Sportlich ab 50

März 2012 | Fitness & Entspannung

Die Pluspunkte, die Knackpunkte
 
Er beugt Zipperleins wie Gelenkproblemen vor, hält den Geist in Schuss und vertreibt düstere Gedanken: Sport ab 50 hat viele Plus- und ein paar Knackpunkte. MEDIZIN populär zeigt sie auf.
 
Von Bettina Benesch

Es ist eine Tatsache, um die wir alle nicht herum kommen: Ab einem Alter von etwa 35 oder 40 beginnt unser Körper Substanz abzubauen. Experten sagen „Altersgang“ dazu. Während wir in diesem Altersgang dahinschlendern, verabschieden sich allmählich wichtige Säulen unserer Gesundheit. Pro Jahr verlieren wir etwa ein Prozent an Muskelkraft, Ausdauer und Knochenmasse. Ein untrainierter 80-Jähriger ist körperlich um etwa 50 Prozent weniger leistungsfähig wie ein 30-Jähriger. Allerdings kann man die Leistungsfähigkeit in jedem Alter mit einem Zeitaufwand von ein bis vier Stunden pro Woche um 20 bis 40 Prozent steigern.
Davon profitiert auch, wer zeitlebens mit Bewegung wenig anzufangen wusste: „Es ist nie zu spät“, versichert Univ. Prof. Dr. Paul Haber von der Universitätsklinik für Innere Medizin II am Wiener AKH. „Die Muskulatur, der Stoffwechsel, das Herz und andere Organe bleiben bis zum Tod trainierbar. 90-Jährige können ihre Muskelkraft noch um 50 Prozent verbessern.“

Sport auch bei chronischer Krankheit

Das trifft auch dann zu, wenn ein Organ bereits von einer Krankheit betroffen ist, wie beispielsweise die Lunge von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Durch regelmäßiges, individuell zugeschnittenes Training wird zwar die COPD selbst nicht geheilt, aber die allgemeine Fitness aufgebaut. Gerade sie leidet unter der schweren Krankheit: Viele Patienten bewegen sich nicht, weil selbst geringe Belastungen Atemnot auslösen können. Laut Paul Haber ist die Atemnot gar nicht die unmittelbare Folge der Krankheit, sondern der Bewegungsmangel. Durch ihn lässt auch die Leistungsfähigkeit nach. Eine Abwärtsspirale, die sich durch regelmäßige Bewegung durchbrechen lässt.
Auch Personen mit Gelenksbeschwerden und -erkrankungen (z. B. Arthrose), profitieren von regelmäßiger Bewegung. „Das Schlimmste, was man den Gelenken antun kann, ist, sie nicht zu bewegen, da der Knorpel durch Bewegung ernährt wird“, erklärt der Sportmediziner. Sollten beim Sport Gelenkschmerzen auftreten, ist es sinnvoll, auf einen anderen Sport umzusteigen – oder statt auf der Ebene zu laufen einfach rasch bergauf zu gehen.
„Unter den chronischen Krankheiten gibt es nach meinem Dafürhalten nicht eine, bei der Nichtstun besser wäre als kontrollierte Bewegung.“ Tabu ist Training allerdings bei allen akuten Erkrankungen, etwa grippalen Infekten; oder bei schlecht eingestellten chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes.

Das Gehirn läuft mit

Regelmäßige Bewegung wirkt direkt auf die geistige Leistungsfähigkeit, wie Paul Haber erklärt: „Die Neurogenese, also die Neubildung von Nervenzellen, im Gehirn ist ein lebenslanger Prozess, der durch regelmäßige Bewegung gefördert wird. Von den Nervenzellen, die neu gebildet werden, bleiben nur die intakt, die auch benützt werden – und benützt werden sie ebenfalls durch Bewegung.“ So kommt es, dass sportliche Senioren um bis zu 50 Prozent seltener an einer Demenz erkranken als unsportliche. „Für Menschen über 60 ist Bewegung die einzige Maßnahme, von der nachgewiesen ist, dass sie die Demenz aufhalten kann“, betont Haber.
Ebenso wie das Gehirn profitiert auch die Seele von Sport, da er die Produktion von stimmungsaufhellenden Substanzen fördert. Dazu gehören etwa Serotonin, Kortison oder die Endorphine. Menschen, die sich bewegen, erkranken seltener an Depressionen als Menschen, die nie Sport machen. Und auch Personen mit einer Depression kommt die aufhellende Wirkung regelmäßiger Bewegung zugute.
Genauso ergeht es Frauen in den Wechseljahren: Wie die Umstellung von Winter auf Frühling bringt auch die hormonelle Veränderung den Körper in ein Ungleichgewicht, das die typischen Symptome auslösen kann. „Beschwerden der Wechseljahre sind zu einem guten Teil vegetativ“, erklärt Paul Haber. Das heißt, sie betreffen das unwillkürliche, autonome Nervensystem, das viele lebenswichtige Körperfunktionen wie Verdauung oder Stoffwechsel steuert. „Regelmäßiges Training wirkt sich positiv auf das vegetative Nervensystem aus und kann daher auch im Wechsel hilfreich sein.“

Alles zum Preis von drei

Um die süßen Früchte zu genießen, die uns der Sport vor die Füße legt, ist ein gewisser Zeitaufwand notwendig. Paul Haber empfiehlt regelmäßiges Training an drei Tagen in der Woche. Pro Einheit sollten eine bis eineinhalb Stunden investiert, und in dieser Zeit die Ausdauer ebenso gestärkt werden wie die Muskelkraft. All das mit einer Intensität von 50 bis 70 Prozent des individuellen Leistungsmaximums. Wer sich beim Laufen oder Radfahren gerade noch unterhalten kann, der hat die passende Intensität gefunden. Ideal wäre laut Haber ein medizinischer Leistungstest am Ergometer.
Steht die individuelle Trainingsintensität fest, geht es um die Wahl der geeigneten Sportart. Im Grunde ist jede Disziplin für Ausdauertraining geeignet, bei der man mindestens 30 Prozent der Muskelmasse bewegt. Empfehlenswert sind daher Sportarten wie Laufen, Skilanglauf, Radfahren, Wandern, Schwimmen, Nordic Walking oder Skaten. Krafttraining ist eine sinnvolle Ergänzung. Paul Haber empfiehlt, während der Bewegungseinheit zuerst die Muskulatur zu kräftigen und dann die Ausdauer zu trainieren.

Kontrollierbare Situation im Fitnesscenter

Viele Sportarten lassen sich gut im Fitnesscenter trainieren. Dort können die Trainingsanforderungen bei Bedarf ganz genau erfüllt werden: „Sie können das Laufband exakt einstellen, das Fahrradergometer auch, die Kraftmaschinen ermöglichen kontrollierte Bewegungen“, erklärt Haber. „Das Fitnesscenter hat also alles, was ein Mediziner gerne vorfindet: Es ist alles unter Kontrolle.“ Wer zu Hause trainieren möchte, kann das mit zwei Hanteln und einem Zimmerfahrrad auf relativ einfache und günstige Weise tun. Anleitung zum richtigen Training gibt jeder Sportmediziner.
Erste Ergebnisse sind laut Haber bereits nach einigen Wochen bemerkbar: Das Laufen fällt leichter und man gerät dabei nicht mehr so schnell außer Atem wie zu Beginn. Einige Monate später stellen sich messbare Effekte bei den Stoffwechsel- und Blutfettwerten ein – bei den einen schneller, bei den anderen langsamer. Sicher ist, dass die Werte sinken, denn: „Gesundheitsorientiertes Training ist lebenslänglich gedacht“, sagt Haber. Wer dieser Regel folgt, kann erhobenen Hauptes im Altersgang voranschreiten. Mit Leichtigkeit.

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Sport ab 50: Die Knackpunkte

Wer mit einer chronischen Erkrankung lebt, muss auf Sport keinesfalls verzichten. Aber: „Training ersetzt die Heilbehandlung nicht“, erklärt der Internist und Sportmediziner Univ. Prof. Dr. Paul Haber von der Universitätsklinik für Innere Medizin II am Wiener AKH. Ob man die Therapie bewegungsbedingt beenden oder modifizieren kann, entscheidet sich im Lauf des Trainings. „Die Krankheit muss ordentlich behandelt und unter Kontrolle sein“, sagt Haber.
So gilt für Diabetiker beispielsweise: Liegt der Blutzuckerwert über 250 mg/dl, muss der Zuckerwert schon vor dem Training gesenkt werden, da er unter diesem Umstand während körperlicher Belastung steigen kann.
Patienten mit Bluthochdruck sollten darauf achten, dass der Druck während des Trainings nicht in die Höhe schnellt. Das ist mit einem Ergometertest mit Blutdruckmessung feststellbar. „Zuerst muss der Bluthochdruck behandelt werden“, empfiehlt Haber. „Man wartet ein bis zwei Wochen und wiederholt den Test. Spricht dann nichts gegen das Training, kann man loslegen.“
Personen mit Osteoporose sollten ebenfalls Ausdauer und Kraft trainieren, den Schwerpunkt jedoch auf das Krafttraining legen, da das Wachstum von Knochenmasse durch den Widerstand beim Gewichtheben angeregt wird. Sind bereits Wirbelbrüche aufgetreten, sollten Übungen für den Oberkörper vorerst nur im Liegen ausgeführt werden.
Egal ob Einsteiger oder Wiedereinsteiger: Ab etwa 35 Jahren sind Menschen, die sich gesund fühlen, nicht unbedingt auch gesund. Diabetes oder Bluthochdruck machen oft keine Beschwerden. Daher ist eine sportärztliche Untersuchung inklusive Ergometertest sinnvoll, bevor man die (neue) sportliche Karriere beginnt. Nach der Untersuchung steht fest, wie das Training aussieht und in welchem Bereich der Trainingspuls liegt.
Generell gilt: Sportler mit chronischer Erkrankung sollten die Trainingseinheit so planen, dass sie jederzeit aufhören und eine Pause einlegen können.

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