Auf meiner Terrasse gibt es keine Zecken

Mai 2012 | Medizin & Trends

Die häufigsten Irrtümer rund um die gefährlichen kleinen Blutsauger
 
2011 wurden fast doppelt so viele FSME-Fälle verzeichnet wie im Jahr davor. Für den neuerlichen Anstieg orten Experten zwei Gründe: Weil man sich so gut vor der „Zeckenkrankheit“ schützen kann, wiegen sich viele in trügerischer Sicherheit. Und: Weil nach wie vor zahlreiche Irrtümer über die gefährlichen kleinen Blutsauger grassieren, verhalten sich viele falsch. MEDIZIN populär füllt Wissenslücken.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

Auf meiner Terrasse gibt es keine Zecken.

Von Waldbäumen aus bespringen Zecken ihre Opfer – eine Vorstellung, die sich hartnäckig hält. Und so denken viele weder beim Spaziergang durch den Park noch beim Picknick im eigenen Garten daran, dass Zecken vielmehr im Unterholz, im Gras und in Sträuchern lauern. Selbst auf einer Terrasse kann man sich nicht beruhigt im Liegestuhl zurücklehnen. Denn Katzen oder Hunde bringen von ihren Streifzügen oftmals Zecken mit, die dann vom Tier auf den Menschen überwechseln können. Und auch wenn man kein „offizielles“ Haustier hat, können die gefährlichen Blutsauger von Mäusen angeschleppt werden: „Wie eine deutsche Forschergruppe herausfand, reagieren Zecken, die das FSME-Virus in sich tragen, besonders empfindlich auf Mäusegeruch, so dass sie die kleinen Nager mit Vorliebe befallen“, weiß Dr. Georg Duscher vom Institut für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

Das Entfernen der Zecke schützt vor einer Infektion.

Nach jedem Aufenthalt in der Natur die Haut auf Zecken untersuchen, eventuell anhaftende Tierchen sofort mit einer eigens dafür vorgesehenen Zange entfernen und die Stelle desinfizieren – diese Maßnahmen sind auf jeden Fall wichtig und sinnvoll. „Die Stichstelle sollte aber in den nächsten Wochen unbedingt kontrolliert werden. Zeigt sich eine Rötung, so könnte das ein Hinweis auf Borreliose sein. Diese bakterielle Erkrankung wird ebenfalls durch Zecken übertragen und bedarf unbedingt einer Antibiotikagabe“, sagt Dr. Rudolf Schmitzberger, Impfreferent der Wiener Ärztekammer. Vor der Frühsommer-Meningoenzephalitis bewahrt das Entfernen der Zecke allerdings nicht, denn die Übertragung des FSME-Virus geschieht sofort nachdem die Zecke zugestochen hat. „Nicht die Zeckenzange, sondern einzig und allein die Impfung schützt vor FSME“, so Schmitzberger.

Eine Impfung wird schon genügen.

Nahezu 100-prozentigen Schutz bietet die FSME-Impfung aber nur dann, wenn man sich an die wissenschaftlich abgesicherten Empfehlungen hält. Das heißt: Auf die erste Teilimpfung folgt einen Monat später die zweite, ein Jahr darauf die dritte. Eine Auffrischungsimpfung sollte darauf nach drei und dann alle fünf Jahre erfolgen, bei Menschen über 60 stets alle drei Jahre. Sich mit nur einer Teilimpfung sicher zu fühlen oder die Auffrischung ohne entsprechende Titer-Bestimmung möglichst lange hinauszuzögern, kann lebensgefährlich sein. Unter den vier Todesopfern, die FSME im Vorjahr forderte, war ein fünfjähriges Kind: Es hatte, wie Experten vom Institut für Virologie der Medizinischen Universität Wien berichten, mit nur zwei Teilimpfungen im Jahr 2007 einen unvollständigen Impfschutz. Kinder können übrigens ab dem ersten Lebensjahr geimpft werden, in besonderen Fällen und nach ärztlicher Rücksprache sogar schon im sechsten Lebensmonat.

Jetzt impfen bringt sowieso nichts mehr.

Auch wenn den Impfempfehlungen nach die ersten zwei Teilimpfungen am besten noch in der kalten Jahreszeit erfolgen sollten, hat der schützende Nadelstich auch dann noch Sinn, wenn die Zeckensaison bereits begonnen oder der Urlaub in einem Zeckengebiet unmittelbar bevorsteht. „Kurzentschlossene haben die Möglichkeit einer Schnellimmunisierung. Der Unterschied besteht im kürzeren Intervall zwischen erster und zweiter Impfung. Wer sich jetzt impfen lässt, sollte diese Variante wählen“, empfiehlt Schmitzberger.

Beim Bergwandern kann mir nichts passieren.

Die Klimaerwärmung macht’s möglich: War man bis vor wenigen Jahren beim Bergwandern sicher, so fühlen sich Zecken inzwischen auch bereits in Höhen über 1500 Metern immer wohler. Die Statistik belegt die neue Gefahr: 2011 gab es im Bundesland Tirol bereits genauso viele FSME-Fälle wie in der Steiermark, und auch die sieben Erkrankungen in Vorarlberg bestätigen den Trend in Richtung Westen – und höhergelegene (Wander-) Regionen.

Ein Zeckenschutzmittel reicht völlig.

„Auf die Haut aufgetragene Zeckenschutzmittel bieten keinen ausreichenden Schutz“, warnt Schmitzberger. „In Forscherkreisen geht man heute davon aus, dass gerade Zecken, die das FSME-Virus in sich tragen, aktiver, aggressiver und vor allem noch widerstandsfähiger sind als ihre nicht infizierten Artgenossen. Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass die virentragenden Zecken viel unempfindlicher gegenüber Zeckenschutzmitteln sind“, berichtet Duscher.

Bei langen Hosen haben Zecken keine Chance.

Lange Hosen, hohe Schuhe oder Gummistiefel können Zecken zwar ab- bzw. aufhalten, sicheren Schutz gewährt die Kleidung alleine jedoch nicht. Selbst eine spezielle Zeckenschutzbekleidung kann die FSME-Impfung nicht ersetzen. Denn die kleinen Blutsauger können es sogar schaffen, sich an Kleider zu haften und so lange herumzukrabbeln, bis sie ein Stück Haut als geeignete Stichstelle gefunden haben. Und: „Nisten sie sich im Gewand fest, so können sie sogar einen Waschgang bei bis zu 40 Grad überstehen“, ergänzt Duscher.

Nach ein paar Zeckenstichen ist man immun.

Man sieht es der Zecke nicht an, ob sie ein Virenträger ist oder nicht. Man spürt es nicht, wenn sie zusticht, um an die für ihre Fortpflanzung nötige Blutmahlzeit zu kommen. Und man kann selbst durch häufigen Befall nicht immun gegen die von Zecken übertragenen Viren oder Bakterien werden. „Gerade ältere Menschen, die schon so manchen Zeckenstich glimpflich überstanden haben, verlassen sich oftmals darauf, dass ihr Immunsystem dadurch gelernt hat, mögliche Krankheitserreger selbst zu bekämpfen. Das ist ein gefährlicher Irrtum“, so Schmitzberger. FSME trifft übrigens die Über-60-Jährigen besonders häufig – und meist auch besonders schwer.

Frühsommer-Meningoenzephalitis gibt es nur im Frühsommer.

Zecken werden nicht erst im Frühsommer, sondern schon ab sieben Plusgraden Bodentemperatur aktiv. Entsprechend tritt die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) nicht erst und nicht nur im Frühsommer auf. Auch wenn die Statistik im Mai die meisten Zeckenstiche und auch Infektionen ausweist, besteht je nach Wetterlage von März bis Oktober Ansteckungsgefahr.

Die Medizin kann heute schon vieles heilen, so auch FSME.

Ist man mit dem FSME-Virus infiziert, so kommt es eine bis vier Wochen nach dem Zeckenstich zu Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Was sich zunächst wie eine Grippe anfühlt, baut sich in weiterer Folge zu einer folgenschweren Erkrankung aus: „Nach einer vorübergehenden Phase der Beschwerdefreiheit tritt erneut Fieber auf. Dazu entwickeln sich Entzündungen des Gehirns bzw. der Gehirnhäute, auch das Rückenmark, der Herzmuskel oder die Leber können betroffen sein“, beschreibt Schmitzberger den Verlauf. FSME kann nicht geheilt werden, lediglich die Symptome können gemildert werden. In vielen Fällen bleiben Schäden wie Lähmungen zurück: „Nicht einmal einer von fünf Patienten erholt sich vollständig von den Folgen einer FSME-Infektion“, weiß Schmitzberger. Bei einem von 100 Betroffenen führt die Erkrankung sogar zum Tod.

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Wer soll 2012 zur FSME-Impfung gehen?

Ungeimpfte Personen: jetzt 1. und 2. Teilimpfung bzw. Schnellimunisierung

Bei 1. und 2. Teilimpfung 2011: jetzt 3. Teilimpfung
    
Bei 3. Teilimpfung 2009: jetzt 1. Auffrischungsimpfung
    
Bei letzter Auffrischung 2007: jetzt Auffrischungsimpfung

Bei Über-60-Jährigen: Letzte Auffrischungsimpfung 2009, jetzt Auffrischungsimpfung

Infotipp:
Zeckenschutzimpfung: www.zecken.at

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