Gefährliche Engstelle: verstopfte Halsschlagader

August 2014 | Medizin & Trends

Die Halsschlagader zählt zu den bevorzugten Stellen für gefährliche Gefäßverengungen, die lebensbedrohliche Folgen nach sich ziehen können. Wie sich die Engstellen verhindern und im Fall des Falles rechtzeitig erkennen lassen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Sie versorgt die Schilddrüse, den Kehlkopf, den Rachen, die Augen und das Gehirn mit sauerstoffgesättigtem Blut: die Halsschlagader, die Mediziner Arteria carotis nennen. Auf der Höhe des vierten Halswirbels teilt sie sich in die äußere und innere Halsschlagader und bildet die sogenannte Carotisgabel. „Mit ihren zwei Zinken sieht die Carotisgabel wie ein Ypsilon aus“, beschreibt Prim. Priv. Doz. Dr. Afshin Assadian, Vorstand der Abteilung für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie am Wilhelminenspital in Wien, die Form der Halsschlagader. Und just diese Form ist das Problem: „Genau an der Stelle, an der sich die beiden Äste nach oben hin teilen, fließt das Blut in einer Art und Weise, die Ablagerungen begünstigt“, verdeutlicht Assadian.

Gefäßschäden als Wurzel des Übels

Diese Ablagerung (Plaque) besteht aus körpereigenen Zellen, sogenannten Fress- und Schaumzellen, die sich in Folge von Entzündungen der Gefäßwand bilden. Zu diesen Entzündungen kommt es wiederum durch Gefäßschäden, die auf andere Erkrankungen zurückgehen: auf Bluthochdruck oder Diabetes, aber auch auf erhöhte Blutfettwerte (Cholesterin, Triglyzeride). Da es die Fähigkeit des Körpers behindert, Schäden an den Gefäßwänden selbst zu reparieren, erhöht auch Rauchen das Risiko für eine Verengung der Halsschlagader.
„Menschen, die an anderen Erkrankungen der Arterien leiden, haben ebenfalls ein höheres Risiko für eine Carotisstenose“, ergänzt Assadian, indem er den medizinischen Fachausdruck für die gefährliche Engstelle verwendet. Zu diesen gesundheitlichen Problemen  zählen z. B. Durchblutungsstörungen der Bein- und Beckenarterien (Schaufensterkrankheit). Zu Carotisstenosen neigt außerdem, wer bereits einen Herzinfarkt hatte oder von einem Aneurysma betroffen war, also einer Aussackung von Schlagadern.

Wenn sich Bröckchen lösen

Anders als landläufig angenommen, besteht die Gefahr einer Carotisstenose nicht darin, dass Gehirn, Augen, Rachen, Kehlkopf und Schilddrüse durch die Verengung der Halsschlagader schlechter durchblutet werden und daher nur noch eingeschränkt funktionieren. „Das wird durch ein reichhaltiges Netz an Umgehungskreisläufen verhindert“, erklärt Assadian. Gefährlich wird die Verengung vielmehr dadurch, dass die Plaque an den Gefäßwänden eine inhomogene Struktur haben kann. Assadian: „Von den Ablagerungen können sich dann leicht einzelne Bröckchen ablösen. Werden die Plaqueteilchen mit dem Blutstrom ins Gehirn gespült und verschließen sie dort kleinste Gefäße, kann dies zum lebensgefährlichen Schlaganfall führen. Tatsächlich haben rund 6000 jener 33.000 Menschen, die jedes Jahr in Österreich einen Schlaganfall erleiden, eine verengte Halsschlagader, die zu der lebensbedrohlichen Attacke führte.

Risiko höheres Alter

Das Fatale ist: Von einer Carotisstenose bemerkt man selber nichts. „Daher wird sie oft nur zufällig bei einer anderen Untersuchung entdeckt, zum Beispiel bei der Kontrolle der Schilddrüse mit dem Ultraschall“, so Assadian. Oder dann, wenn es aufgrund der Warnsignale für einen Schlaganfall wie Sehstörungen oder Lähmungserscheinungen zu einer ärztlichen Untersuchung kommt (siehe „Achtung Schlaganfall“, unten). Schlimmstenfalls findet man die gefährliche Engstelle erst nach dem Hirninfarkt.
Wie viele Menschen hierzulande mit einer verengten Halsschlagader leben, weiß man daher nicht. Assadian: „Man weiß nur, dass die Zahl der Menschen mit Carotisstenosen mit zunehmendem Alter ansteigt.“ Schätzungen zufolge sind 7,5 Prozent der Über-65-Jährigen betroffen und 15 Prozent der Über-80-Jährigen. „Männer trifft es etwas häufiger, da sie meist mehr Erkrankungen haben, die das Risiko für Carotisstenosen erhöhen“, weiß Assadian.

Oft genügen Medikamente

Hat man das Glück im Unglück, dass eine Carotisstenose frühzeitig entdeckt wurde, so muss sie jedenfalls behandelt werden. Wie das vor sich geht, hängt davon ab, wie weit das Problem bereits fortgeschritten ist. Wenn die Plaqueschicht noch so dünn ist, dass die Halsschlagader zu weniger als 50 bis 70 Prozent verstopft ist, reicht eine medikamentöse Therapie. „Diese besteht in der Einnahme von Mitteln, die die Blutgerinnung hemmen beziehungsweise die Verklebung von Blutplättchen und Blutzellen verhindern“, präzisiert Assadian. Gegebenenfalls müssen auch Medikamente eingenommen werden, die den Blutdruck, den Blutzucker oder den Anteil an schädlichem Cholesterin bzw. an Triglyzeriden senken. Dass die Raucher unter den Betroffenen ihrem Laster spätestens jetzt abschwören sollten, versteht sich von selbst.
„Ist die Halsschlagader zu mehr als 70 Prozent verengt, kann zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine chirurgische Therapie erwogen werden“, so Assadian. „Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist dann deutlich geringer.“ Sind bereits Warnsignale für einen Schlaganfall aufgetreten oder ist es gar bereits zu einem Hirninfarkt gekommen, so muss eine etwaige Carotisstenose sofort operiert werden. „Nur so kann man einem Schlaganfall vorbeugen beziehungsweise eine neuerliche Attacke verhindern“, erklärt Assadian.

Ausschälen oder Dehnen per OP

Welche Operationsmethode man wählt, hängt im Wesentlichen vom Alter der Betroffenen und von der Anatomie des Gefäßsystems ab – zwei stehen zur Wahl: die Ausschälung der Ader und das Setzen eines Drahtgeflechts (Stent), das die verengte Ader aufdehnt.
„Bei der Ausschälung wird die Halsschlagader oberhalb und unterhalb der Engstelle abgeklemmt, danach wird ein Schnitt gesetzt, die Plaque ausgeschält und die Schnittwunde vernäht“, geht der Gefäßchirurg ins Detail. Studien zeigen, dass sich diese Methode bei Patienten über 75 Jahren mit stärkeren Ablagerungen oder besonderen anatomischen Gegebenheiten des Gefäßes in Ypsilonform als die bessere Methode erwiesen hat.
Ob Stent oder Ausschälung: Nach dem Eingriff müssen die Patienten ebenfalls Medikamente nehmen, die die Blutgerinnung hemmen. Und sie tun gut daran, andere Risikofaktoren für eine neuerliche Carotisstenose zu beseitigen. „Der Erfolg der chirurgischen Eingriffe hält dann bei fast allen Patienten sehr lange an“, sagt Assadian. Nur ein bis fünf Prozent der Operierten erleiden binnen fünf Jahren nach dem Eingriff (wieder) einen Schlaganfall.

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Achtung, Schlaganfall!
Bei folgenden Warnzeichen sofort zum Arzt:

  • Kribbeln oder plötzliche Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen (meist einer Körperhälfte),
  • plötzliche Sehstörungen,
  • Schwierigkeiten beim Sprechen.

Wer eine solche sogenannte ischämische Attacke erleidet, sollte gleich zum Arzt! Denn dabei handelt es sich oft um einen Vorboten für Schlimmeres: Bei jedem zehnten Betroffenen kommt es in den folgenden Tagen zu einem Schlaganfall.

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Zu eng, zu weit:
Wenn Arterien krank sind

Engstellen
Engstellen an den Halsschlagadern (Carotisstenosen) zählen zu den häufigsten Erkrankungen der Arterien. Noch häufiger ist nur die arterielle Verschlusskrankheit der Becken- und Beinarterien, die deswegen Schaufensterkrankheit genannt wird, weil sie die Betroffenen dazu zwingt, während längerer Gehstrecken immer wieder stehen zu bleiben. Sowohl die Schaufensterkrankheit als auch die Carotisstenose kann man mit verschiedenen Mitteln in den Griff bekommen. Wichtig ist, dass zusätzlich zur ärztlichen Behandlung durch Veränderungen im Lebensstil (z. B. Rauchstopp) Risikofaktoren entschärft werden.
Bei Carotisstenosen können außerdem eine Ausschälung des Gefäßes oder das Setzen eines Drahtgeflechts (Stent) helfen. Das ist auch bei der Schaufensterkrankheit eine Möglichkeit der Therapie; als Alternative kann dabei aber auch ein Bypass zur Umleitung des Bluts um den Verschluss gelegt werden. Auch in den Nierenarterien und anderen Organarterien kann es zu Engstellen kommen, eher selten sind Arterien des Schultergürtels und der Arme betroffen.

Aussackung

In Folge von Engstellen (Arteriosklerose) kann es zu einer Schwächung der Gefäßwände kommen, die mitunter so weit führt, dass die Gefäßwand aussackt: Solche Aneurysmen entstehen oft in Beckenarterien, in der Brust- und Bauchschlagader sowie den Kniekehlenarterien.

Stand 06/2014

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