Der Stress-Test

April 2007 | Leben & Arbeiten

Wie man Stress messen kann
 
Alle haben Stress, doch kaum jemand weiß genau, was damit gemeint ist. Ein österreichischer Stressforscher hat jetzt eine Methode entwickelt, mit der man Stress klipp und klar messen kann. Sie fühlen sich ausgelaugt, überfordert und gereizt? Drei Tropfen Blut genügen, um zu wissen, ob wirklich der Stress die Ursache der Beschwerden ist. MEDIZIN populär über den Stress-Test, der so manche Stress-Lüge aufdeckt.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Die Zahlen sind alarmierend: Rund ein Viertel der Arbeitnehmer in der Europäischen Union leidet unter Stress. In Österreich sind es 22 Prozent. Ärztinnen und Ärzte warnen vor den dramatischen Folgen: Eine Studie belegt, dass Stress ein ebenso großes Risiko für Herzinfarkt darstellt wie das Rauchen oder eine Erkrankung des Fettstoffwechsels. Die gesundheitlichen Folgen von Stress werden aber immer noch unterschätzt, klagen Experten.
Ob in den Medien oder in persönlichen Gesprächen: Kein Tag vergeht, an dem einen der Begriff Stress nicht irgendwo begegnet. Gibt man „Stress“ in die Internet-Suchmaschine Google ein, so werden einem unglaubliche 224 Millionen Ergebnisse präsentiert! In die öffentliche Diskussion haben sich inzwischen zahlreiche Halbwahrheiten und Unwahrheiten zu diesem Thema eingeschlichen. So geht zumeist unter, dass Stress auch seine guten Seiten hat und sich nicht nur schädlich auswirkt. Außerdem werden gewisse Beschwerden und Symptome allzu vorschnell mit Stress in Zusammenhang gebracht, obwohl auch andere Ursachen dahinterstecken können. Das alles führt letztlich dazu, dass die tatsächlich stressbedingten Krankheiten nicht genügend ernst genommen werden.

Test räumt Zweifel aus
Seinem Ursprung nach ist „Stress“ ein völlig neutraler Begriff. Er stammt aus dem Englischen, bedeutet Druck, Anspannung und erlangte zunächst in der Physik Bedeutung. Dort wird mit Stress der Druck auf ein Material bezeichnet. 1936 hat der Zoologe Hans Selye den Begriff aus der Physik entlehnt, um damit die „Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung“ zu benennen. Stress ist also nicht, wie viele glauben, der Reiz, der auf uns einströmt (z. B. Verkehrslärm), sondern die Reaktion des Körpers auf diesen Reiz (z. B. Nervosität und Schlafstörungen).
Unser Körper kann mit den unterschiedlichsten Symptomen auf Reize bzw. Anforderungen reagieren, etwa mit innerer Unruhe oder Gereiztheit. Aber auch ernste Erkrankungen von Bluthochdruck bis hin zum Herzinfarkt werden mit Stress in Verbindung gebracht. Viele dieser Beschwerden und Krankheiten können aber auch andere körperliche oder seelische Ursachen haben, zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen und Depressionen. Ob tatsächlich Stress im Spiel ist, kann man jetzt mit einem einfachen Blut-Test eindeutig feststellen. Mit dem CSA (= Clinical Stress Assessment) genannten Test kann man nicht nur den aktuellen Stress einer Person feststellen, sondern auch Belastungen in jüngster Vergangenheit und – besonders wichtig – die individuell richtige Methode der Stress-Bewältigung.

Adrenalin, Blutgase & Co
Wie das funktioniert, erklärt der Test-Erfinder Univ. Prof. Dr. Sepp Porta vom Institut für Pathophysiologie der Medizinischen Universität Graz und Leiter des Institutes für Angewandte Stressforschung in Bad Radkersburg: „Wir benötigen lediglich drei Tropfen Blut, die wir aus dem Finger oder dem Ohrläppchen der Patienten entnehmen, um den Stress-Status einer Person feststellen zu können. In einem handlichen tragbaren Gerät werden dann die Blutstropfen analysiert, in kürzester Zeit liegen rund 40 verschiedene Werte vor.“ Aus der kleinen Menge Blut werden die Effekte der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin im Blut ersichtlich, wie zum Beispiel Veränderungen der so genannten Blutgase oder des Kohlenhydrat- und Elektrolytstoffwechsels. Sie alle geben Auskunft darüber, ob und wie stark eine Person gestresst ist.
Mit dem aus der Intensivmedizin stammenden Bestimmungsgerät kann man aber nicht nur das Stress-Ausmaß messen, sondern auch den Anteil jener Substanzen, welche die Stressparameter in Schach halten können. „Dadurch können wir auch eine Aussage darüber treffen, ob im Körper genügend Reserven vorhanden sind, um die schädigenden Stresseffekte neutralisieren oder abbauen zu können“, so Prof. Porta.
Die ermittelten Blutwerte sind dermaßen exakt, dass sie die Unterscheidung erlauben, ob es sich bei dem Patienten um körperlichen oder seelischen Stress handelt, ob der Zustand bereits länger andauert oder ob er akut ist. Porta: „Wir können an bestimmten Werten ganz genau sehen, ob sich zum Beispiel jemand in einer intensiven sportlichen Trainingsphase befindet – das wäre körperlicher Stress – oder in einer bereits lang anhaltenden psychischen Belastung.“

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Schluss mit den Mythen rund um Stress!

Die erstaunlich exakten Ergebnisse von Prof. Portas CSA-Tests decken Halb- und Unwahrheiten rund ums Thema Stress auf.

Mythos 1
Stress ist immer schädlich.
Falsch! Stress führt zwar zu innerer Anspannung, doch das kann durchaus positiv sein. So mobilisiert Stress die nötigen körperlichen, geistigen und seelischen Energien, die zur Bewältigung von Herausforderungen nötig sind. Das heißt, Stress macht auch erfolgreich, produktiv und letztlich glücklich. In wohldosierter Form (diese Form nennt man Eustress) hält er uns sogar gesund. Wird die Belastung zu viel bzw. dauert eine zu starke Belastung zu lange an, kann sich das negativ auswirken. Prof. Portas Test liefert die nötigen Informationen, ob es sich um den gesunden Eustress handelt oder bereits um negativen Stress (diese Form nennt man Distress, engl. „Verzweiflung“).

Mythos 2
Es gibt typische Stressauslöser, die für alle gleich schädlich sind.
Falsch! Stress bezeichnet nicht den Reiz oder die Herausforderung, der wir uns gegenüber sehen, sondern unsere Reaktion darauf. Stress ist also ein individuelles Phänomen. Was für den einen eine willkommene Herausforderung darstellt, kann für einen anderen eine enorme Belastung bedeuten. Das zeigt sich nicht nur im Denken, Fühlen und Verhalten, sondern auch im Blut (siehe Gegenüberstellung auf der nächsten Seite).

Mythos 3
Es gibt Anti-Stress-Programme, die jedem helfen.
Falsch! So wie Stress ein individuelles Phänomen ist, so verhält es sich auch mit den Methoden und Programmen zur Bewältigung von Stress. Auch die Wirkungen von Anti-Stress-Programmen sind von Mensch zu Mensch verschieden. Bei manchen wirken Entspannungsverfahren wie das Autogene Training überaus stressmindernd, anderen helfen Musik, sportliche Betätigung oder ausgedehnte Urlaube.
„Wir können mit unserem Test auch den Erfolg einer Therapie überprüfen. Wenn wir zum Beispiel einer stressgeplagten Person bestimmte Entspannungsübungen oder eine sanfte Ausdauersportart empfehlen, dann können wir nach einiger Zeit mit einem Bluttest nachschauen, ob sich die gefährlichen Werte verbessert haben“, sagt Prof. Porta.
Was sich bei den Untersuchungen Prof. Portas noch gezeigt hat: Wer über ausreichend Magnesium und Kalzium im Organismus verfügt, ist gegen Stress besser gewappnet. Beide Mineralstoffe gehen bei lang andauerndem Stress in hohem Ausmaß verloren. Hat man aber genug davon, dann steigt die Belastbarkeit.

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Der Stress-Test im Test

Die Herausforderung: Morgen ist Schularbeit!
Nicht nur Erwachsene, auch Kinder reagieren unterschiedlich auf Herausforderungen wie zum Beispiel eine Schularbeit. Die Unterschiede zeigen sich im Denken, Fühlen, Verhalten – und im CSA-Blutbild. Auch wenn dem Laien die Wertabweichungen geringfügig erscheinen, dem Mediziner geben sie genau über den Stress-Status Bescheid.

Schüler A – Gesunder Stress

Denken
„Endlich eine Chance,
meine Noten zu verbessern!“

Gefühl
Ansporn, Herausforderung

Verhalten
Freudiges Lernen und Üben
für die Schularbeit

CSA-Blutbild
Laktat (Milchsäure):
bis 2
pH-Wert:
über 7,44
pCO2 (Kohlendioxid):
sinkt von 38 auf 34
pO2 (Sauerstoff):
steigt von 60 auf 75 mm

Schüler B – Ungesunder Stress

Denken
„Hoffentlich sind die
Aufgaben nicht zu schwer!“

Gefühl
Angst, Sorgen, Hilflosigkeit

Verhalten
Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, sozialer Rückzug

CSA-Blutbild
Laktat (Milchsäure):
über 2,5
pH-Wert:
unter 7,42
pCO2 (Kohlendioxid):
sinkt von 33 auf 28
pO2 (Sauerstoff):
steigt von 75 auf 85 mm


   

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