Der Duft des Lebens

Dezember 2010 | Medizin & Trends

Wie Krankheit und Gesundheit riechen
 
Gerüche spielen nicht nur in der Weihnachtszeit eine Rolle, sondern auch in der Medizin: Viele Krankheiten haben ihren eigenen Geruch, und viele Düfte werden eingesetzt, um Beschwerden zu lindern und zur Genesung beizutragen.
Lesen Sie, wie Krankheit und Gesundheit riechen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Bei 88 bis 97 Prozent lag ihre Trefferquote, als es um das Erschnüffeln von Brust- und Lungenkrebs am Atem von 86 Patientinnen und Patienten ging – und sie erkannten die Krankheit in einem Stadium, in dem der Tumor mit anderen Diagnosemitteln noch gar nicht nachweisbar war: Speziell dressierte Hunde für Forschungen an der Pine Street Foundation in Kalifornien, USA, eine Stiftung, die die genannten Studienergebnisse 2006 veröffentlichte.
Zwar könne er sich nicht vorstellen, dass es in nächster Zeit zu einem  routinemäßigen Einsatz von Hunden zur Früherkennung von Krebserkrankungen kommt. Doch dass Hunde Substanzen riechen, die in Tumoren stecken, hält Prim. Dr. Marcus Franz, Vorstand der Internen Abteilung am Wiener Hartmannspital, für durchaus möglich: Erstens weil es auch schon in anderen Ländern Hunde gab, die z. B. Hauttumore erschnüffelten, und zweitens, weil auch der menschliche Geruchssinn seit jeher eine wichtige Rolle spielt, wenn es um die Diagnose von Krankheiten geht.

Anschauen, Angreifen, Anhören, Riechen
Primar Franz: „Wenn wir Ärzte zu einem Patienten gehen, nehmen wir ihn prinzipiell ganzheitlich wahr.“ Was zu dieser Art und Weise der Wahrnehmung gehört? „Anschauen, Angreifen, Anhören und Feststellen, wie jemand riecht.“ Letzteres sei wichtig, denn der Geruch eines Menschen sage einiges über seinen Gesundheitszustand aus. Woran das liegt? „Der Gesunde riecht neutral oder ein bisschen nach den Nahrungsmitteln, die er konsumiert hat, und natürlich nach den Substanzen, mit denen er sich gewaschen oder parfumiert hat“, so Franz. Anders verhalte es sich beim Kranken. „Sind bestimmte Krankheiten aufgetreten, werden verschiedene Stoffwechselprodukte entweder im Übermaß oder überhaupt erst produziert, und das sind Substanzen, die man gut wahrnehmen kann.“ Dies entweder über den Geruch des Atems oder den Geruch von Auswurf, von Schweiß, Harn und Stuhl, von Scheidenausfluss und Darmwinden.
Welche Krankheiten lassen sich besonders leicht mit der Nase diagnostizieren? „Sehr einfach am Geruch zu erkennen sind schwerer Diabetes, der nach Nagellackentferner riecht, schwere Leber- und Nierenerkrankungen, die nach Leber bzw. Harn riechen, aber auch chronische Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, bei denen der Stuhl einen fauligen Geruch hat, und bakterielle Scheideninfektionen, bei denen der Scheidenausfluss schlecht riecht“, so Franz.

So riecht Krankheit Zehn Beispiele

*  Harnwegsinfekte: Übler Geruch nach Harn, da bestimmte Bakterien Fäulnisprozesse im Urin in Gang setzen. Manche Betroffene verlieren auch unfreiwillig Harn, was man ebenfalls riecht.
*  Diabetes: Geruch nach Nagellackentferner bzw. dessen Inhaltsstoff Aceton, der sich im menschlichen Körper bildet, wenn eine Unterversorgung mit Zucker besteht. Das ist beispielsweise auch beim längeren Fasten der Fall, weshalb Fastende auch nach Aceton riechen können.
*  Lebererkrankungen: Geruch nach einer Mischung aus tierischer Leber und Erde, der entsteht, wenn die erkrankte Leber bestimmte Stoffwechselprodukte nicht abbauen kann.
*  Chronische Nierenerkrankungen: Geruch nach Harn und Ammoniak, der entsteht, wenn die in Mitleidenschaft gezogene Niere verschiedene Stoffwechselprodukte nicht abbauen kann.
*  Chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse: Der Stuhl riecht faulig, weil der Darminhalt durch den entzündungsbedingten Mangel an Enzymen nicht richtig verdaut wird.
*  Infektion mit Trichomonaden: Bei der Frau erkennbar an übelriechendem Scheidenausfluss, da die Erreger die natürliche Scheidenflora überwuchern und zersetzen.
*  Chronische Entzündungen der Atemwege: Übler Mundgeruch, der aufgrund der bakteriellen Infektion von Bronchien, Mandeln oder Nasennebenhöhlen entsteht.
*  Unterfunktion der Schilddrüse: Schweißgeruch, der an Harn oder Essig erinnert. Der Grund: Bei einer Schilddrüsenunterfunktion verändern sich der gesamte Stoffwechsel und der Körpergeruch.
*  Typhus: Geruch nach frischem Brot, der von den Salmonellen ausgeht, die die in den Tropen heimische bakterielle Infektionskrankheit verursachen.
*  Hyperhidrose bzw. übermäßiges Schwitzen: Durch die krankheitsbedingte Überproduktion von Schweiß riechen die Betroffenen rasch unangenehm, da Schweiß von Bakterien zersetzt wird und der Geruch bei einer Überproduktion von Schweiß automatisch intensiver wird.

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Mit Düften zur Heilung beitragen
So wie man Krankheiten an ihrem Geruch erkennen kann, könne man umgekehrt mit Düften auch Beschwerden lindern, sagt Marcus Franz. „Das Wissen aus der sogenannten Aromatherapie wird heute begleitend zur schulmedizinischen Behandlung eingesetzt.“ Und zwar durch Auftragen von Duftölen auf die Haut, durch Duftölbäder oder indem der Geruch von Duftölen über Duftlampen, Duftstäbe etc. in der Raumluft verteilt wird. Wie die Düfte wirken? Über die Wahrnehmung von Gerüchen durch die Riechzellen in der Nase komme es zum einen zu Veränderungen der Stoffwechselprozesse im Gehirn, sagt Franz. Diese Veränderungen können entspannen und Schmerzen lindern. Zum anderen werden Gerüche auch über die Lunge und die Haut in den Blutkreislauf aufgenommen. Franz: „So wirken sie direkt auf den Körper ein, können die jeweils gewünschten Effekte einleiten und zur Heilung beitragen.“

So riecht Gesundheit – Zehn Beispiele

*  Zitrusöl: Stärkt das Immunsystem, wirkt antirheumatisch, angstlösend, entspannend, konzentrationsfördernd.
*  Rosenöl: Stärkt Immunsystem und Haut, wirkt antibakteriell, antiviral, stimmungsaufhellend.
*  Ylang-Ylang-Öl: Wirkt entzündungshemmend, schmerzstillend, angstlösend, psychisch stabilisierend und stärkt die Haut.
*  Sandelholzöl: Stärkt Venen und Haut, wirkt stimmungsaufhellend.
*  Bergamotteöl: Senkt den Blutdruck, wirkt entkrampfend, entspannend.
*  Lavendelöl: Wirkt entzündungshemmend, stärkt die Haut, fördert die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin und den Schlaf.
*  Eukalyptusöl: Stärkt das Immunsystem, fördert die Durchblutung, wirkt antiviral, erfrischend, angstlösend, beruhigend.
*  Rosmarinöl: Stärkt Haut und Schleimhäute, wirkt schleimlösend, antibakteriell, antiviral, antirheumatisch, antidepressiv, fördert die Konzentration.
*  Zimtöl: Fördert die Durchblutung, wirkt schmerzstillend, antibakteriell, antiviral, antirheumatisch, krampflösend.
*  Mentholöl: Löst Schleim, reduziert Husten, stärkt die Haut.

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Stress kann man riechen

So wie körperliche Krankheiten riechen, können auch psychische Belastungen und Erkrankungen einen bestimmten Geruch erzeugen, sagt Primar Dr. Marcus Franz. Bei chronischen Stresszuständen wird beispielsweise das Stresshormon Adrenalin vermehrt produziert, was wiederum die Schweißproduktion der sogenannten apokrinen Drüsen anregt und auf diese Art und Weise den typischen Angst- und Stressgeruch erzeugt. Derselbe Mechanismus setzt sich bei Schizophrenie in Gang – mit denselben Folgen: der Entstehung von starkem Schweißgeruch.

Krankheiten kann man schmecken

Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war es üblich, Krankheiten nicht nur durch Anschauen, Angreifen, Anhören und Riechen, sondern auch durch Schmecken zu diagnostizieren: Die Ärzte kosteten den Harn der Patienten. Auf diese Art und Weise wurde beispielsweise die Zuckerkrankheit entdeckt: Süß schmeckender Harn war der entscheidende Hinweis auf Diabetes.

Buchtipp:
Gruber, Franz, Gerüche. Der sechste Sinn, ISBN 978-3-902552-60-0
160 Seiten, € 14,90 Verlagshaus der Ärzte 2010

Stand 12/2010

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