Kraftlos in den Fingern?

März 2011 | Medizin & Trends

Wenn man plötzlich nicht mehr zupacken kann
 
Wenn die Finger kraftlos und steif werden, wehtun, sich Schwellungen und Knoten bilden und man plötzlich nicht mehr zupacken kann, steckt in den meisten Fällen eine rheumatische Erkrankung oder Gicht hinter den Beschwerden. In jedem Fall sollten Betroffene rasch eingreifen, um schlimme Folgen möglichst zu verhindern.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Polyarthrose

Polyarthrose (aus dem Altgriechischen für mehrfachen Gelenkverschleiß) ist die häufigste rheumatische Erkrankung der Finger. Bei Frauen tritt sie eineinhalb Mal so oft auf wie bei Männern. Meist bricht die Krankheit zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr aus. „Zu den typischen ersten Symptomen zählen eine Morgensteifigkeit der Finger und Funktionsbehinderungen der gesamten Hand bzw. beider Hände“, sagt Prim. Univ. Doz. Dr. Burkhard Leeb, Leiter der Rheumatologie am Landesklinikum Weinviertel Stockerau und Past-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie. „In der Folge kommt es dann durch die Bewegung der Daumensattelgelenke und der Mittel- und Endgelenke der Finger zu lokalen Entzündungen.“ Durch die Entzündungen entstehen wiederum Verdickungen in Form von Schwellungen, die sich röten und je nach Ausprägung mehr oder weniger starke Schmerzen bereiten.

„Die  Entzündungen können dazu führen, dass die betroffenen Gelenke nach und nach zerstört werden, sofern die Beschwerden unbehandelt bleiben“, sagt Leeb. Und das ist oft der Fall, da die meisten Betroffenen die Schmerzen, Schwellungen etc. zunächst für harmlos halten, was gefährlich ist. Denn je weiter die Krankheit fortgeschritten ist, desto schwieriger wird die Therapie.
Wie wird Polyarthrose behandelt? Leeb: „Da eine der Ursachen für Polyarthrose eine Überlastung der Gelenke ist, genügt es anfangs oft, Tätigkeiten zu vermeiden, die den Fingern viel Kraft abverlangen, wie Putzen oder das Spielen bestimmter Musikinstrumente, um den Krankheitsfortschritt aufzuhalten und das Leiden auszuheilen.“ Parallel empfiehlt sich eine Ergotherapie, bei der Übungen erlernt werden, die die Finger wieder beweglicher und kraftvoller machen, und eventuell auch pflanzliche Mittel, die die entzündungsbedingten Schmerzen stillen. „Die Entzündungen selbst können durch Antirheumatika in Form von Tabletten oder Salben gelindert, manchmal auch zum Verschwinden gebracht werden“, sagt Leeb.

Chronische Polyarthritis bzw. rheumatoide Arthritis

Chronische Polyarthritis (aus dem Altgriechischen für unheilbare mehrfache Gelenksentzündung bzw. für fließend-schmerzende Gelenksentzündung) ist die zweithäufigste Erkrankung der Finger, bei der sich rheumatische Beschwerden zeigen. Frauen sind davon dreimal so häufig betroffen wie Männer. Meistens bricht die Krankheit zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr aus oder erst nach dem 65. Lebensjahr.
„Zu den typischen Symptomen der chronischen Polyarthritis in den Fingern zählen eine zunehmende, länger andauernde Morgensteifigkeit der Hände, eine damit einhergehende Kraftlosigkeit, Schmerzen und Schwellungen an den Fingergrundgelenken und an der Handwurzel, die auf Entzündungen an diesen Stellen zurückgehen“, erklärt Experte Leeb. Auch diese Beschwerden werden häufig unterschätzt – und bleiben deswegen oft lange Zeit unbehandelt. So kommt es durch die Entzündungen nach und nach zur Verformung und Zerstörung der betroffenen Gelenke und des Handwurzelknochens mit entsprechender Funktionseinschränkung.
„Die chronische Polyarthritis ist zwar nicht heilbar“, sagt Leeb. Doch je früher die Betroffenen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, desto besser sind auch die Therapieerfolge. Behandelt wird die chronische Polyarthritis mit Mitteln, die in den Krankheitsprozess eingreifen und die Entzündungen hemmen, und parallel mit Kortison und Antirheumatika sowie schmerzstillenden Medikamenten. Leeb: „Etwa die Hälfte der Patienten kann mit Medikamenten erreichen, durch die Erkrankung nur noch wenig oder gar nicht mehr eingeschränkt zu sein.“     
Über die Ursache für die Entstehung der chronischen Polyarthritis gibt es derzeit nur Vermutungen. „Man meint, dass die Neigung zu der Erkrankung vererbt wird“, sagt Leeb. Letztlich ausgelöst wird das Leiden möglicherweise durch eine fehlgeleitete Aktivität des Immunsystems, die dazu führt, dass die körpereigene Abwehr die Gelenke angreift, wobei möglicherweise Viren oder Bakterien, aber auch Umweltfaktoren zu dieser Fehlreaktion beitragen.

Gicht

Gicht (aus dem Angelsächsischen „Ghida“ für Körperschmerz) ist die dritthäufigste Erkrankung der Finger. Von der Gicht sind fast nur Männer betroffen. Bei ihnen kann die Krankheit in jedem Lebensalter ausbrechen, wenn es Frauen trifft, dann häufig erst in den Wechseljahren.
„Symptome der Gicht in den Fingern sind anfallsartig auftretende Schmerzen, Morgensteifigkeit sowie die Bildung von Knoten an den Gelenken und auch am Handwurzelknochen“, sagt Leeb. Zwar können diese Beschwerden jenen, die bei anderen rheumatischen Erkrankungen auftreten, ähnlich sein, doch ist die Gicht keine Erkrankung des Immunsystems, sondern des Stoffwechsels. Leeb: „Die Betroffenen haben zu viel Harnsäure im Blut, da die Harnsäure aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend über die Nieren ausgeschieden wird.“ So kristallisiert die Harnsäure im Blut und wird in den Gelenken abgelagert. Diese Ablagerungen wirken als Fremdkörper und lösen Entzündungen und mit der Zeit auch eine Knotenbildung aus.
Gicht kann vererbt werden und tritt dann oft schon im jungen Erwachsenenalter auf. Wird Gicht, wie das häufig der Fall ist, von falschen Ernährungsgewohnheiten wie einem Zuviel an harnsäurehältigen Lebensmitteln (z. B. Innereien, Schweinefleisch) verursacht, so beginnt die Erkrankung später.
„Die Zahl der Anfälle und die Schwere der Beschwerden kann durch Medikamente, die den Harnsäurespiegel im Blut konstant senken, gut gelindert werden“, sagt Leeb. Durch entsprechende Medikamente lösen sich auch die Kristalle in den Gelenken auf, und Entzündungen bleiben aus. Leeb: „Nehmen die Patienten nicht nur ihre Medikamente, sondern stellen sie auch ihre Ernährung nach den Empfehlungen des behandelnden Arztes um, kann Gicht manchmal sogar geheilt werden. „Die Knoten, die bedingt durch die Gicht entstehen, stellen für viele auch ein kosmetisches Problem dar“, sagt Leeb. Ist das der Fall, können sie operativ entfernt werden.

Wo die Beschwerden noch auftreten können

Sowohl für die Gicht, als auch für die chronische Polyarthritis und die Polyarthrose gilt, dass sie nicht nur die Finger und Hände befallen, sondern oft auch die Zehen und Füße sowie die Knie- und Hüftgelenke.

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Wie der Arzt untersucht

Egal, ob die Beschwerden in den Fingern auf Gicht, chronische Polyarthritis oder Polyarthrose zurückzuführen sind: Der Arzt diagnostiziert diese Leiden, indem er die Hände genau anschaut sowie eine Blutuntersuchung und ein Röntgen vornimmt, aus dem ersichtlich wird, wie weit die Erkrankung bereits die Gelenke oder den Handwurzelknochen geschädigt hat.

Buchtipp:
Uitz, Mayer, Bahadori, Rheuma vorbeugen, erkennen, behandeln.
ISBN 978-3-902552-51-8, 112 Seiten, € 12,90, Verlagshaus der Ärzte

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