Glück macht Schule

Januar 2016 | Gesellschaft & Familie

Es gibt sie, die gute Schule, die Achtsamkeit und Demokratie lehrt, und Kommunikation fördert. Und es gibt sie immer öfter:
In der Steiermark, in Niederösterreich, Deutschland, England, den USA, Thailand, Bhutan. Gemeinsam haben die „Glücksschulen“alle eines:
Sie lehren Kinder, mit sich selbst und anderen in Beziehung zu treten und Herausforderungen zu meistern.
 
Von Bettina Benesch

„Das Glück is a Vogerl“, heißt es in einem alten Wienerlied, „gar liab, aber scheu, es lasst si schwer fangen, aber fortg’flogn is glei.“ Wer das Leben kennt, der weiß: Eitel Wonne ist es zwar schon auch immer wieder mal, aber dazwischen tauchen regelmäßig Hindernisse auf. Steine, Steinchen – gern auch Betonwände. Für Erwachsene gilt das genauso wie für Kinder. Beide profitieren davon, wenn sie die Herausforderungen des Lebens bewusst annehmen und mit ihnen umgehen. Denn egal, wie viele glückliche Momente wir jeden Tag genießen können: Hie und da stolpern wir unversehens über einen Stein, eine Stufe, müssen Berge erklimmen oder ins kalte Wasser springen.

Was ist das: Glück?
Die Glücksforschung spricht vom Glück als eine Form von Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Aristoteles hat es „Eudaimonie“ genannt und meinte damit eine gelungene Lebensführung samt dem dazugehörigen ausgeglichenen Gemütszustand. Wir reden hier also nicht von der weichgezeichneten Traumwelt, sondern von jenem Glück, das sich einstellt, wenn wir mit den vielen Herausforderungen des Lebens bestmöglich umgehen.
„Für ein glückliches Leben brauchen Sie auch Unglück“, erklärt Stefan Gros. „Dauerhaftes Glück im Sinne positiver Emotionen gibt es nicht. Aber sie können verschiedene Fähigkeiten trainieren, damit Sie glücklich oder zufrieden werden“, erklärt der Betriebswirt und Coach, der im Rahmen des Vereins „Happy Health“ Schulen dabei unterstützt, eine schüler-, lehrer- und elternfreundliche Kultur zu etablieren. „Wir nehmen unseren Kindern die Herausforderungen“, sagt Gros. In der Schule äußert sich das etwa in Bevormundung: „Selbst die sehr engagierten, fortschrittlichen Lehrer trauen den Kindern kaum etwas zu.“

Lasst uns tun!

Wie kommt das Glück also in die Schule? Mit dem Lehrplan zum Beispiel. In der Steiermark etwa gibt es seit 2008 das Unterrichtsfach „Glück“. Inzwischen sind über 130 Schulen im Boot, das sind 15 Prozent aller Schulen im Bundesland. Kern der Idee ist es, Lehrer und Lehrerinnen als sogenannte Glücksexperten bzw. -expertinnen auszubilden. Die Kurse finden an der Pädagogischen Hochschule statt, die Glückslehrerinnen und -lehrer lassen ihr Wissen anschließend in ihre Stunden einfließen und dienen auch als Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren in den Lehrerzimmern. Sie vermitteln Dinge wie Optimismus und ein positives Selbstbild, Freude an der eigenen Leistung, gute Ernährung, Bewegung und körperlichen Ausdruck etwa durch Schauspiel oder Musik sowie Mitgefühl, Achtsamkeit und Gemeinschaftssinn.
Wie die Maßnahmen wirken, wird jährlich evaluiert, informiert Mag. Dr. Eva Chibici-Revneanu, die im steirischen Landesschulrat für das Projekt „Glück macht Schule“ verantwortlich ist: „Die Schüler sind selbstbewusster als zuvor und haben einen positiven Zugang zu Leistung. Die Lehrer sind motivierter und können sich die Freude am Unterricht bewahren“.
Stefan Gros und Eva Chibici-Revneanu sind mit ihren  Initiativen in guter Gesellschaft: 2007 hat die Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg „Glück“ als Unterrichtsfach eingeführt, und schon seit 2006 stehen Zufriedenheit, Glück und Wohlbefinden am Campus des Wellington Colleges im britischen Berkshire hoch im Kurs. Das Team suchte damals nach einem umfassenderen Angebot für die Schüler und Schülerinnen des Internats: Zwar gab es die Möglichkeit zur persönlichen, sozialen und gesundheitlichen Entwicklung (PSHE, Personal, Social and Health Education), doch lag der Schwerpunkt des Programms auf Drogenprävention. College-Leiter Anthony Seldon und PSHE-Verantwortlicher Ian Morris erweiterten ihren Horizont und entwickelten das Konzept des Well-Being (Wohlbefinden).

Gebt uns Werkzeug!
Laut der englischen Regierungsstelle für Wissenschaft ist Well-Being jener veränderbare Zustand, in dem der Mensch fähig ist, seine Potenziale zu entwickeln, kreativ und produktiv zu sein, feste Bindungen zu anderen aufzubauen und zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. „Es geht im Grunde darum, den Kindern einen Werkzeugkoffer für das Leben mitzugeben“, erläutert Delyth Lynch B.Sc., eine der Verantwortlichen für das Well-Being-Programm in Wellington. Die Schüler lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen, anzuerkennen und mit ihnen umzugehen. So verlieren Wut, Aggression oder Angst ihren Schrecken.
In Wellington wird Well-Being in den Alltag eingebaut, die Lehrerinnen und Erzieher im Internat sind nicht nur für das leibliche und geistige Wohl verantwortlich, sondern auch für das psychische und spirituelle. Teil des Ansatzes ist zudem eine Well-Being-Stunde alle zwei Wochen, in denen die Schüler lernen, wie sie selbst für mehr Wohlbefinden in ihrem Leben sorgen können: Sie erfahren, welche Möglichkeiten es gibt, mit negativen Emotionen umzugehen, wie Gehirn und Lernen funktionieren; sie beschäftigen sich mit Fragen zur Sexualität, mit Konflikten, Kommunikation und vielem mehr.
Konflikte gibt es dennoch – denn sie sind Teil des Lebens: „Natürlich haben wir auch ganz alltägliche Probleme wie andere Schulen“, so Lynch. „Aber wir lernen aus unseren Fehlern, unterstützen uns gegenseitig. Und wir achten auf die Sprache, die wir verwenden; wir kommunizieren freundlicher.“
Basis des Well-Being-Ansatzes ist die Theorie der multiplen Intelligenzen, die der Harvard-Professor Howard Gardner in den 1980ern entwickelt hat. Demnach besitzt jedes Kind mehrere Intelligenzen oder Fähigkeiten, etwa soziale, logische, physische, sprachliche oder kulturelle. In Wellington sollen möglichst alle Fähigkeiten gefördert werden – und alle Schüler möglichst individuell unterstützt. „Wenn Sie etwas regelmäßig üben, werden Sie gut darin“, sagt Lynch.
Das Wellington College rangiert unter den besten Schulen des Landes, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sind überdurchschnittlich. Well-Being hat dazu geführt, „dass sich die Leistungen unsere Schüler und Schülerinnen verbessert haben“, freut sich Delyth Lynch. Dabei sei das nicht das vorrangige Ziel gewesen. Vielmehr gehe es darum, die Lebensqualität ganz generell zu erhöhen. Die Leistungen wachsen von selbst. „Weil sie an sich selbst glauben.“ Und so lassen sich Steine gut aus dem Weg räumen.

Buchtipp:

Chibici-Revneanu
Glück macht Schule.
Lebenszufriedenheit
und Wohlbefinden im Unterricht

ISBN 978-3-99005-209-9
274 Seiten, € 22,40
Krenn Verlag

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