rückenbereich, die schubweise auftreten und durch Bewegung besser werden, schmerzhafte Entzündungen der Achillessehnen, immer wieder kehrende Augenentzündungen: So sehen die typischen Frühsymptome von Morbus Bechterew aus. Da diese ersten Anzeichen für die rheumatische Krankheit, die nach ihrem Entdecker, dem russischen Neurologen Wladimir M. von Bechterew, benannt ist und auch „ankylosierende Spondylitits“ heißt, oft isoliert wahrgenommen und behandelt werden, vergeht oft viel Zeit bis zur Diagnose. „Im Durchschnitt dauert es sieben Jahre, bis Morbus Bechterew erkannt wird“, sagt Primar Dr. Burkhard Leeb, Vorstand des Niederösterreichischen Zentrums für Rheumatologie am Landesklinikum Weinviertel in Stockerau. Leeb, der auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation ist, weiter: „Das ist völlig unbefriedigend, denn je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto besser lässt sich der Verlauf verzögern und desto weniger Beschwerden haben die Betroffenen zu erwarten.“

Vermutete Ursachen

Auf der Grundlage der Berichte der Patientinnen und Patienten über ihre Beschwerden, einer Blutuntersuchung und einer Röntgenaufnahme oder einer Magnetresonanztomographie der sogenannten Iliosakralgelenke im Bereich des Beckens wird die Diagnose erstellt. Die Diagnose erhalten haben hierzulande rund 40.000 Menschen. Die Erkrankung tritt meistens vor dem 40. Lebensjahr auf, wobei bei Männern die Beschwerden ausgeprägter sind als bei Frauen. Warum das so ist, weiß man nicht. Auch welche Ursachen die Krankheit hat, ist unbekannt. „Dazu gibt es derzeit nur Annahmen“, sagt Leeb. Vermutet wird zum Beispiel, dass erbliche Faktoren eine Rolle spielen, denn 90 Prozent der Erkrankten tragen das Gen HLA-B27 in sich. Leeb: „Allerdings bricht die Krankheit bei weniger als zehn Prozent der HLA-B27-Träger aus.“ Vermutet wird auch, dass beim Entstehen von Morbus Bechterew andere Erkrankungen wie Infektionen eine Rolle spielen, und dass psychische Belastungen den Ausbruch begünstigen. Ob auch entzündliche Darmerkrankungen oder Hauterkrankungen wie Psoriasis (Schuppenflechte) Morbus Bechterew auslösen können, weiß man nicht – jedenfalls treten diese Erkrankungen gehäuft gemeinsam mit Morbus Bechterew auf.

Zunehmende Versteifung

Was die Krankheit auch verursacht oder auslöst, die Abläufe im Körper der Patienten sind immer gleich. Leeb: „Morbus Bechterew ist eine Autoimmunerkrankung, das heißt, das Immunsystem erkennt körpereigene Strukturen nicht, hält diese etwa für feindliche Bakterien und bekämpft sie.“ Dadurch kommt es zu den Entzündungen, die nach den Iliosakralgelenken (Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) und der Lendenwirbelsäule, den Achillessehnen und den Augen auch auf die Brust- und Halswirbelsäule übergehen können und unbehandelt zu einer zunehmenden Versteifung und Verkrümmung des Rückens führen. „Im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium können die Betroffenen bis zu 45 Grad vornüber gebeugt sein“, sagt Leeb. Die von der Krankheit erzwungene Haltung führt oft auch dazu, dass verschiedene Organe wie Lunge, Herz, Nieren, Leber, Magen und Darm belastet werden und mitunter ebenfalls erkranken bzw. versagen. Leeb: „So kann Morbus Bechterew indirekt auch zum Tod führen.“

Bewegung hilft

Bei einer entsprechenden Therapie muss es aber gar nicht erst zu den Verkrümmungen und Versteifungen kommen. „Die Basis der Therapie ist Bewegung“, sagt Leeb. „Vor allem eine täglich ausgeübte und gezielte Gymnastik sowie körperliches Training wie Nordic Walking, Schwimmen oder Tanzen helfen.“ Begleitend werden entweder Antirheumatika gegeben, die die Entzündungen und Schmerzen lindern und so auch die Bewegung ermöglichen. Nutzen derartige Medikamente nichts, setzt man TNF-alpha-Blocker ein. Das geschieht in Form von Infusionen oder Injektionen, die sich die Patienten selbst verabreichen können, und die ebenfalls die Entzündungen hintanhalten, Schmerzen lindern bis beseitigen sowie die Funktion der betroffenen Gelenke verbessern bzw. wiederherstellen. Ebenfalls sehr gut wirken sich Kuren mit Einfahrten in den Heilstollen in Böckstein bei Bad Gastein aus, wo die Luft viel Radongas enthält. Leeb: „Patienten berichten, dass sie nach so einer Kur oft bis zu einem halben Jahr relativ beschwerdefrei sind.“ Warum das so ist, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob die unheilbare Krankheit irgendwann einmal zu heilen sein wird.

Buchtipp: Uitz, Mayer, Bahadori, Rheuma. Vorbeugen, erkennen, behandeln.
ISBN 978-3-902552-51-8, 112 Seiten, € 12,90 Verlagshaus der Ärzte

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