Lebenselixier Licht

März 2015 | Medizin & Trends

Warum es die Seele streichelt, wie es Krankheiten heilt
 
Wie sehr das Wohlbefinden vom Licht abhängt, wird vielen gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit wieder schmerzlich bewusst: Man ist schlecht gelaunt, ständig schlapp, kommt einfach nicht in die Gänge. Jedem Fünften setzt das Grau-in-Grau der Herbst- und Wintertage so sehr zu, dass er deswegen ärztliche Hilfe sucht. Doch Licht ist weit mehr als ein Seelenschmeichler. Weil es so wichtig für die Gesundheit ist, spielt es auch eine immer größere Rolle bei der Behandlung von Krankheiten körperlicher Natur. Für MEDIZIN populär bringen Experten die vielen gesunden Seiten des Lebenselixiers ans Licht.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Am 22. Dezember erreicht die große Dunkelheit auf der Nordhalbkugel heuer ihren Höhepunkt: Nur etwa acht Stunden ist es an diesem Tag draußen hell, nur halb so lange wie am 21. Juni, dem längsten Tag des Jahres. Unter dem Lichtmangel der Herbst- und Winterszeit verfinstert sich auch so manche Miene. Kein Wunder: Viele fühlen sich in diesen Wochen und Monaten schlicht weniger wohl in ihrer Haut. „Licht ist ein Lebenselixier“, bringt es Univ. Prof Dr. Maximilian Moser vom Institut für Physiologie an der Medizinischen Universität Graz auf den Punkt: „Der Mensch ist nicht auf ein Leben im Dunkeln ausgerichtet. Würde man ihn völlig von jeglicher Lichtquelle abschirmen, würde er wohl krank werden und sterben.“
Warum Licht so wichtig für die Gesundheit ist? „Weil es unser bedeutendster Schlaf-Wach-Rhythmusgeber ist“, erklärt Moser. Nehmen wir Licht wahr, so wird der Reiz über Zwischenstationen im Gehirn zur Zirbeldrüse weitergeleitet. Diese stoppt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin – wir werden munter und aktiv. Wird es dunkel, beginnt die Zirbeldrüse wieder, Melatonin zu produzieren. Früher oder später übermannt uns die Müdigkeit – wir schlafen ein.
Der Wechsel zwischen Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, gibt den Lebenstakt vor, der wesentliche Abläufe im gesamten Organismus dirigiert: „Über den Schlaf-Wach-Rhythmus koordiniert das Licht die lebenswichtige Arbeit und Zusammenarbeit unserer Organe“, verdeutlicht der Experte. Vom Schlaf-Wach-Rhythmus hängt auch ab, wann und in welcher Menge so wie das Schlafhormon alle übrigen Hormone gebildet werden, die Körper und Seele gesund erhalten. Beispielsweise Östrogen und Testosteron, die Lust auf Sex machen, oder Noradrenalin, das Aktivierungshormon, das das Herz-Kreislaufsystem in Schwung bringt.
Wie israelische Wissenschaftler nachgewiesen haben, hat der Lichtrhythmus darüber hinaus einen Einfluss auf die Darmbakterien, also darauf, wie gut die Verdauung funktioniert. Schließlich beeinflusst Licht die Gesundheit noch über die Haut: Nur wenn Sonnenstrahlen auf unsere äußerste Hülle treffen, kann der Körper Vitamin D bilden, das Knochen und Zähne gesund hält und das Immunsystem kräftigt. Spüren wir Sonne auf der Haut, und nehmen wir ihre Strahlen wahr, wird zudem direkt im Gehirn vermehrt Serotonin gebildet, das Hormon, das uns glücklich macht.
   
Tageslicht gegen Winterblues & Depressionen

Herkömmliche Lampen reichen nicht aus, um den jetzt vorherrschenden Mangel an Sonnenlicht gänzlich zu kompensieren. Wenn wir Tag für Tag weniger von jenen Substanzen zur Verfügung haben, die unsere Lebensgeister wecken, wie das Glückshormon oder das Aktivierungshormon, treten Winterschlaf-Erscheinungen auf. Die einen können ganz gut damit umgehen. Viele schaffen das aber nicht, weiß Univ. Prof. DDr. hc Dr. Siegfried Kasper, Leiter der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. „Sie sind bedingt durch den Lichtmangel dauernd müde, weniger leistungsfähig, fühlen sich insgesamt unwohl und sind übellaunig.“ Etwa jedem Fünften geht es in der dunklen Jahreszeit so schlecht, dass er ärztliche Hilfe sucht. Kasper, an dessen Klinik sich eine Spezialambulanz zur Behandlung von solchen saisonalen Störungen befindet, über die Therapie für Betroffene: „Beschwerden, die durch den Lichtmangel im Herbst und Winter entstehen, werden mit Licht behandelt, das UV-Licht der Sonne simuliert.“
Praktisch funktioniert das, indem sich die Patienten zuhause vor sogenannte Tageslichtlampen setzen, die um ein Vielfaches heller leuchten als alle herkömmlichen künstlichen Lichtquellen. „Empfohlen wird, sich täglich eine halbe bis eine Stunde lang von den Lampen bestrahlen zu lassen“, so Kasper. „Die Erfolge treten erstaunlich rasch auf. Die weitaus meisten Patienten, etwa 80 Prozent, spüren schon nach zwei bis vier Tagen eine deutliche Besserung.“ Bei den übrigen dauert es nur unmerklich länger, bis die Lichttherapie wirkt und das Wohlbefinden zurückkehrt.
Selbst wenn sich die als affektive Störung geltende Herbst- und Winterdepression bereits zur Vorstufe einer Depression entwickelt hat, kann eine Lichttherapie hilfreich sein. Und sogar dann, wenn die Depression nicht auf Lichtmangel zurückgeht, also eine Krankheit ist, die medikamentös behandelt werden muss, kann das Licht nützen. Die Lichttherapie helfe umso besser, wenn die ultravioletten Strahlen mit anderen Farben des Sonnenspektrums kombiniert werden: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Zusatz-Therapien mit grünem oder blauem Licht gut wirken“, informiert Kasper über jüngste Erkenntnisse. Besonders Blau lindert die Blues-typische Abgestumpftheit, wie belgische Forscher nachgewiesen haben: Indem es die Melatonin-Produktion drosselt, macht es wach und verstärkt die Reaktionen auf Emotionen.

UV- und Blaulicht gegen hartnäckige Hautkrankheiten

Ähnlich wie bei der Therapie von depressiven Verstimmungen und Depressionen spielt Licht auch bei der Behandlung von Krankheiten körperlicher Natur eine immer größere Rolle, allen voran bei Erkrankungen der Haut. Die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo), das atopische Ekzem (Neurodermitis), die Schuppenflechte (Psoriasis) und eine ganze Reihe von anderen Hauterkrankungen werden seit längerer Zeit mit Licht behandelt. Und das mit großem Erfolg. „Wird bei dieser sogenannten Phototherapie die Haut mit künstlichen UV-Strahlen behandelt, können bei Vitiligo die weißen Flecken verschwinden, da durch die Strahlen die Einwanderung von pigmentbildenden Zellen in die erkrankten Hautareale angeregt wird“, erklärt Univ. Prof. Dr. Adrian Tanew, Leiter der Phototherapeutischen Ambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie am AKH Wien. „Bei Psoriasis und Neurodermitis helfen die UV-Strahlen dem Immunsystem, die entzündlichen Prozesse zu beenden und ein Wiederaufflammen der Erkrankung zu unterdrücken.“
Noch in Studien erprobt wird die Behandlung von schweren atopischen Ekzemen wie Neurodermitis mit hochintensiv gepulstem Blaulicht. Bereits seit zwei Jahrzehnten hingegen kommt in der Dematologie die sogenannte Photodynamische Therapie zum Einsatz: Dabei werden oberflächlicher Hautkrebs, infektiöse und entzündliche Hauterkrankungen sowie sonnengeschädigte Haut mit Rotlicht bestrahlt. „Oft sind bis zur Heilung nur sehr wenige Sitzungen nötig“, weiß Tanew von der enormen Heilkraft des Lichts in seinem Fachgebiet zu berichten.

Rotes Licht gegen Verspannungen & Co

Rotes Licht setzen viele auch zur Linderung eines Leidens ein, das unter der Haut sitzt: Muskelverspannungen. „Durch Infrarotbestrahlungen wird unter der Haut Wärme erzeugt, und diese Wärme entspannt die Muskulatur“, beschreibt Dr. Robert Fritz, Allgemeinmediziner und Sportmediziner in der Sportordination Wien, die Wirkungsweise. Vor einigen Jahren entdeckte man, dass Rotlicht aber noch mehr kann, wenn es um die Behandlung von Beschwerden am Bewegungsapparat geht: Es kann Entzündungen von Sehnen, Bändern, Muskeln und sogar Gelenken lindern. In der Therapie solcher schmerzhafter Erkrankungen, die oft durch Überlastungen oder Verletzungen im Alltag oder beim Sport, aber auch durch Unfälle entstehen, hat man in der Sportordination nun schon einige Erfahrung. Fritz: „Besonders gut wirken Bestrahlungen mit gepulstem kalten Rotlicht.“ Sowohl akute, als auch chronische Entzündungen und Schmerzen klingen oft schon nach wenigen Behandlungen ab, manchmal muss die Therapie aber auch über mehrere Wochen angewendet werden, bis sich das Leiden bessert. Ob bei einer Achillessehnenentzündung oder bei Knorpelschäden, bei Arthrosen, also beginnenden entzündlichen Verschleißerscheinungen an Knie-, Hüft- oder Schultergelenksknochen: So manchem Patienten sei durch die rotlichtbedingte nebenwirkungsfreie Anregung der Selbstheilungskräfte schon eine Operation erspart worden – und ein Aufenthalt im Spital.

Mehr Licht für mehr Wohlbefinden im Spital

Auch in Krankenhäusern wird Licht neuerdings in besonderer Weise eingesetzt. Jüngstes Paradebeispiel dafür ist die Universitätsklinik für Neurologie in Graz. Welche Rolle Licht dort spielt, erklärt deren Leiter Univ. Prof. Dr. Franz Fazekas: „Wir haben eine Rundumrenovierung unseres Altbaus als Gelegenheit dafür genutzt, mit einem neuen Licht- und Farbkonzept eine Umgebung für unsere Patienten zu schaffen, die zu ihrem Wohlbefinden und indirekt bestimmt auch zu ihrer Heilung beiträgt.“ In dieser Umgebung fühlen sich aber nicht nur die Patienten, sondern auch die Mitarbeiter wohl, was deren Arbeitszufriedenheit erhöht. Das Ergebnis der Umgestaltung fiel von Raum zu Raum, Gang zu Gang und Abteilung zu Abteilung unterschiedlich aus, doch es gibt gemeinsame Nenner: „Wir sind weg von allem, was als eintönig, kühl und steril empfunden wird, und hin zum Angenehmen, Warmen und Abwechslungsreichen“, so Fazekas. „Außerdem haben wir unsere großen und hohen Fenster so in die Gestaltung einbezogen, dass wir mehr vom Tageslicht haben.“ Selbst dann, wenn die Tage kürzer werden und das Lebenselixier Licht besonders kostbar wird.

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Von Allergie bis Krebs:
Die Schattenseiten des Lichts


Sonne

So unentbehrlich das Sonnenlicht für unsere Gesundheit ist, so sehr kann die UV-Strahlung auch schaden, wenn man zu viel davon abbekommt. Von der Sonnenallergie („Mallorca-Akne“) bis zum Sonnenbrand reicht die Liste der bis heute unterschätzten Schattenseiten des Lichts: Mit jedem Sonnenbrand, den man sich zuzieht, sieht man nicht nur früher alt aus, sondern erhöht man vor allem das Risiko für Hautkrebs.

Solarium
Solarium-Betreiber versprechen viel. So soll ein Sonnenbad auf der Sonnenbank die Stimmung aufhellen und die Bildung von Vitamin D anregen, das für unsere Gesundheit wichtig ist. „Der diesbezügliche Effekt ist im Vergleich zu der Gefahr, die mit Solarium-Besuchen einhergeht, vernachlässigbar gering“, warnt der Dermatologe Univ. Prof. Dr. Adrian Tanew. Denn was für das UV-Licht der Sonne gilt, trifft auch auf die künstlichen UV-Strahlen im Solarium zu: Bei häufiger Nutzung drohen frühe Hautalterung, Hauterkrankungen und Hautkrebs.
Sowohl die UV-Strahlen der Sonne, als auch jene im Solarium können auch gefährlich für die Augen werden: Schaut man schutzlos in die Strahlen, drohen Augenentzündungen bis hin zu einem schweren Augensonnenbrand, der über Bindehaut- und Hornhautschäden sogar zur Erblindung führen kann.

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Wider den Lichtmangel:
Lichtduschen & Lichtcafés

Um dem Lichtmangel im Herbst und Winter etwas entgegenzusetzen, hat sich der Mensch schon so einiges ausgedacht. In Nordschweden, wo die Tage jetzt noch einmal um die Hälfte kürzer als bei uns sind und es nur knapp viereinhalb Stunden hell ist, ersetzte man beispielsweise an Bushaltestellen die üblichen Reklametafeln durch Spezialpaneele: große Tafeln, die extra hell leuchten. Die Lichtduschen sollen die Wartenden wach machen, sie vor Trübsinn bewahren und ihnen ein Lächeln mit auf den Weg geben.
Lichtcafés wiederum boomen inzwischen nicht nur in skandinavischen Ländern. Im deutschen Aachen etwa bietet ein Café dieser Art einen besonderen Service an: Hier können sich die Gäste nicht nur Kaffee und Kuchen bestellen, sondern auch Lichttherapiebrillen ausleihen, die – auf die Nase gesetzt – eine Extraportion Licht zuführen und den Winterblues verscheuchen sollen.
In einigen norddeutschen Städten ging man dazu über, im Winter manche Schulklassen und Büros von morgens bis mittags besonders hell auszuleuchten, was munter, aktiv – und leistungsstark macht.
Zumindest ein bisschen mehr Licht wollte sich lange Zeit auch das Städtchen Rattenberg in Tirol verschaffen, das im Winter bedingt durch die Höhe der umliegenden Berge drei Monate lang im Schatten liegt: Riesige Spiegel sollten das Sonnenlicht am Berg auffangen und in das Ortszentrum lenken. Umgesetzt wurde das Projekt in Rattenberg nie, dafür aber im norwegischen Bergdorf Rjukan, auf das gar sechs Monate pro Jahr, von September bis März, kein direktes Sonnenlicht strahlt.

Stand 02/2015

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