Manuelle Medizin

Dezember 2006 | Medizin & Trends

Heilkunst mit Händen
 
Der medizinische Ausdruck „behandeln“ beschreibt treffend, dass zur Untersuchung, aber auch zur Linderung von Schmerzen die Hand eingesetzt wird. Das wird seit alters her in der ärztlichen Heilkunst praktiziert und ist trotz aller hoch komplexen Apparate nicht verloren gegangen – wie die manuelle Medizin bei den vielfältigen Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates mit großem Erfolg beweist.
 
Mag. Wolfgang Bauer

Rund zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher leiden an Rückenschmerzen. Beim Großteil der Betroffenen, genauer gesagt bei 1,7 Millionen Menschen, weiß man allerdings nicht genau, warum sie Schmerzen haben. Denn weder Röntgenbilder noch andere Methoden der apparativen Diagnostik liefern eindeutige Hinweise auf die Ursache ihres Leidens.

„Gerade diese so genannten unspezifischen Rückenschmerzen sind eine Domäne der manuellen Medizin. Manus ist ja der lateinische Ausdruck für Hand. Mit dem Tastsinn unserer Hände können wir sehr exakte Diagnosen liefern. Und obendrein können wir mit unseren Händen effizient helfen“, sagt Univ. Prof. Dr. Hans Tilscher, der als ehemaliger Leiter der Abteilung für konservative Orthopädie und Schmerzbehandlung im Orthopädischen Spital Wien-Speising mehr als 28.000 Patienten beHANDelt hat und zu den weltweit führenden Experten in dieser Heilkunst zählt.

Ausführliche Krankheitsgeschichte
Bevor die ärztliche Hand zur Untersuchung des Bewegungsapparates zum Einsatz kommt, wird eine ausführliche Anamnese erhoben. Die Krankheitsgeschichte der Betroffenen, also ihre Beschreibungen der Schmerzen (unter welchen Bedingungen entstehen sie?, wodurch werden sie verstärkt oder gelindert?) liefern bereits wichtige Hinweise und Informationen. Das genaue Schauen auf das schmerzende Areal (ist es gerötet, geschwollen?), auf die Haltung der Betroffenen, auf die Bewegung sowie auf den Gesichtsausdruck sind weitere Stationen der manuell ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner auf dem Weg zur Diagnose.

Behandlung beginnt
Es folgt das Herzstück der manuellen Diagnostik: das Tasten und Greifen durch den Arzt bzw. die Ärztin. Dabei wird zunächst einmal festgestellt, wie sich die Haut, die Muskeln und Gelenke anfühlen. „So interessiert es mich zum Beispiel, ob die Haut über einem schmerzhaften Wirbel verdickt ist, ob ein bestimmter Muskel verspannt oder verkürzt ist oder zu wenig Kraft hat und dergleichen mehr. Auch die Schmerzhaftigkeit eines Areals wird getestet. So wie das Drücken des rechten Unterbauches bei einer Blinddarmentzündung weh tut und für den Arzt ein wichtiges Zeichen darstellt, so kann auch das Drücken anderer Stellen wichtige Hinweise liefern“, sagt Prof. Tilscher. Außerdem stehen noch so genannte Provokationstests zur Verfügung, um weitere Informationen über die vorliegende Erkrankung zu erlangen. Dabei werden bewusst Schmerzen ausgelöst, indem zum Beispiel durch das Anheben des Beines geprüft wird, ob der Ischiasnerv dehnempfindlich ist.

Spezielle Hand-Griffe schaffen Klarheit
Für all die genannten diagnostischen Möglichkeiten bedarf es spezieller und exakt ausgeführter Techniken und Hand-Griffe. „Manuelle Medizin war bis vor wenigen Jahrzehnten gang und gäbe. Erst der Siegeszug der medizinischen Hochtechnologie hat den diagnostischen Blick des Mediziners auf die Apparate gelenkt und dadurch etwas verengt. Doch bei vielen Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat haben Diagnosen durch die High-Tech-Apparate nur eine sehr geringe Aussagekraft“, so Prof. Tilscher. Das ist seiner Ansicht nach vor allem dann der Fall, wenn die Beschwerden nicht auf eine zerstörte Struktur (etwa einen Bänderriss), sondern auf eine gestörte Struktur (etwa verkürzte Muskulatur oder überbewegliche Gelenke) zurückzuführen sind.


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MANUELLE THERAPIE
Ziehen, Drücken, Massieren

Ähnlich wie bei der Diagnostik verhält es sich mit der manuellen Therapie, auch Chirotherapie genannt. Zur Beeinflussung von Krankheit und Schmerz werden ebenfalls bestimmte Zug- und Druckgriffe angewendet, die äußerst sorgsam durchgeführt werden müssen. Zu den wichtigsten Griffen zählen:

Weichteiltechniken: Wie bei den klassischen Massagetechniken werden durch langsame Quer- und Längsdehnungen, durch Drücken oder Reiben der Muskelansätze die Durchblutung und der Stoffwechsel angeregt.

Mobilisation: Durch langsam ausgeführte dehnende Bewegungen wird die Beweglichkeit wiederhergestellt.

Manipulation: Durch schnelle Bewegungsreize auf das Gelenk werden Muskelverspannungen, die die Beweglichkeit eines Gelenks behindern, gelöst.

„Für die Behandlung von Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat ist es ganz wichtig, dass die Patienten aktiv mitarbeiten. Wir manuell ausgebildeten Mediziner können das Leiden diagnostizieren und die jeweilige Therapie einleiten. Diese muss aber unbedingt von den Patienten in Form von heilgymnastischen Übungen weitergeführt werden, um zu verhindern, dass die Beschwerden wieder kommen“, betont Prof. Tilscher.


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Anwendungsgebiete der Manuellen Medizin

  • Bei Rücken- und Wirbelsäulenschmerzen. 85 Prozent der Bevölkerung haben zumindest einmal in ihrem Leben solche Beschwerden, rund 40 Prozent sind aktuell betroffen.
  • Bei Schmerzen in der Nacken-Schulter-Arm-Region, vor allem durch langes Sitzen am Computer sowie durch psychische Ursachen bedingt.
  • Bei Schmerzen im Knie, in der Hüfte und am Ellenbogen als Folge von einseitigen und Fehl-Belastungen.


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TIPPS

Manuelle Medizin im Internet
Informationen über den Bewegungsapparat sowie leicht nachvollziehbare Übungen zur Gesunderhaltung der Wirbelsäule bietet die Website www.sos-koerper.at

Manuelle Medizin in Österreich
Informationen über die Ausbildung und über Ärztinnen und Ärzte der manuellen Medizin erhalten Sie unter www.manuellemedizin.org

BuchTipp
Univ. Prof. Dr. med. Hans Tilscher:
Manuelle Medizin,
Verlagshaus der Ärzte,
€ 7,95 128 Seiten, ISBN 3-901488-62-6

 

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