Wunder Punkt Prostata

Oktober 2012 | Medizin & Trends

Warum die kleine Drüse so große Probleme macht
 
Die Prostata schenkt dem Mann lustvollen Sex und reichlich Kindersegen. Doch bei jedem Zweiten wird die kleine Drüse früher oder später zum großen Problem. Was die Prostata zu einem wunden Punkt der Männergesundheit macht und wie sich Beschwerden rechtzeitig erkennen bzw. verhindern lassen, erklärt ein Experte für MEDIZIN populär.
 
Von Wolfgang Kreuziger

Kleine Ursache, große Wirkung: Der vermeintliche „Problemwinzling“ ist oft nur weniger als sechs Zentimeter groß, lediglich 25 Gramm schwer und bringt dennoch selbst die kräftigsten Kerle zum Zittern. Jeder zweite Mann kämpft im Laufe seines Lebens mit Prostataproblemen, kein weiterer Bereich des starken Geschlechts ist so hochgradig krebsgefährdet, bei kaum einem anderen Körperteil haben sich die Erkrankungsfälle in den vergangenen 20 Jahren wie hier mehr als verdoppelt. Solche Zahlen machen die Prostata zum Tabuthema und Schreckgespenst: „Zu Unrecht, denn das Leben des Mannes würde doch unvergleichlich weniger Spaß machen, wenn wir die Prostata nicht hätten“, rückt Priv. Doz. Dr. Anton Ponholzer, Facharzt für Urologie und Andrologie in Wien, den vermeintlichen Störenfried ins rechte Licht. „Ohne sie wären ein erfülltes Sexualleben oder Fortpflanzung nicht denkbar.“
Die Geschlechtsdrüse, die den Anfang der Harnröhre bis zum Beckenboden umkleidet, ist für die männliche Fortpflanzung „Mischmaschine“ und „Katapult“ in einem: Sie produziert nicht nur einen Teil des Spermas, sondern vermengt dieses gleichzeitig mit einem milchigen, vom ph-Wert her leicht sauren Sekret, das den Samen beweglicher und überlebensfähiger macht und ihm seinen typischen Geruch gibt. Diese Mixtur schleudern die Muskelzellen der Prostata bei der Ejakulation mit einem beeindruckenden Tempo von rund 17 Stundenkilometern in die Vagina und bringen den Samen so nahe ans Ei heran. Die kleine Drüse hat aber noch eine zusätzliche Funktion als Freudenspender: Vor einigen Jahren hat man erkannt, dass sie gleichsam als männlicher „G-Punkt“ stimuliert, den Orgasmus noch lustvoller machen kann. „All diesen Qualitäten steht leider die Tatsache gegenüber, dass die Prostata gleichzeitig auch ein besonders wunder Punkt der Männergesundheit ist“, weiß Ponholzer. Im Wesentlichen sind es drei Gruppen von Erkrankungen, die die Vorsteherdrüse befallen können:

Prostatavergrößerung: Von der Kastanie zum Pfirsich

Die kleine Drüse im Manneskörper will hoch hinaus, sie mag einfach nicht winzig bleiben. Über die Jahre wächst sie bis zu einem Vielfachen ihrer ursprünglichen Größe an. „In der Jugend ist die Vorsteherdrüse noch kastaniengroß, jenseits der 45 kann sie sogar Pfirsichgröße erreichen“, erklärt der Urologe. „Warum sie derart wächst, weiß die Wissenschaft nicht schlüssig. Liegt abseits des Wachstums kein Problem vor, spricht man von einer gutartigen Vergrößerung.“ Diese Entwicklung alleine wäre im Grunde unproblematisch. Doch mit zunehmender Größe umfasst die Prostata Harnröhre und Blase immer mehr in einem eisernen, verengenden „Würgegriff“, letztere kann sich dann oft nicht mehr richtig entleeren. Der Patient leidet plötzlich und oft auch nachts unter häufigem Harndrang, schwachem Harnstrahl oder Schmerzen beim Urinieren. Nierenschäden und Infektionen drohen als mögliche Folgekrankheiten. Ponholzer: „Die vergrößerte Prostata kann jedoch mit Medikamenten, den sogenannten Alpha-Blockern, oder mit Mitteln, die das Testosteron im Prostatagewebe senken, behandelt werden. In schwerwiegenderen Fällen kann sie ohne großes Risiko auch durch die Harnröhre operativ verkleinert werden.“

Prostataentzündung: Das Leiden der jungen Männer

Während die vergrößerte Prostata vorrangig älteren Patienten das Leben schwer macht, ist eine Entzündung der Prostata vor allem unter jüngeren Männern weit verbreitet. Man schätzt, dass etwa 30 Prozent aller Männer zwischen 20 und 50 fallweise unter einer sogenannten Prostatitis leiden. Bemerkbar macht sie sich etwa durch Schmerzen beim Wasserlassen oder Ejakulieren, aber manchmal auch durch Beschwerden in Bauch und Wirbelsäule. Die Ursachen sind mannigfaltig und oft schwer zu finden. Manchmal gelangen Bakterien etwa über die Harnröhre oder das Blut in die Prostata, in diesem Fall können Antibiotika Abhilfe schaffen. „Oft findet man aber trotz zahlreicher Untersuchungen keine Krankheitsauslöser“, gibt Ponholzer offen zu. „Wenn die Prostatitis auch noch chronisch wird, ist das Problem meistens noch unangenehmer als die gutartige Vergrößerung. Dann droht dem Patienten eine langwierige Suche nach der richtigen Therapie.“

Prostatakrebs: Männerkrebs Nummer eins

Ihre Funktion als hormonell gesteuerte Drüse macht die Prostata besonders anfällig für Krebs. Ponholzer: „Im Gegensatz zu anderen Drüsen oder Organen wird die Prostata über das männliche Sexualhormon Testosteron reguliert. Ähnlich wie die hormonell gesteuerte Brustdrüse bei der Frau macht das die Prostata anscheinend zu einem Hauptziel von Krebs.“ Unter allen Arten von Karzinomen ist dies bei Männern mit Abstand die häufigste. In Österreich werden rund 4400 Neuerkrankungen jährlich registriert, das sind fast doppelt so viele wie bei der zweihäufigsten Krebsform des Mannes, dem Darmkrebs.
Das Heimtückische am Prostatakrebs ist, dass er oft lange Zeit keine Beschwerden verursacht. Doch dank der immensen Fortschritte auf dem Pharmasektor und in der Behandlungstechnik der vergangenen zehn Jahre, lässt sich der Krebs bei rechtzeitigem Erkennen heute gut behandeln. „Ist nur die Prostata selbst vom Karzinom befallen, kann sie operativ komplett entfernt und damit oft völlige Heilung erzielt werden“, erklärt der Arzt. „Hat der Krebs bereits auf umliegende Bereiche übergegriffen, können je nach Fortschritt der Krankheit Strahlentherapie, Chemotherapie oder auch eine hormonelle Therapie Erfolge bringen.“ Viele begleitet bei solchen Eingriffen große Angst vor Impotenz und Inkontinenz danach. Bei der gänzlichen Entfernung der Prostata ist das Risiko am größten, trotzdem bleiben im Schnitt nur fünf bis zehn Prozent der Betroffenen inkontinent, jedoch immerhin rund 30 bis 70 Prozent impotent.

Prostatavorsorge: Lebensstil und regelmässiger Check

Während eine vergrößerte Prostata oder auch eine bakterielle Prostatitis im Grund jeden treffen kann, ist die Risikogruppe für ein Karzinom wesentlich kleiner. Die erbliche Belastung bei Vorkommen von Prostatakrebs in der Verwandtschaft ist dabei neben der Lebensweise der entscheidende Faktor. Deshalb gibt es laut dem Urologen im Grunde nur zwei Maßnahmen, die eine Erkrankung wirklich verhindern oder ihr Voranschreiten stoppen können. „Die Vorsorgeuntersuchung ist das wichtigste Instrument, denn früh erkannt, kann der Krebs sehr erfolgreich bekämpft werden. Ab dem 45. Lebensjahr sollte jeder Mann einmal jährlich zum Prostata-Check: Bei der Tastuntersuchung wird die Vorsteherdrüse vom Urologen durch den Enddarm ertastet, wobei Größe und Beschaffenheit beurteilt werden können. In einem Gespräch wird festgestellt, ob es Prostataerkrankungen in der Verwandtschaft und darum ein erbliches Risiko gibt. Mittels einer Blutprobe wird das als „Tumormarker“ bekannte Antigen PSA gemessen. Dies ist ein von der Vorsteherdrüse gebildeter Eiweißstoff, dessen erhöhtes Vorkommen ein Hinweis auf eine Krebserkrankung ist.
Der zweite Vorsorgeweg zielt auf den Lebensstil ab und beinhaltet auch die Ernährung. „Im asiatischen Raum wird gesünder gelebt als bei uns. Man bewegt sich mehr, isst weniger Fleisch, jedoch mehr Fisch und Gemüse, was bewirkt, dass die Prostatakrebsrate nur ein Zehntel von jener in Europa ausmacht. Diese Lebensweise sollten wir uns zum Vorbild nehmen“, appelliert Ponholzer.

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Selbsttest: Wie fit ist Ihre Prostata?

  1.     Verspüren Sie wiederkehrend Schmerzen beim Wasserlassen?
  2.     Müssen Sie dabei oft auffallend stark pressen?
  3.     Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihre Blase nach dem Urinieren nicht ganz entleert ist?
  4.     Müssen Sie tagsüber häufig mehrmals innerhalb von zwei Stunden aufs Klo?
  5.     Stehen Sie nachts in der Regel öfter als einmal auf, um Wasser zu lassen?
  6.     Haben Sie mitunter Schwierigkeiten, das Urinieren hinauszuzögern?
  7.     Müssen Sie beim Wasserlassen mehrmals aufhören und neu beginnen?
  8.     Ist Ihr Harnstrahl auffallend schwächer als früher?

Werden eine oder mehrere Antworten mit Ja beantwortet, sollten Sie sicherheitshalber zur Vorsorgeuntersuchung bei Ihrem Urologen!

Buchtipp:

Ponholzer, Madersbacher, Thalmann, Oelke, Wagenlehner,
Prostata. ISBN 978-3-99052-016-1, 124 Seiten, € 14,90
Verlagshaus der Ärzte 2012

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