Humor als Medizin

Februar 2019 | Medizin & Trends

Wie Lachen auf Körper, Seele und Gedanken wirkt
 
Was schon die alte Volksweisheit „Lachen ist die beste Medizin“ besagt, ist nun teils wissenschaftlich, teils durch Erfahrung belegt: Humor hat tatsächlich eine heilende Wirkung – die sich die Medizin zunehmend zunutze macht. Wie Klinikclowns, ein Psychotherapeut und eine Ärztin Humor ganz gezielt als Medizin einsetzen und wie Lachen auf Körper, Seele und Gedanken wirkt.
 
– Von Mag. Sabine Stehrer

Wir tun es zwanzig Mal am Tag, durchschnittlich, versteht sich: Lachen. So weiß wohl jeder aus eigener Erfahrung, dass Lachen – eigentlich eine Atembewegung, die von stimmhaften Lauten begleitet wird – allumfassend guttut. Doch dem nicht genug. Was schon die alte Volksweisheit „Lachen ist die beste Medizin“ besagt, ist nun teils wissenschaftlich, teils durch Erfahrung belegt: Humor hat tatsächlich eine heilende Wirkung – die sich die Medizin zunehmend zunutze macht. Wie Klinikclowns, ein Psychotherapeut und eine Ärztin Humor ganz gezielt als Medizin einsetzen und wie Lachen auf Körper, Seele und Gedanken wirkt.

Lachen mit Klinikclowns

Christian Hölbling nennt „das kleine Mädchen, das eine Operation und ein paar Tage im Spital vor sich hat, wo ihm vieles Angst macht und es im Bett vor sich hin weint“, wenn er nach einem klassischen Fall für die Anwendung von Humor in der Medizin gefragt wird. Er bringt Humor als einer der „Rote Nasen Clowndoctors“ in Österreichs Spitäler. Und er erzählt weiter, worin dieser Humor dann zum Beispiel besteht und wie er wirkt: „Die Tür öffnet sich einen Spalt, eine Puppe schaut ins Zimmer und fragt: ,Ist hier jemand, mit dem ich spielen kann?’ Die Puppe hat  eine auffällig tiefe Stimme und ,Dr. Tiloff’ im Schlepptau, einen Doktor, der eine rote Clownsnase trägt. Das macht das Mädchen stutzig, es hört auf zu weinen. Wenig später misst es sich mit dem Clowndoctor im Seifenblasenpusten, und als eine Blase auf dessen Nase zerplatzt, muss es laut lachen.“ Hölbling weiß: „Damit ist das Ziel erreicht, denn Lachen lenkt ab, beruhigt und mindert Ängste.“
Was für kleine Patienten gilt, gilt auch für große, erklärt Rüdiger Reiner, der als „Herr Leo“, ein „Humormediziner“ mit weißer Nase, Frack und Dirigentenstab bei erwachsenen Patienten „Humorvisiten“ macht. Zum Lachen verhilft er vielfach allein durch sein Erscheinungsbild und „Missgeschicke“, die ihm während der Visite passieren. „Da wird beispielsweise ein Gipsfuß weniger wichtig, und eine Operationsnarbe tut vielleicht weniger weh“, so Reiner. Auch wenn sie dort helfen, wo sich das Leben dem Ende zuneigt, auf Intensiv- oder Palliativstationen, arbeiten die Klinikclowns in Absprache mit den behandelnden Ärzten großteils mit Überraschungseffekten. Ihre Ziele lauten dann: Beruhigung, Lösen innerer Verkrampfungen und ein unhörbares inneres Lachen, das sich eventuell in einem Lächeln zeigt.

Gegen Angst, Stress und Schmerzen

Warum die Humorarbeit der Klinikclowns bei Patienten jeder Altersstufe und weltweit als Heilmittel in der Medizin eingesetzt wird? Weil die Erkenntnisse der Wissenschaft von den Auswirkungen des Lachens auf Körper, Seele und Gedanken dafür sprechen. Vom US-amerikanischen Psychiater William F. Fry bereits in den 1960er Jahren begründet, stellte die Lachforschung oder Gelotologie, nach dem griechischen Wort „gelos“ für Lachen benannt, durch eine Reihe an Befragungen und Versuchen fest, dass Lachen gegen all das hilft, was Patienten im Krankenhaus häufig quält: gegen Angst und Stress sowie nachweislich auch gegen Schmerzen und entzündliche Prozesse, die häufig zu Schmerzen führen.

Lachen beim Psychotherapeuten

„Da war der Mann, der von seinem Stress berichtet hat, und davon, dass er nicht damit umgehen kann. Um noch zu untermauern, wie sehr er gestresst ist, meinte er: ,Stellen Sie sich vor, ich habe drei Handys!’ Ich habe dann zu ihm gesagt: ,Was, nur drei? Wissen Sie, ich kenne Leute, die haben vier, fünf, und denen geht es blendend, am besten wäre es, Sie schaffen sich noch zwei, drei Handys an.’“ Das erzählt der Psychologe, Psychotherapeut und „Seminarkabarettist“ Prof. Bernhard Ludwig, wenn er gefragt wird, wie Humortherapie in der Psychotherapie zum Beispiel funktionieren kann. Der Patient habe erst die Stirn gerunzelt, dann aber kurz aufgelacht und verstanden, was er tun kann, damit es ihm besser geht.
Ludwig hat aber auch die Erfahrung gemacht, dass Humortherapie selbst bei schweren psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen zu Erfolgen führen kann. Einem seiner Patienten, der an Platzangst litt und deswegen außerdem depressiv war, konnte Ludwig zum Beispiel helfen, indem er ihn aufforderte, ihm zu zeigen, wie sich seine Beschwerden genau äußern. So fuhren die beiden gemeinsam Lift und Auto: Der Patient jeweils erst zitternd, nach Luft ringend, hechelnd – dann, mehrfach darum gebeten, doch etwas deutlicher zu hecheln – erstaunt und zunehmend erheitert. Nach einigen Wochen des gemeinsamen Lift- und Autofahrens, Hechelns und Beinahe-Lachens war der Patient nahezu beschwerdefrei und konnte wieder allein ein Auto steuern.

Erfolg bei Depressionen und Schizophrenie

Warum wird Humor in der Psychotherapie als Heilmittel eingesetzt? Worauf sich Bernhard Ludwig spezialisiert hat, die provokative Therapie zum Erzielen einer Verhaltensänderung, wurde etwa zeitgleich mit der Begründung der Lachforschung oder Gelontologie von Frank Farelly, einem US-amerikanischen Sozialarbeiter, Psychotherapeut und Psychiater entwickelt. Seine „humorvollen Herausforderungen“, Verhaltensweisen seiner Patienten so übertrieben nachzuahmen, sodass sie darüber lachen konnten, erwiesen sich als äußerst erfolgreich. Sogar als behandlungsresistent geltende psychisch Kranke wie schwer Depressive oder hochgradig Schizophrene konnten zu einem Lachen gebracht werden – sowie in der Folge dazu, ihr Verhalten neu zu bewerten und über diese Gedanken in Selbstverantwortung etwas für ihre Gesundheit zu tun.    

Lachen beim Arzt

„Die Frau, die an schubweise auftretendem, schmerzhaften Gelenkrheuma litt und deprimiert war“, nennt die Allgemeinmedizinerin, Pathologin sowie Betreiberin eines Instituts für Lebensfreude und Gesundheit Priv. Doz. Dr. Katharina Schmid bei der Frage nach Patienten, denen sie humormedizinisch – mit einem Lachen – half.
„Der Patientin war nicht bewusst, dass ihre rheumatischen Schübe tendenziell nach Besuchen bei ihrem Vater auftraten, zu dem sie ein schlechtes Verhältnis hatte. Und als wir im gemeinsamen Gespräch auf den Zusammenhang gekommen sind, hat sie geweint“, so Schmid. Nachdem die Ärztin die Frau einige Zeit lang einfach nur angelächelt hatte und ihr sagte, sie soll doch froh über die Erkenntnis sein, reagierte die Frau erst mürrisch, verzog das Gesicht, lächelte dann aber auch, und Schmid trug ihr auf, bei den nächsten Begegnungen mit ihrem Vater mit genauso einem Lächeln und einer möglichst positiven Stimmung auf ihn zuzugehen. Die Patientin befolgte den Rat, und nach und nach besserte sich mit dem Vater-Tochter-Verhältnis auch das Rheuma.

Vorbeugung vor vielen körperlichen Krankheiten

Warum behandelt Katharina Schmid ihre Patienten mit Humor? Sie hat sich mit Forschungen über die Heilkraft der Gedanken beschäftigt und die Erkenntnisse bei ihrer Arbeit angewendet. Dabei machte sie die Erfahrung, dass eine positive Grundstimmung und positive Gedanken, die mit Humor, einem Lächeln oder Lachen entwickelt und verfestigt werden, gegen Krankheiten körperlicher wie seelischer Natur helfen und auch der Vorbeugung vor vielen Krankheiten dienen. Ihr Rat an Kranke wie Gesunde lautet deswegen: „Lachen, und das gezielt, und bitte so oft wie möglich.“
Nur was, wenn einem so gar nicht zum Lachen zumute ist? Egal, sagt Schmid, denn das Gehirn kann nicht zwischen echtem und vorgetäuschtem Lachen unterscheiden. Es löst auch dann die Lacheffekte – von der Schmerzlinderung über die Befreiung von Stress bis hin zur besseren Stimmung – aus, wenn ohne eigentliche Erheiterung gelacht wird.
Wem das schwerfällt, der könnte zum Lachyoga gehen, um dort das grundlose Lachen zu erlernen und zu praktizieren. Oder einfach einen Bleistift zwischen die Zähne klemmen – so, dass er die Gesichtsmuskulatur „in Lachstellung“ bringt.

Lachen:
Zahlen & Fakten

*   Durchschnittlich zwanzig Mal am Tag und in Summe sechs Minuten lang lachen Erwachsene. Wesentlich öfter, bis zu vierhundert Mal am Tag, lachen Kinder.
*   Lachen hat mehrere Bedeutungen: Es kann der Reflex auf spontane Erheiterung sein und wird häufig durch lustige Film- und Kabarettszenen, Witze, Verhalten von Kindern und Missgeschicke ausgelöst. Lachen kann aber auch Ausdruck von Nervosität, von Spott oder Aggression sein. Außerdem erfolgt die Reflexbewegung Lachen, die dem Menschen angeboren ist, mitunter auf das Lachen anderer oder auf Kitzeln.
*   Echtes Lachen und Lächeln aufgrund spontaner Erheiterung ist daran erkennbar, das sich die Mundwinkel symmetrisch nach oben ziehen, andere Varianten des Lachens und Lächelns beginnen asymmetrisch.

Lachen:
Was passiert dabei?

*   Gedanklich:
Beim Lachen lockern sich Gedankenmuster, der Lachende kann seine Situation aus einer anderen Perspektive betrachten, was etwa beim Lösen von Problemen hilft.
*   Seelisch:
Durch das Hinaufziehen der Mundwinkel werden Nerven stimuliert, die das Hirn dazu veranlassen, Glückshormone, Endorphine, auszuschütten. So entsteht eine positive seelische Grundstimmung, Ängste und Stress schwinden.
*   Körperlich:
Beim Lachen kommen bis zu 300 Muskeln zum Einsatz. Bei den Lachbewegungen, eigentlich Atembewegungen, begleitet von Lauten, passiert Folgendes: Die Luft wird in schnell aufeinander folgenden Stößen ausgeatmet, die Atmung tiefer, der Blutfluss angeregt, das Gehirn verstärkt mit Sauerstoff versorgt. Auf die Anspannung während des Lachens folgt Entspannung, was angst-, stress- und schmerzlindernd wirkt. Außerdem stärkt Lachen die Abwehrkräfte – und hemmt Schmerzen und entzündliche Prozesse. Nicht bekannt ist, warum Lachen auf die Tränendrüse drückt und beim Lachen geweint wird.

Kann Lachen gefährlich werden?
Beim Lachen, vor allem, wenn es in einen Lachkrampf übergeht, wird der Körper zwar erschüttert, aber nicht viel mehr als etwa bei einem Niesanfall. So kann es durch Lachen weder zu Verletzungen kommen, noch etwa zum Aufreißen von frischen Narben, da Operierte automatisch eine Schutzhaltung einnehmen. Auch die Geschichte von den am Salzburger Petersfriedhof begrabenen Frauen, die von ihrem Mann zu Tode gekitzelt wurden, ist dem Reich der Legenden zuzuordnen: Immer dann, wenn davon die Rede ist, dass sich jemand totgelacht hat, trat der Tod höchstwahrscheinlich nicht wegen des Lachens, sondern wegen einer anderen Erkrankung ein, wie eines Herzinfarkts. Allerdings kann ungewolltes und unkontrollierbares Lachen auf eine Krankheit hindeuten – etwa die Folge einer Hirnverletzung, einer Erkrankung an Multipler Sklerose (MS) oder an Amyotropher Lateralsklerose (ALS) sein. Auch als Vorbote eines Schlaganfalles oder Begleiterkrankung psychischer Erkrankungen ist krankhaftes Lachen bekannt.

Stand 2/2019

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