Freie Radikale: Wenn der Mensch „rostet“

September 2008 | Medizin & Trends

Wenn das Auto rostig, der Apfel faulig und die Haut welk wird – so geht das auf das Konto der so genannten freien Radikale. Die Feinde von Gesundheit und Schönheit geraten immer mehr ins Blickfeld der modernen Anti Aging-Medizin, ebenso wie ihre Gegenspieler, die Antioxidantien, die als Wunderwaffe gegen freie Radikale neuerdings auch als Schlagwort in der Werbung auftreten. Lesen Sie in MEDIZIN populär, was hinter diesen Begriffen steckt.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

Altes Eisen: Warum „rosten“ wir?
Es ist ein Dilemma: Einerseits brauchen wir die Luft zum Leben, andererseits aber bringt der Sauerstoff unsere Körperzellen – salopp gesagt – zum Rosten. Ähnlich wie das Eisen, wenn es ungeschützt der Luft ausgesetzt ist, oder die Schnittfläche eines Apfels, die an der Luft braun wird, „oxidieren“ die Zellen, wenn sie mit bestimmten Formen des Sauerstoffs in Kontakt kommen. Man nennt diese aggressiven Sauerstoffteilchen, die die Haut verwelken und den Menschen altern lassen, freie Radikale oder auch Oxidantien.
Sind freie Radikale ein Fehler der Natur? Mitnichten. Erstens sind sie nicht ausschließlich böse. Bei bestimmten Vorgängen im Organismus sind freie Radikale sogar nützlich. So brauchen wir sie etwa als „Trainingspartner“ für das Immunsystem im Kampf gegen schädliche Bakterien und Viren. Und zweitens hat der Körper entsprechende Abwehrmechanismen entwickelt: Die Antioxidantien verhindern im Idealfall, dass freie Radikale die Übermacht ­gewinnen und ihre zerstörerische Wirkung entfalten können.

Warum sind freie Radikale gefährlich?
„Gefährlich sind nicht die freien Radikale an sich, schädlich ist vielmehr das Ungleichgewicht zwischen freien Radikalen und Antioxidantien. Und das liegt bei den allermeisten Menschen vor“, erklärt Dr. Christian Matthai, Stoffwechsel- und Anti Aging-Mediziner bei Woman & Health in Wien. Freie Radikale sind nämlich nicht nur ein Nebenprodukt des natürlichen Sauerstoffaustausches in der Zelle. Man weiß heute, dass Umweltgifte aus Luft und Nahrung, übermäßige Sonnenbestrahlung, zu viel negativer Stress, übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen die Produktion freier Radikale ankurbeln. „In gewisser Hinsicht kommt man ihnen gar nicht aus“, schildert Dr. Matthai das Problem, denn: „Wer von uns steht im Beruf nicht unter Stress? Und selbst wenn Sie auf Urlaub sind und hoffentlich die Sonne genießen, so schlägt sich das in einer erhöhten Belastung an freien Radikalen nieder.“ Oxidativen Stress nennt man diese Überbelastung – und der schadet der Gesundheit und der Schönheit.

Was stellen freie Radikale im Körper an?
Die aggressiven Sauerstoffteilchen lösen eine zerstörerische Kettenreaktion aus. Dabei befinden sie sich gewissermaßen auf Partnersuche. Freie Radikale sind nämlich Moleküle, an denen sich ein so genanntes ungepaartes Elektron befindet. Um diesen Zustand zu beenden, entreißen freie Radikale ein Elektron aus einem Elektronenpaar, das zu einem anderen Molekül gehört. Dieses wird dann seinerseits zum freien Radikal und holt sich das nun fehlende Teilchen von einem anderen Molekül, das so zum freien Radikal wird und auf Beutezug geht… Die verhängnisvolle Kettenreaktion ist in vollem Gange.
Auf der Suche nach dem fehlenden Elektron sind die freien Radikale überhaupt nicht wählerisch. Sie bedienen sich bei einem x-beliebigen anderen Molekül. Daraus erklärt sich, dass freie Radikale auch eine gute Seite haben. Ihre räuberischen Attacken gelten nicht nur gesunden, sondern auch kranken Zellen, die so unschädlich gemacht werden können.

Was sind die Folgen der „radikalen“ Angriffe?
Diese Vorgänge spielen sich in mikroskopisch kleinsten Bereichen unseres Körpers ab, so dass wir – zunächst – nichts davon merken. Experten schätzen, dass jede einzelne unserer rund 70 Billionen Körperzellen täglich durchschnittlich 10.000 Angriffen von freien Radikalen ausgesetzt ist. „Radikale“ Attacken auf gesunde Zellen bleiben nicht ohne Folgen: So werden etwa schützende Zellhüllen aufgebrochen, sogar der die Erbsubstanz tragende Zellkern kann geschädigt werden. Zellen, die derart in Mitleidenschaft gezogen wurden, sterben entweder ab oder aber sie verändern sich auf gefährliche Weise. Die Konsequenzen: Körperfunktionen werden abgebaut, und das heißt: Wir altern. Immer mehr Wissenschaftler machen freie Radikale für bis zu 80 Prozent der vorzeitigen Hautalterung verantwortlich. „Außerdem stehen sie in Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Erkrankungen wie Arterienverkalkung, Alzheimer, Gelenkschäden, Herzinfarkt und Krebs“, fügt Dr. Matthai an.

Gibt es ein Mittel dagegen?
Die Waffen im Kampf gegen diese schädliche Kettenreaktion heißen Antioxidantien. Sie können freie Radikale neutralisieren, indem sie ihnen ein Elektron spenden, ohne dabei selbst zum freien Radikal zu werden. Der Haken an der Sache: Weil der Körper diese Radikalfänger nur zum Teil selbst produzieren kann, müssen wir sie mit der Nahrung zuführen. Hier liegt aber zugleich eine große Chance: Zu einem Gutteil haben wir es nämlich selbst in der Hand, den Körper im Kampf gegen das Überhandnehmen freier Radikale zu unterstützen. Und zwar nicht nur über die richtige Ernährung (siehe Kasten), sondern auch über einen möglichst gesunden Lebensstil. Die Hiobsbotschaft für Raucherinnen und Raucher: Ein Zug an einer Zigarette setzt Milliarden freie Radikale frei! Die sichtbaren Folgen: Rauchen lässt die Haut schneller alt aussehen. „Nichtrauchen“, so Dr. Matthai, „ist neben einer ausgewogenen Ernährung das beste Antioxidans. Was man sonst gegen die Überbelastung durch freie Radikale tun kann? Vernünftig mit der Sonne umgehen, Methoden zur Stressbewältigung wie zum Beispiel autogenes Training oder Yoga lernen, sich regelmäßig und moderat bewegen und ausreichend schlafen.“

Freie Radikale: Was ist das?
Freie Radikale sind Moleküle, an denen sich ein so genanntes ungepaartes Elektron befindet. Um diesen Zustand zu beenden, entreißen sie das fehlende Elektron einem anderen Molekül. Dieses wird dann seinerseits zum freien Radikal und Elektronen-Räuber. Diese Kettenreaktion verursacht Zellschäden, die Gesundheit und Schönheit beeinträchtigen. Neutralisiert werden freie Radikale durch Antioxidantien.

„Rostschutz“ für die Zellen
Eine bunte, abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung sorgt dafür, dass der Körper ausreichend Antioxidantien zur Verfügung hat. Hier potente Radikalfänger:

  • Carotinoide
    Karotten, Kürbisse, Tomaten, Marillen, Mangos, Honigmelonen
  • Vitamin C
    Zitrusfrüchte, Kiwis, Erdbeeren, Ribisel, Paprika, Brokkoli, Rosenkohl, Tomaten
  • Vitamin E
    pflanzliche Öle, Keime, Getreide, Nüsse
  • Sekundäre Pflanzenstoffe
    Soja (Isoflavone), Weintrauben und Rotwein (Resveratrol), grüner Tee (Polyphenole), Curry (Curcumin), Ingwer (Gingerole), Chili (Capsaicin), alle Kohlsorten (Glucosinolate), Zwiebeln (Quercetin), Knoblauch (Alicin)

Tipp: Die meisten Antioxidantien stecken in der Schale von Obst und Gemüse, das möglichst frisch (und gut gewaschen) genossen werden sollte. Auch bei Getreide befinden sich die gesunden Substanzen in den Randschichten des Korns, geben Sie also Produkten aus vollem Korn den Vorzug.

 

Antioxidantien aus der Tube
Ob in natürlicher (z. B. Olivenextrakt) oder in chemischer Form (z. B. Vitamin C): Antioxidantien haben auch die Cremetuben erobert und sollen die Haut beim Kampf gegen freie Radikale unterstützen. „Es macht Sinn, der Haut solche Substanzen zuzuführen“, sagt Dr. Christian Matthai. „Wunder darf man sich davon aber nicht erwarten – und schon gar nicht einen Ersatz für gesunde Ernährung. Wer sich Vitamin C auf die Haut schmiert, darf deswegen keineswegs etwa Orangen vom Speiseplan streichen.“

 

Zellen in Zahlen
Unvorstellbare 65 bis 75 Billionen Zellen hat der Mensch. Diese winzigsten Bausteine unseres Körpers sind so klein, dass man sie mit freiem Auge nicht sehen kann. Und doch erfüllen die mehreren hundert verschiedene Zellarten im Organismus große Aufgaben: Nervenzellen etwa übertragen Informationen, Hautzellen schützen vor Eindringlingen von außen, Blutzellen transportieren den Sauerstoff, Knochenzellen sind im Verbund die Stütze des Menschen.
Bei aller Kleinheit variiert ihre Größe beträchtlich: Die Eizelle der Frau ist mit 0,2 Millimeter Durchmesser die größte Zelle des Menschen, die Blutzellen (0,01 mm) und die Samenzellen des Mannes (0,005) zählen zu den kleinsten. Mit bis zu einem Meter am längsten sind die Nervenzellen in den Beinen, die Nachrichten vom Rückenmark zu den Füßen und zurück transportieren. Weil sie so dünn sind, kann man sie dennoch nicht sehen.
Es herrscht ein reges Kommen und Gehen bei unseren Zellen. Manche leben nur ein paar Tage, andere viele Jahre. In jeder Sekunde sterben Millionen Körperzellen ab, die meisten, nicht alle werden durch neue ersetzt.
Es ist die Zellteilung, die dafür sorgt, dass in unserem Körper Wachstum, Regeneration und Reparatur stattfinden. Fast alle Zellen (Ausnahme: Nervenzellen) sind dazu in der Lage. Teilen sich Zellen, so wird eine völlig idente Kopie hergestellt. Das heißt: Teilen sich gesunde Zellen, trägt das zu unserem Wohl bei, vermehren sich kranke Zellen, so breitet sich eine Krankheit aus.


 

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