Schwitzen: neue sanfte Hilfen

Mai 2014 | Medizin & Trends

Übermäßiges Schwitzen, von den Medizinern Hyperhidrose genannt, kann viele Ursachen haben. Steckt – wie in den weitaus meisten Fällen – ein überaktives Nervensystem hinter dem Problem, gibt es jetzt eine neue, sanfte Hilfe.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Sechs bis neun Liter Wasser zirkulieren in unserem Körper. Bis zu zwei Liter davon scheiden wir binnen 24 Stunden über die Blase aus; einen weiteren halben Liter verlieren wir im Durchschnitt über die Schweißdrüsen der Haut. „Schwitzen ist notwendig, um die Körpertemperatur konstant zu halten“, erklärt der Wiener Chirurg Dr. Thomas Filipitsch. Wird uns (zu) warm, will der Körper zur Abkühlung Flüssigkeit loswerden. Das ist bekanntlich bei Hitze oder beim Sport der Fall, aber auch wenn Hektik ausbricht: „In Stresssituationen bereitet sich der Körper auf eine Leistungssteigerung vor“, verdeutlich Filipitsch. „Dabei reagiert er mit einer Erhöhung von Pulsfrequenz und Blutdruck.“ Und das hat eben auch vermehrtes Schwitzen zur Folge.
In die Wege geleitet werden diese Prozesse ohne unser Zutun vom vegetativen Nervensystem, genauer vom Nervus Sympathikus. Dieser Nerv macht seinem Namen aber nicht bei jedem alle Ehre, entpuppt er sich doch aus noch unbekannten Gründen gar nicht so selten als „Unsympathikus“: „Bei etwa drei Prozent der Menschen schaltet dieser Nerv nicht mehr von der On- auf die Off-Position zurück“, schildert Filipitsch das Dilemma. Dadurch bleibt zwar weder der Blutdruck noch die Pulsfrequenz überstimuliert, die Schweißproduktion allerdings schon. „Die Betroffenen schwitzen dann tagsüber nahezu immer übermäßig“, beschreibt Filipitsch das Problem. Nachts bekommen sie Schützenhilfe von anderer Front: Dann bringt der Gegenspieler des Sympathikus, der Nervus Parasympathikus, den Schweißfluss zum Erliegen.

Schweißtest für Diagnose

Erstmals in Erscheinung tritt das übermäßige Schwitzen, das die Mediziner Hyperhidrose nennen, meist in der Pubertät und hält ein Leben lang an; Frauen sind genauso häufig betroffen wie Männer. Was die Fachleute unter übermäßig verstehen? Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft definiert Hyperhidrose ab einer „deutlich vermehrten Hautfeuchtigkeit an Hand- und Fußflächen sowie ab Schweißflecken mit fünf bis zehn Zentimetern Durchmesser in den Achseln“. Nicht nur anhand dieser Kriterien werden das Problem und dessen Ausprägung diagnostiziert. „Man macht das auch mit speziellen Schweißtests“, so Filipitsch. Dabei arbeitet man mit Jod-Stärke-Lösungen oder Filterpapier.
Auch wenn die sogenannte primäre Hyperhidrose im Gegensatz zur sekundären als rein kosmetisches Problem gewertet wird, empfinden es die Betroffenen als äußerst quälend. So halten es viele für sehr störend, sich häufig waschen und oft ihre Kleidung wechseln zu müssen. Viele entwickeln wegen der Schweißflecken auf Hemd oder Bluse und wegen des Geruchs, der entsteht, wenn Keime den Schweiß zersetzen, Schamgefühle. Manche ziehen sich deswegen sogar mehr und mehr zurück und geraten in die soziale Isolation.

Schwitz-Stopp mit dem Laser

Chirurg Filipitsch, der sich u. a. auf die Behandlung von Hyperhidrose spezialisiert hat, appelliert, es nicht so weit kommen zu lassen, denn es gibt eine Reihe von Hilfen. Den besonders intensiven Schweißfluss aus den Achselhöhlen könne etwa eine neue, sanfte Therapie fast zur Gänze zum Versiegen bringen, die sogenannte Laserablation. Filipitsch: „Dabei wird die Energie des Lasers von der wasserhaltigen Struktur der Schweißdrüsen aufgenommen und bewirkt, dass die Drüsen schrumpfen.“ So werden die meisten, aber nicht alle Drüsen außer Funktion gesetzt; die Schweißproduktion in den Achseln lasse sich also nicht zu 100, aber immerhin um 80 bis 90 Prozent reduzieren.
Die Methode wird bereits seit 2010 angewandt, daher wisse man, dass die Wirkung „gut und höchstwahrscheinlich dauerhaft anhält“, so Filipitsch. Oft reiche eine einzige Behandlung aus, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Bei 25 bis 30 Prozent der Betroffenen könne nach sechs bis acht Wochen ein zweiter Lasereinsatz nötig sein. Die Anwendung erfolgt unter lokaler Betäubung und ist schmerzlos. Danach treten manchmal Blutergüsse oder Verhärtungen auf, die aber nach kurzer Zeit verschwinden.

Löffel-OP und Botox-Injektionen

Bereits länger bewährt als die Laserablation hat sich eine andere chirurgische Methode, die ebenfalls dazu dient, die Produktion der Schweißdrüsen in den Achseln auf Dauer zu drosseln: „Man kann die Schweißdrüsen auch mit einem scharfen Löffel aus dem Hautgewebe herausschaben, um das starke Schwitzen zu beenden“, sagt Filipitsch. Gegenüber der neuen Lasermethode habe dieser Eingriff aber Nachteile: „Dabei entsteht eine größere Wundfläche, die zum Beispiel störende Vernarbungen oder Hauteinziehungen zur Folge haben kann. Und die können dann nur schwer beseitigt werden.“
Zwar nicht dauerhaft, aber zumindest zwei bis sechs Monate lang helfen Botox-Injektionen gegen den Achselschweiß. „Das Nervengift lähmt die Schweißdrüsen vorübergehend“, so Filipitsch.

Und bei übermässigem Hand- und Fußschweiß?

Wer an ausgeprägter Hyperhidrose leidet, den quält aber nicht nur der starke Schweißfluss aus den Achselhöhlen, sondern auch das Schwitzen an Händen und Füßen. Wie man das dauerhaft loswerden kann? „Das Schwitzen an den Händen“, so die Antwort des Chirurgen, „kann man beenden, indem man sich im Bereich des Brustkorbs einen bestimmten Ast des Nervus Sympathikus durchtrennen lässt.“ Der Eingriff kann nur unter Vollnarkose gemacht werden.
Eine sanftere Lösung zur Trockenlegung ist zumindest in Sicht. „Bereits in Entwicklung ist die Verwendung der Radiofrequenzbestrahlung zur Behandlung von Hyperhidrose an den Händen“, weiß Filipitsch. Dabei wird die Haut an den Händen bestrahlt, wodurch sich die Temperatur erhöht und die Schweißdrüsen so zusammenschrumpfen sollen, dass sie kaum noch Schweiß produzieren. „Um das Ziel zu erreichen, sind etwa vier Sitzungen im Abstand von je zehn Tagen nötig.“
Ob sich dieses Verfahren auch gegen Fußschweiß eignet, wird sich laut Filipitsch noch zeigen. Mindestens bis dahin müssen starke Fußschwitzer mit den seit langem bewährten Mitteln, die Aluminiumchlorid enthalten, das Auslangen finden; sie werden auf die Haut aufgetragen und stoppen den Schweißfluss für einige Stunden. Gerüchte, wonach das Aluminium Krebs erzeugen könnte, halten sich hartnäckig, „wurden aber nicht bestätigt“, beruhigt Filipitsch.
Ob Cremen, Deos oder chirurgische Maßnahmen: Durch keine dieser Therapien wird der Flüssigkeitshaushalt des Körpers durcheinandergebracht, weiß Filipitsch. Denn auch wenn die Schweißdrüsen von Achselhöhlen, Händen und Füßen für große Probleme sorgen können, ist ihre Zahl doch zu klein, um diesbezüglich ins Gewicht zu fallen.

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Schwitzen ohne Folgen

Wie viel Schweiß starke Schwitzer auch verlieren: „Aus Hyperhidrose entsteht kein Schaden“, betont der Wiener Chirurg Dr. Thomas Filipitsch. Dennoch sollten Betroffene darauf achten, ausreichend zu trinken, um den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt im Gleichgewicht zu halten. Zudem ist Körperhygiene für die Betroffenen umso wichtiger. Schließlich führt das feuchtwarme Klima zur Vermehrung von Bakterien und Pilzsporen und lässt so die Gefahr für Ekzeme und Pilzinfektionen steigen.

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Schwitzen als Krankheitszeichen

Extrem starkes Schwitzen kann auch Symptom einer Krankheit sein. Zur Therapie dieser sogenannten sekundären Hyperhidrose muss das zugrunde liegende Problem erkannt und behandelt werden. Dazu zählen:

  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Nierenerkrankungen
  • Diabetes mellitus
  • Übergewicht
  • Störungen im Hormonhaushalt
  • Verletzungen des Nervus Sympathikus oder andere neurologische Erkrankungen
  • Chronische Entzündungen
  • Krebserkrankung
  • Psychische Probleme

 

Stand 04/2014

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