Gesunder Kampfsport

September 2016 | Fitness & Entspannung

Wie Boxen, Taekwondo oder Judo Körper & Geist stärken
 
Sich im Ernstfall selbst verteidigen zu können, beruhigt und macht gelassen. Doch Kampfsport kann wesentlich mehr, er steigert Kraft, Ausdauer sowie Schnelligkeit und hat auch andere gesundheitliche Vorteile.
 
Von Mag. Wolfgang Bauer

Kampfsport soll gesund sein? Geht es beim Boxen, Judo oder Karate nicht darum, den Gegner k.o. zu schlagen oder auf die Matte zu werfen, um über ihn zu siegen? – Stimmt, das ist die Philosophie von Wettkämpfen. Doch die kann man getrost vergessen, wenn man sich mit den gesundheitlichen Vorzügen dieser Sportarten beschäftigt. Da merkt man schnell, dass man ganz ohne Wettkampf, Sieg und vor allem ohne Aggressionen auskommt. Und in vielen Fällen sogar ohne Gegner. „Ich denke, dass rund drei Viertel der Taekwondo-Sportler ohne eigentlichen Wettkampfgedanken oder direkten Siegeswillen trainieren“, sagt der Facharzt für Chirurgie am Bezirkskrankenhaus Schwaz in Tirol, DDr. Hannes Mühlthaler. Er betreibt selbst Taekwondo, betreut als Mediziner die Kampfsportler des Taekwondo-Vereines Schwaz ehrenamtlich, hat eine beratende Funktion im Österreichischen Taekwondo Verband (OETDV) und er schätzt, dass es sich im Karatesport, Judo oder Boxsport ähnlich verhält.

„Fight“ ohne Gegner

Wie gesagt: Aus gesundheitlicher Sicht kann man Kampfsport auch ohne Gegner betreiben. Nehmen wir etwa Boxen. Der Gegner, oder vielmehr der Trainingspartner, ist ein Schlagpolster oder ein Sandsack, auf den man schlägt. Man tut dies jedoch nicht ungehemmt und wild, denn in diesem Fall wäre man rasch ausgepowert. Auch die Verletzungsgefahr an den Händen ist nicht zu vernachlässigen, wenn die Technik außer Acht gelassen wird. Geboxt wird vielmehr gut geschützt durch Bandagen und spezielle Boxhandschuhe, um Mittelhandknochen und Faust zu schützen. Und man schlägt sehr konzentriert sowie mit sauberer Technik auf den Gegner aus Sand. Das heißt, mit einem optimalen Mix aus Schlagkombinationen, Beinarbeit und Körperhaltung. Beim Kickboxen verhält es sich ähnlich: Dort ist der Gegner im „Fight“ ein Wandschlagpolster, eine eigens konstruierte Vorrichtung für Schlag-, Kick- und Trittübungen der Trainierenden. Und auch diesen schlägt und tritt man sehr gezielt und konzentriert.

Rundumschlag für Gesundheit
Was bringt der Kampf gegen die wehrlosen und gepolsterten Gegner? „Es ist vor allem ein Ganzkörpertraining, das sowohl Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit erfordert“, so Chirurg Mühlthaler. Was seiner Ansicht nach für alle Kampfsportarten gilt. Und noch etwas hält er für wichtig: Ein Training dieser Art verbrennt eine große Menge an Kalorien. Viele der rund 600 Muskeln des menschlichen Körpers sind im Einsatz, wenn man auf den Sandsack losgeht. Die Muskeln wiederum benötigen dafür Energie, die aus der Verbrennung von Kalorien gewonnen wird. Das ist ein wesentlicher Grund, warum diese Art des Boxens auch Fitnessboxen genannt wird. Diesen Sport kann man daher vielen gesundheitsbewussten Menschen empfehlen, so Mühlthaler, wenn sie keine Probleme mit den Gelenken im Bereich der Schultern oder der Halswirbelsäule haben.
Auch übergewichtige Kinder und Jugendliche profitieren von solchen Kampfsportarten. Zum einen lassen sie sich für diese Bewegungsform begeistern, zum anderen wird der träge Stoffwechsel gehörig angekurbelt, was Übergewicht reduziert und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck etc. vorbeugt.

Genaue Technik wichtig
Doch Achtung: „Ganz wichtig ist eine saubere Technik. Wer unkontrolliert auf den Sandsack eindrischt oder gegen einen Wandschlagpolster tritt, kann sich verletzen“, sagt Mühlthaler. Man sollte vielmehr die Schläge und Tritte sehr gezielt setzen. Sein Tipp: Es lohnt sich, wenn man sich die richtige Technik von ausgebildeten Trainern zeigen lässt. Oder noch besser: Wenn man in einem Verein trainiert. Unter professioneller Anleitung mit Gleichgesinnten Sport zu treiben macht auch mehr Spaß. Außerdem gelingt in einem Verein viel eher die soziale Integration, unabhängig von Geschlecht, Religion oder sozialer Herkunft, so Mühlthaler.
 
Kampf bringt Entspannung
Noch etwas ist von Bedeutung: Sportarten wie Fitnessboxen, Karate oder Taekwondo können ungemein entspannen. Der Wiener Sportpsychologe Mag. Thomas Bencsik vergleicht diese Sportarten mit der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson. Diese zeichnet sich ja  dadurch aus, dass sich ein Muskel oder eine Muskelgruppe nach einer gezielten und bewussten Anspannung wieder entspannen lässt. Ein Prinzip, das man sich zur Lockerung schmerzhafter Verspannungen zunutze macht.
„Beim Boxen oder Kickboxen ist es ähnlich, da benötigt man eine hohe Körperspannung. Nach dem Training folgt dann die Phase der Entspannung“, so Sportpsychologe Bencsik, der auch Lektor für Selbstverteidigung und Zweikampf an der Universität Wien ist. Kampfsportarten eignen sich also auch zum Abbau von Anspannung und Stress.

Den Gegner achten
Wer wiederum gegen einen Gegner kämpft, der macht das in vielen Sportarten mit bestimmten Schutzutensilien, um etwaige Verletzungen zu vermeiden. So etwa im Taekwondo mit einem Helm, speziellen Bandagen und Polsterungen am Körper. Den wichtigsten Schutz vor Verletzungen bildet aber der viele Kampfsportarten prägende Respekt vor dem Gegner. Der Gegner wird als Partner im Kampf betrachtet. Man will ihn zwar besiegen, aber keinesfalls verletzen. Der Respekt vor dem anderen kommt etwa beim Judo und Taekwondo zum Ausdruck, wenn sich die beiden Kontrahenten vor und nach dem Kampf voreinander verneigen. Beim Kampf wiederum sind Aggressionen fehl am Patz, vielmehr geht es darum, über die bessere Technik zu verfügen.

Höchste Konzentration erforderlich
Unbedingt erforderlich ist, sich durch regelmäßiges Training eine gute Technik anzueignen und sie höchst konzentriert einzusetzen. So muss man etwa beim Judo ständig den Gegner analysieren, um herauszufinden, wo denn seine Schwächen sein könnten, um ihn mit einer bestimmten Griff- oder Fußtechnik aushebeln zu können. Ist man unkonzentriert, wird der Wurf weniger gelingen, man verliert vielleicht sogar den Kampf. Manchmal besteht die Gefahr einer Verletzung.

Extrovertiert und introvertiert

Bencsik, der Kampfsport – vor allem Kickboxen – zur  Impulskontrolle für aggressive Jugendliche oder auch zur Selbstverteidigung und Stärkung des Selbstvertrauens für Frauen anbietet, unterteilt die Kampfsportarten nach psychologischen Effekten. Speziell bei Kampfsportarten mit Schlag- und Kicktechniken bemerke man, dass die Aufmerksamkeit primär auf das Umfeld und sekundär auf sich selbst gerichtet ist. Diese Extrovertiertheit wirkt sich seiner Ansicht nach positiv auf die Interaktion mit dem Umfeld wie auch auf das Selbstvertrauen aus. „Beim Judo oder Ringen hingegen befindet man sich mehr am Boden,  dadurch ist der Athlet mehr geerdet und hat auch mehr körperlichen Kontakt mit den Trainingspartnern. Die Aufmerksamkeit wird dabei primär nach innen gerichtet und sekundär auf das Umfeld – auch diese Introvertiertheit kommt dem Selbstvertrauen sowie dem Leben mit dem Umfeld zugute“, sagt Bencsik. Wie auch immer: Wer Kampfsport betreibt, lernt seinen Körper und sein Umfeld besser wahrzunehmen und sich selbst zu kontrollieren – davon ist der Sportpsychologe überzeugt.

Regelmäßiges Training nötig
Die genannten Effekte stellen sich natürlich nur dann ein, wenn man regelmäßig trainiert, also zwei- bis drei Mal pro Woche. Bencsik: „Wer regelmäßig Kampfsport betreibt, schreitet stetig voran auf dem Weg zu mehr Geduld, Gelassenheit und Selbstbewusstsein“.
Bleibt noch die Frage: welcher Kampfsport ist der optimale? Chirurg Mühlthaler empfiehlt, sich nach dem persönlichen Interesse zu entscheiden. „Die meisten Vereine bieten Schnupperkurse an“. Bei einem Probetraining entdeckt man, ob man eher die Fitness steigern möchte. In diesem Fall könnten Boxen oder Kickboxen die richtigen Sportarten sein. Wer lernen möchte, sich selbst verteidigen zu können, ist vor allem im Jiu-Jitsu oder Thaiboxen gut aufgehoben. Und wer auch an der Philosophie hinter den Kampfsportarten interessiert ist, der versuche es mit Judo, Karate oder Taekwondo.

Stand 09/2016

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