Probleme mit der Verdauung

Januar 2016 | Medizin & Trends

Was hilft gegen die Rebellion im Bauch?
 
Sodbrennen, Bauchweh, Durchfall und Verstopfung: Was alles dahinter stecken kann, wenn die Speiseröhre rebelliert, der Magen schmerzt, der Darm streikt – und was dabei hilft, um Verdauungsprobleme , die jetzt nach den Zeiten der üppigen Festmahle viele quälen, wieder loszuwerden.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Problembereich eins:
Wenn die Speiseröhre rebelliert

Es brennt im Bereich des Oberbauchs, der Brust, des Halses und zu diesem Sodbrennen gesellen sich saures Aufstoßen, das Gefühl, als hätte man einen Knödel im Hals, Husten, Heiserkeit. „Das alles sind meist Anzeichen für Reflux“, erklärt Univ. Prof. Dr. Franz Martin Riegler, Leiter des Reflux Medical Therapie- und Diagnosezentrums in Wien. „Reflux“ heißt so viel wie Rückfluss: Weil das Ventil zwischen Magen und Speiseröhre undicht ist, fließt bei Reflux Magensäure aus dem Magen in die davorliegende Station des Verdauungstrakts zurück – in die Speiseröhre. Da die Speiseröhre nicht für den Kontakt mit Magensäure gebaut ist, rebelliert sie und es kann zu den genannten Beschwerden kommen. Fließt die Magensäure bis in die Mundhöhle, kann die Säure zudem zu einem Brennen im Mund sowie zu Schäden an den Zähnen führen. Die einen leiden nur ein-, zweimal im Jahr an Sodbrennen, etwa in Zeiten üppiger Festmahle. Um vereinzelt auftretende Refluxbeschwerden wieder loszuwerden, braucht man nicht unbedingt ärztliche Hilfe. Dafür reicht eine einfache Maßnahme, informiert Riegler: „Eine Salatgurke essen.“ Die Flüssigkeit mit den Spurenelementen in der Gurke neutralisiert die Magensäure, wodurch die Plage ein Ende hat.

Falsches Essen, Veranlagung, Stress?
Nach Schätzungen leiden aber 1,5 bis zwei Millionen Österreicher – deutlich mehr Männer als Frauen – nicht nur an einzelnen Tagen des Jahres, sondern wesentlich öfter an Reflux.  Riegler über die Ursachen dafür, dass die Speiseröhre derart häufig zum Problembereich wird: „Dahinter steckt meistens ein Ursachenbündel aus falschem, fett- und zuckerreichem Essen sowie schlechten Essgewohnheiten wie hastiges Schlingen, eine gewisse Veranlagung, Stress oder anderen psychischen Problemen.“ Ein weiterer Wegbereiter für die Refluxerkrankung ist die Schwangerschaft – nach der Geburt ist die Rebellion der Speiseröhre nicht immer vorbei.
Wer häufiger an Sodbrennen leidet, sollte dies nicht auf die leichte Schulter nehmen und einen Arzt aufsuchen. Experte Riegler hat die Erfahrung gemacht, dass vielen Patienten schon eine Umstellung ungünstiger Gewohnheiten hilft: Wer weniger Zucker bzw. Zuckerreiches und Fettreiches zu sich nimmt, nicht zu üppig isst und nicht schlingt, sondern sich beim Essen Zeit lässt sowie den Alkoholkonsum reduziert und gegebenenfalls zu rauchen aufhört, ist oft schon die Beschwerden los. Anderen ist mit Medikamenten geholfen: Antazida, die die Magensäure neutralisieren, H2-Blocker und Protonenpumpenhemmer, die beide die Bildung von Magensäure blockieren. Ist der Reflux stark ausgeprägt, kann das Ventil zwischen Magen und Speiseröhre operativ wieder dicht gemacht werden.
Was Betroffene, auch wenn sie der Reflux nicht so sehr quält, laut Franz Martin Riegler jedenfalls tun sollten: Sich die Speiseröhre untersuchen lassen. Denn wird die Schleimhaut der Speiseröhre immer wieder durch Magensäure gereizt, kann sie sich entzünden. Und die Entzündung hat mitunter schwerwiegende Folgen, warnt Riegler: „Durch die Entzündung können sich Vorstufen von Speiseröhrenkrebs bilden.“ Bei der Untersuchung per Endoskopie lassen sich diese Vorstufen, das Barrett-Syndrom und Dysplasien, mit der Radiofrequenz-Ablation beseitigen. Dabei wird das erkrankte Gewebe zuerst mit Radiofrequenzenergie zerstört, dann abgeschabt, was das Risiko für die Entstehung von Speiseröhrenkrebs gegen Null gehen lässt.

Vorsorgeuntersuchung ab 40 ratsam
Da wird klar, warum der Experte jedem ab 40 Jahren dazu rät, die Speiseröhre auch vorsorglich untersuchen zu lassen – wobei die Untersuchung bei Vorhandensein von Krebsvorstufen alle ein bis zwei Jahre wiederholt werden sollte, ohne Krebsrisiko alle fünf Jahre.

Problembereich zwei:
Wenn der Magen schmerzt

Bauchschmerzen zwischen den Rippenbögen, die sich nach dem Essen verstärken, ein Völlegefühl, ein Druckgefühl, Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Sodbrennen: „Sind organische Ursachen durch eine Untersuchung ausgeschlossen, handelt es sich bei diesem Beschwerdebild um funktionelle Dyspepsie“, erklärt Prim. Univ. Prof. Dr. Rainer Schöfl von der Abteilung für Gastroenterologie & Hepatologie am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. „Funktionelle Dyspepsie“ bedeutet, dass man einen Reizmagen hat. Treten die Beschwerden nur vereinzelt auf, etwa in stressigen Zeiten, sind sie nicht unbedingt ein Fall für den Arzt. Schöfl: „Betroffene sind mit Hausmitteln gut beraten, meist helfen Tees, wie ein Anis-, Fenchel-, Kamillen- oder Wehrmuthtee.“
Wenn der Magen aber über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder zum Reizmagen wird, was etwa jeden Vierten und mehr Frauen als Männer betrifft, sollte dies Anlass für einen Gang zum Arzt sein, so Schöfl.

Stress, schlechte Gewohnheiten, Medikamente, Infektionen?
„Da der Reizmagen meist psychosomatisch bedingt ist und auf Stress zurückgeführt werden kann, helfen Entspannungstechniken wie autogenes Training und Yoga oder eine Psychotherapie. Zusätzlich können die Symptome durch Medikamente gelindert werden. Rainer Schöfl: „Dazu zählen etwa Protonenpumpenhemmer oder Antazida, die die Magensäure neutralisieren und ihre Produktion blockieren.“ Treten die Beschwerden immer dann auf, wenn zu viel gegessen wird oder bestimmte Nahrungsmittel gegessen werden, können sie auch auf schlechte Ernährungsgewohnheiten oder eine Nahrungsmittelunverträglichkeit zurückgehen. „Dann hilft eine Ernährungsumstellung, die auf die individuellen Gegebenheiten abgestimmt ist.“ Oft müssen Gluten in Getreide, Fruktose in Obst und Gemüse oder Laktose in Milchprodukten gemieden werden.
Der Magen kann aber auch zum Problembereich werden, wenn die Magenschleimhaut direkt gereizt wird: etwa durch übermäßigen Konsum von Alkohol und Nikotin, bestimmte Schmerzmittel, Antirheumatika oder eine Infektion mit Helicobacter pylori, einem Bakterium. Entzündet sich die Schleimhaut dadurch, lautet die Diagnose „Gastritis“. „Behandelt wird die Gastritis je nach Ursache“, sagt Schöfl, „mit Antibiotika gegen den Heliobacter, dem Wechsel auf andere Schmerzmedikamente sowie gegebenenfalls den Verzicht auf das Rauchen und eine Einschränkung beim Alkohol“.
Aus der Gastritis, der Entzündung der Magenschleimhaut, kann sich ein Magengeschwür entwickeln. Schöfl: „Auch Magengeschwüre können meistens medikamentös behandelt werden.“ Protonenpumpenhemmer sowie H2-Blocker, die beide die Magensäure neutralisieren, helfen.

Vorsorgeuntersuchung ab 40 empfehlenswert

Schlimmstenfalls gehen Magenbeschwerden darauf zurück, dass sich das Geschwür oder anderes Gewebe der Magenschleimhaut verändert hat und zum bösartigen Tumor wurde.  Deswegen empfiehlt Schöfl, den Magen vorsorglich ab dem 40. Lebensjahr untersuchen zu lassen und spätestens dann, wenn der Magen immer wieder zum Problembereich wird.

Problembereich drei:
Wenn der Darm streikt

Blähungen, Durchfall, Verstopfungen: Der Darm streikt bei nahezu jedem irgendwann einmal im Lauf seines Lebens. Treten die Beschwerden nur hin und wieder, wie nach großen Mahlzeiten auf, „ist nicht gleich ein Arztbesuch nötig“, sagt Univ. Prof. Dr. Dietmar Öfner-Velano von der Universitätsklinik für Chirurgie in Innsbruck. Dann helfen oft schon Hausmittel, die Unannehmlichkeiten rasch wieder der Vergangenheit angehören zu lassen. So kann es bei Verstopfungen reichen, Trockenfrüchte zu essen und viel zu trinken. Durchfall lässt sich meist mit schwarzem Tee und leicht Verdaulichem wie Suppen oder Zwieback bekämpfen. Bei Blähungen nützlich: Eine sanfte Bauchmassage im Uhrzeigersinn, das Auflegen einer Wärmflasche oder das Trinken von Kamillen- und Fencheltee. „Streikt der Darm öfter oder länger als drei Wochen am Stück, wechseln sich dabei Durchfall und Verstopfung ab, bereitet der Stuhlgang Schmerzen oder ist der Stuhl blutig, sollte dies aber unbedingt Anlass für eine ärztliche Untersuchung sein“, betont Öfner-Velano. „Darmbeschwerden können eine Vielzahl von Ursachen haben.“

Stress, Unverträglichkeiten, Infektionen?
Beispielsweise psychische: Stress und andere seelische Belastungen schlagen bei dem einen oder anderen auf den Darm – Reizdarm lautet dann die Diagnose. Hilfreich sind Entspannungstechniken oder eine Psychotherapie.
Auch eine Unverträglichkeit gegenüber Laktose, dem Milchzucker, oder eine Allergie auf Gluten, die Zöliakie, steckt mitunter hinter den Beschwerden – die man dann durch eine Ernäh­rungsum­stellung zum Verschwinden bringen kann.
Außerdem können Infektionen schuld an der Misere sein: Verschiedene Krankheitserreger, die über die Nahrung oder Wasser aufgenommen werden, entzünden die Darmschleimhaut und machen den Darm so zum Problembereich. Dietmar Öfner-Velano: „Behandelt werden diese Infektionen je nachdem, welche Krankheitsbilder sie ausgelöst haben, mit speziellen Medikamenten.“
Wenn der Darm öfter streikt, kann dies aber auch ein Anzeichen für eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung sein, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa – die schubweise auftreten und laut dem Experten mit Medikamenten gelindert werden können.
Mitunter sind gutartige Tumore, Adenome bzw. Polypen, und Aussackungen der Darmschleimhaut, Divertikel, ein Grund für Störungen an der letzten Station des Verdauungstrakts.

Vorsorgeuntersuchung ab 50 ratsam

„Divertikel können sich entzünden und in die freie Bauchhöhle durchbrechen, und aus den Polypen kann sich Darmkrebs entwickeln“, warnt Öfner-Velano und plädiert deswegen für eine vorsorgliche Darmspiegelung mit 50 Jahren, auch wenn keine Probleme bestehen. So müssen entzündete Divertikel behandelt werden, „und Darmkrebs hat keine Chance, wenn das veränderte Gewebe frühzeitig entdeckt und entfernt wird“.

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Wie funktioniert die Verdauung?

Die Verdauung beginnt im Mund, wo die Speisen mit Speichel durchmischt werden. Nach dem Schlucken wird der Speisebrei durch die Speiseröhre in Richtung Magen transportiert. Dort wird der Speisebrei mithilfe des Magensafts durchmischt und zerkleinert. Der Magensaft besteht im Wesentlichen aus Salzsäure und Enzymen, die Proteine spalten. Weiter geht es im Dünndarm bzw. Zwölffingerdarm, wo durch die Darmwände fast alle Nährstoffe aufgenommen werden. Bauchspeicheldrüse, Leber und Galle sind für die weitere Verwertung von Nahrungsmittelbestandteilen wie Kohlenhydrate und Fette zuständig sowie für die Entgiftung. Anschließend gelangt der Nahrungsbrei in den Dickdarm. Der Dickdarm entnimmt dem nunmehrigen Stuhl noch Wasser – ehe er zum Enddarm weitertransportiert wird, wo er bis zur Ausscheidung verbleibt.

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Wie werden Speiseröhre, Magen & Darm untersucht?

Speiseröhre
Die Untersuchung der Speiseröhre ist schmerzlos, der Patient wird dafür in Dämmerschlaf versetzt. Sie funktioniert mit einem Spiegelungsgerät, dem Endoskop. Mit einer Zange werden dabei Biopsien gemacht bzw. Gewebeproben entnommen, die unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht werden. So lassen sich Entzündungen und Krebsvorstufen sowie Tumore erkennen.

Magen

Auch diese Untersuchung erfolgt im Dämmerschlaf und ist daher schmerzlos. Bei der Gastroskopie wird das Endoskop über den Mund in den Magen eingeführt, die Magenschleimhaut wird begutachtet, Gewebeproben werden mit winzigen Zangen entnommen. Unter dem Mikroskop sind Veränderungen sichtbar.

Darm

Bei der Darmuntersuchung, der Koloskopie, wird das Endoskop über den After eingeführt. Auch diese Methode ist schmerzfrei, da der Untersuchte davor in Dämmerschlaf versetzt wird. Verändertes Gewebe wie Polypen, die sich zu Darmkrebs entwickeln könnten, kann meist schon während der Untersuchung entfernt werden.

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Krebs: Zahlen & Fakten

Speiseröhre

An Speiseröhrenkrebs erkranken laut Statistik Austria immer mehr Menschen und derzeit im Jahresschnitt 415 Österreicher. Da die Symptome der vorangehenden Refluxerkrankung vom Sodbrennen über das Aufstoßen bis zum Husten vielfach lang nicht ernst genommen werden, wird die Krankheit oft erst in fortgeschrittenem Stadium erkannt, etwa, wenn bereits Schluckbeschwerden auftreten. Trotz einer umfassenden Therapie ist dann selten eine Heilung möglich: Binnen fünf Jahren nach der Diagnose sterben 80 Prozent der Erkrankten.

Magen
Die Zahl der Menschen, die an Magenkrebs erkranken, ist laut Statistik Austria seit Jahren rückläufig – derzeit erhalten im Jahresschnitt 1337 Österreicher die Diagnose. Je frühzeitiger Magenkrebs entdeckt wird, desto größer stehen die Chancen auf Heilung durch eine Abtragung bei der Endoskopie oder eine Operation. Da sich die Erkrankung lang nicht bemerkbar macht oder Symptome nicht ernst genommen werden, wird Magenkrebs oft erst in fortgeschrittenem, schwer heilbarem Stadium entdeckt: 70 Prozent der Erkrankten sind fünf Jahre nach der Diagnose tot.

Darm
Dickdarm- und Enddarmkrebs zählen hierzulande zwar zu den häufigsten Krebsarten, doch die Zahl der Erkrankungen ging laut Statistik Austria zuletzt tendenziell leicht zurück: Jedes Jahr erhalten im Durchschnitt 4927 Menschen die Diagnose Darmkrebs. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate schwankt sehr stark, je nachdem in welchem Stadium der Krebs diagnostiziert  wurde.     

Stand 01/2016

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