Was an die Nieren geht

August 2011 | Medizin & Trends

Immer mehr Menschen leiden an Nierenschäden
 
Ärzte warnen: Immer mehr Menschen leiden an Nierenschäden. Viele wissen gar nichts davon und riskieren so schwerwiegende Folgen. Lesen Sie, was uns heute derart an die Nieren geht.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Sie liegen knapp unter dem Zwerchfell, links und rechts neben der Wirbelsäule, sind etwa elf Zentimeter lang, sechs Zentimeter breit, zweieinhalb Zentimeter dick und rotbraun: Die Nieren – Organe, die wichtige Aufgaben haben. So regulieren sie den Wasser- und Elektrolythaushalt sowie den Blutdruck, filtern giftige Substanzen aus dem Blut und bilden Hormone. Im Mittelalter galten die Nieren darüber hinaus als Sitz der Gefühle – daher die Redewendung: „Das geht mir an die Nieren.“
Wie weit psychische Komponenten bei der  Nierengesundheit eine Rolle spielen, weiß man nicht so genau. Was man aber weiß: „Von Nierenerkrankungen sind immer mehr Menschen betroffen“, sagt Univ. Prof. Dr. Gert Mayer, Direktor der Universitätsklinik IV für Nephrologie und Hypertensiologie an der Medizinischen Universität in Innsbruck. Waren Nierenschäden noch vor 30 Jahren eine Seltenheit, so leiden heute je nach Definition bereits fünf bis zehn Prozent aller Menschen daran.

Hauptursachen: Bluthochdruck und Diabetes

Experte Mayer über die Ursachen: „Nierenschäden nehmen zu, weil die Menschen immer älter werden. So können jene Erkrankungen, die vor allem zu Nierenerkrankungen führen, nämlich Bluthochdruck und Diabetes, lang genug bestehen, um die Nieren zu schädigen.“ Bluthochdruck und Diabetes haben zur Folge, dass sich die Gefäße in den Nieren verändern, die Nieren nicht mehr gut genug durchblutet werden und Nierengewebe abstirbt, was die Nieren in ihrer Funktion einschränkt.
Bei den – wenigen – jüngeren Betroffenen werden Nierenschäden häufiger durch Fehlbildungen oder Entzündungen hervorgerufen. Dabei gelangen die Erreger über die Harnwege und die Blase zu den Nieren, die Nierengewebe zerstören und so die Nierenfunktion einschränken können.
Während sich eine Nierenentzündung fallweise durch Schmerzen, „ein leichtes Ziehen“, wie Mayer sagt, bemerkbar macht und mit entzündungshemmenden Medikamenten oder Antibiotika meist gut behandelbar ist, werden Nierenschäden, die auf Diabetes und Bluthochdruck zurückgehen, von den Betroffenen oft lange Zeit nicht erkannt. Mayer: „Der Grund dafür ist, dass diese Schäden sehr lange oder auch gar nicht schmerzhaft sind.“ Genauso verhält es sich, wenn Nierenschäden auf die Bildung von Nierensteinen, Zysten oder Nierentumoren zurückgehen – oder durch Medikamente bzw. Gifte verursacht werden.

Bei ersten Anzeichen zum Arzt

Wie also kann man einen Nierenschaden erkennen, wenn man keine Schmerzen hat? „Dafür gibt es ab einem gewissen Zeitpunkt Anzeichen, die auch Betroffene selber wahrnehmen können“, sagt Mayer. Zu diesen Symptomen zählen ein hoher oder niedriger Blutdruck, Übelkeit, Müdigkeit, ein Nachlassen der Leistungsfähigkeit, eine vermehrte oder eingeschränkte Produktion von Harn, Blut im Harn oder ein veränderter Geruch des Harns. Mayer: „Bemerkt man eines oder mehrere dieser Anzeichen, sollte man einen Arzt aufsuchen und sich untersuchen lassen.“ Der Arzt erkennt einen Nierenschaden anhand der Schilderung der Symptome oder durch eine Harn- und Blutanalyse. Deuten die Ergebnisse auf ein Nierenleiden hin, wird zusätzlich ein Ultraschallbild von den Nieren gemacht. „Darauf kann man sehen, wie sehr das Nierengewebe bereits beeinträchtigt ist bzw. ob Zysten, Nierensteine oder Nierentumore bestehen“, sagt Mayer.    

Therapie je nach Ursache

Je früher das Nierenleiden erkannt wird, desto besser lässt es sich behandeln – wobei sich die Therapie nach der Ursache richtet. Mayer: „Wenn die Nierenerkrankung auf Diabetes oder Bluthochdruck zurückgeht, müssen der Bluthochdruck bzw. Diabetes behandelt werden, um den Fortschritt der Nierenschädigung aufzuhalten.“ Steckt eine Entzündung hinter dem Nierenleiden, so helfen entzündungshemmende Medikamente oder Antibiotika. Nierensteine können durch Medikamente verkleinert und schmerzlos ausgeschieden werden. Oder sie werden mit Stoßwellen von außen in kleine Teilchen zertrümmert, die ebenfalls von selber abgehen, ohne dass dabei Schmerzen verursacht werden. Ist dies unmöglich oder droht ein Nierenstein die Harnwege zu verlegen, wodurch es zu einer schmerzhaften Nierenkolik kommen kann, werden die Nierensteine operativ entfernt.
Geht die Nierenerkrankung auf die Bildung von Zysten zurück und machen diese Beschwerden, werden sie verödet oder entfernt. Hat sich an einer Niere ein bösartiger Tumor gebildet, wird dieser mit den Mitteln der Krebstherapie behandelt. „Oder die Niere wird entfernt“, sagt Mayer. Ist die zweite Niere gesund, können die Betroffenen auch ohne die entfernte Niere gut leben. Mayer: „Sie müssen wie alle Menschen nach einer Nierenerkrankung, die meistens eine chronische Nierenschwäche nach sich zieht, nur vorsichtig sein, wenn sie Medikamente einnehmen.“ Vor allem Schmerzmittel oder Antirheumatika können die Nieren belasten.

Letzte Mittel: Dialyse oder Spenderniere

Bleiben Nierenleiden länger unerkannt, kann das dazu führen, dass die Nieren immer schwächer werden, schrumpfen und letztlich versagen. Mayer: „Ohne funktionierende Nieren kann der menschliche Körper Wasser nicht in ausreichender Menge ausscheiden und Gifte nicht abbauen. Das heißt, ohne Nieren wird man aufgeschwemmt und es kommt zu einer Vergiftung, an der man stirbt.“
Bei Nierenversagen hilft Betroffenen der Ersatz der Nierenfunktion durch die Blutwäsche. Diese funktioniert über ein Dialysegerät im Spital bzw. in Dialysezentren, ist dreimal in der Woche notwendig und dauert drei bis fünf Stunden. Oder die Betroffenen reinigen ihr Blut über einen eingesetzten Plastikschlauch und mit dem Bauchfell als Filter zuhause und selbst. „Mit der Dialyse können Nierenerkrankte jahrzehntelang überleben“, sagt Mayer.
Weniger in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind Empfänger einer Spenderniere, auf die sie allerdings oft erst lange warten müssen. Nach der Transplantation müssen die Empfänger Medikamente nehmen, die die Abstoßung der Niere verhindern. Dazu kommt es in manchen Fällen trotzdem – was die Betroffenen wiederum zu Dialyse-Patienten bzw. Wartenden auf eine weitere Spenderniere macht. Bleibt ihnen diese erhalten, dann oft auch nicht lebenslang: Die durchschnittliche Spenderniere funktioniert nämlich nur zehn Jahre.

So beugt man vor

Kann man Nierenleiden vorbeugen? „Nur, indem man die Risiken für die Entstehung von Nierenerkrankungen verringert, soweit das möglich ist“, sagt Mayer. Bei Diabetes oder Bluthochdruck heißt das also, Medikamente nehmen, die den Blutdruck senken bzw. die Zuckerwerte normalisieren. Mayer: „Wer zu Blasenentzündungen neigt, die sich zu Nierenentzündungen entwickeln können, kann vorbeugen, indem er Blasenentzündungen möglichst verhindert.“ Dazu sollte man stets ausreichend trinken, also rund zwei Liter am Tag, womit Erreger weggespült werden können. Gar nichts kann man leider gegen die Entstehung von Nierenzysten tun, denn die Neigung dazu wird vererbt.

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Niere spenden – Niere empfangen

Franz Vranitzky hat es für seine Frau Christine getan, Florian und Birgit Lauda haben es für ihren Bruder bzw. Ehemann Niki Lauda getan: eine Niere spenden. Wer sich zu diesem Schritt entscheidet, braucht entgegen der landläufigen Meinung nicht unbedingt dieselbe Blutgruppe wie der Empfänger zu haben. „Der Spender muss aber vollkommen gesund sein“, sagt Univ. Prof. Dr. Gert Mayer. In Österreich stammen 15 Prozent aller gespendeten Nieren von Lebendspendern, 85 Prozent werden Toten entnommen. Die Wartezeit auf eine Spenderniere beträgt derzeit zwei bis drei Jahre, denn aktuell stehen in Österreich rund 900 Menschen auf der Warteliste.

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