Leistenbruch

Oktober 2012 | Medizin & Trends

Warum frühzeitige Therapie so wichtig ist
 
Es sticht, zieht und zwickt in der Leistengegend, eine eigenartige Wölbung tritt hervor: Fast jeder zweite Mann erleidet im Lauf seines Lebens einen Leistenbruch. Wer rechtzeitig zum Arzt geht, hat heute gute Chancen, schnell wieder auf den Beinen zu sein. MEDIZIN populär über neue, schonende Operationstechniken.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Bei den einen kommt es vom schweren Heben in der Arbeit, bei den anderen vom chronischen Husten oder auch vom dauernden starken Pressen auf der Toilette. „All das erhöht den Druck im Bauchraum und kann so einen Leistenbruch verursachen“, erläutert Prim. Univ. Doz. Dr. Helmut Weiss, Vorstand der Abteilung für Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg. Auch zu viele Kilos auf den Rippen können zu einem Leistenbruch führen: „Bei Übergewichtigen ist das Bindegewebe durch die starke Belastung am gesamten Körper geschwächt, so auch in der Leistengegend“, so Weiss. „Und schwaches Bindegewebe begünstigt einen Leistenbruch.“ Auch mit zunehmendem Alter wird das Bindegewebe schwächer, weshalb Ältere eher als Jüngere zum Leistenbruch neigen. Und manchen wurde die Neigung für den Leistenbruch schlicht in die Wiege gelegt. „Auch eine angeborene Bauchwandschwäche oder ein zu weiter Leis­tenkanal erhöhen das Risiko“, sagt Weiss.  

50 Prozent trifft es irgendwann

Rund 20.000 Mal im Jahr wird die Diagnose hierzulande gestellt. Knapp 50 Prozent der Männer, also fast jeder Zweite, ist irgendwann einmal im Leben davon betroffen. Dass nur fünf Prozent der Frauen einen Leistenbruch bekommen, lässt sich durch die unterschiedliche Anatomie der Geschlechter erklären. „Bei der Entwicklung des Buben im Mutterbauch wandern die Hoden über den Leistenkanal in den Hodensack“, erklärt Weiss. Ein Vorgang, der den Leistenbereich schon vor der Geburt schwächt, bei manchen Buben sogar so sehr, dass sie mit einem Leistenbruch auf die Welt kommen.

Zwicken, Ziehen, Stechen

Eigentlich ist der Leistenbruch, in der Fachsprache der Mediziner Inguinalhernie genannt, gar kein Bruch. Vielmehr bildet sich dabei eine Lücke in der Körperhülle, die aus Bindegewebe, Muskeln und Sehnen besteht. Bemerkbar macht sich das durch „ein Zwicken, Ziehen oder Stechen in der Leistengegend, das beim Wasserlassen spürbar ist, bei Männern bis in die Hoden, bei Frauen bis in den Bereich der Schamlippen“, so Weiss. Meistens kann man den Leistenbruch auch sehen – in Form einer Wölbung der Bauchdecke nach außen.
Sobald man eines dieser Symptome an sich bemerkt, heißt es: Ab zum Arzt! „Denn ein Leistenbruch heilt nicht von selbst und ist keine harmlose Erscheinung, sondern kann sehr schmerzhaft, sehr gefährlich, sogar lebensbedrohlich werden“, sagt Weiss. Das Risiko für die Gefahren und Schmerzen ist freilich umso geringer, je früher das Leiden erkannt und behandelt wird. „Bleibt ein Leistenbruch länger unbehandelt, können Organe, die hinter dem Bruch im Bauchraum liegen, von innen in die Lücke gedrückt und eingeklemmt werden“, warnt Weiss. Wird z. B. der Darm eingeklemmt, schwillt er an und schnürt sich sozusagen selbst von der Blutzufuhr ab. Das wiederum kann zur Folge haben, dass Teile des Darms absterben, oder dass es zu einem Darmverschluss kommt – beides kann unbehandelt zum Tod führen und erfordert eine sofortige Operation. Sobald wie möglich operieren sollte man auch, wenn die Blase durch die Lücke hervortritt und einklemmt wird.

Operation als beste Therapie

Eine Notoperation kann sich ersparen, wer die Beschwerden nicht ignoriert, sondern frühzeitig ärztliche Hilfe sucht. Der Arzt diagnostiziert den Leistenbruch, indem er den Patienten nach seinen Beschwerden fragt, die Leiste anschaut und abtastet. Mit einer Ultraschalluntersuchung kann ausgeschlossen werden, dass eine Blinddarmentzündung besteht, die sich manchmal ähnlich äußert. Steht fest, dass ein Leistenbruch die Wurzel des Übels ist, gilt für nahezu alle Betroffenen eine Operation als beste Therapie. „Nur in sehr wenigen Fällen sollte der Leistenbruch besser nicht operiert werden“, schränkt Weiss ein: Dann etwa, wenn der Patient eine Leberzirrhose hat oder an Bauchwassersucht leidet. Beides führt dazu, dass der Druck vom Bauchinneren aus zu groß für eine Operation ist. Auch Blutgerinnungsstörungen, die nicht in den Griff zu kriegen sind, sprechen gegen einen Eingriff. „Den wenigen Betroffenen hilft ein Bauchband, das um den Leistenbruch herum angelegt wird und das Einklemmen von Organen verhindert“, sagt Weiss.

Oft nur Minischnitte nötig

Wer rasch einen Arzt aufsucht, kann auch damit rechnen, dass die Operation äußerst schonend ist – neue Techniken machen das möglich. Ist der Bruch noch klein, kann meistens nach der sogenannten Schlüssellochmethode operiert werden, bei der über drei Minischnitte gearbeitet wird, die im Nabelbereich in den Bauch gestochen werden. „Die Operationswunden sind dann so klein, dass sie kaum schmerzen und sehr rasch ausheilen “, sagt Weiss, an dessen Abteilung bereits 400 solcher Eingriffe gemacht wurden, was weltweit ein Spitzenwert ist. So erholen sich die Patienten nach der Operation schnell, können bald wieder vom Spital nachhause gehen und ihr gewohntes Leben aufnehmen.
Ist es nicht möglich, über die Minischnitte zu operieren, etwa weil der Leistenbruch schon ausgeprägter ist, müssen nach wie vor Schnitte im Leistenbereich gesetzt werden. Weiss: „Meistens reicht es, wenn die Schnitte nur drei Zentimeter lang sind, manchmal braucht man aber auch sieben oder acht Zentimeter.“ Wo diese Schnitte gesetzt werden, hängt von der individuellen Problemlage ab und ist daher unterschiedlich. Egal, wie groß sie sind: Vom Setzen der Schnitte merken die Patienten nichts. „Wie der Eingriff auch gemacht wird, er erfolgt fast immer unter Vollnarkose“, sagt Weiss. Nur wenn aus medizinischen Gründe keine Vollnarkose möglich ist oder der Patient dies nicht möchte, wird nach einem Kreuzstich oder einer Lokalanästhesie operiert.

Kunststoffnetz schließt Lücke

Über die Schnitte werden die Bindegewebsteile und die Muskeln wieder so zusammengefügt, dass keine Lücke mehr besteht. Oft wird dafür heutzutage ein Kunststoffnetz eingeführt, das entweder vom Inneren der Bauchhöhle her oder im Bereich zwischen dem Bauchfell und der Muskulatur die Lücke schließt. Um das Netz zu fixieren, braucht man keine Nähte: Der Bauchinnendruck und der Gegendruck der Bauchmuskulatur geben dem Netz Halt. „Das Kunststoffnetz verwächst nach und nach mit dem umliegenden Gewebe und schließt so nicht nur die bestehende Lücke, sondern beugt auch weiteren Leistenbrüchen vor“, so Weiss.
Manche Netze lösen sich von selbst auf, sobald die Bauchdecke von sich aus wieder stabil genug geworden ist. Nur wenn der Leistenbruch bereits sehr stark ausgeprägt ist, reicht das Netz nicht aus, dann müssen Gewebe- und Muskelschichten nach wie vor zusammengenäht werden.
Bei Buben, die mit einem Leistenbruch auf die Welt kommen, und auch bei betroffenen Kindern reichen immer Minischnitte, durch die die auseinanderklaffenden Gewebsteile und Muskeln zusammengeführt und zusammengenäht werden – ein leichter Eingriff, von dem sich die kleinen Patienten meistens sehr schnell erholen.

Bald wieder fit für den Alltag

Wie schnell die erwachsenen Operierten nichts mehr vom Leistenbruch und dem Eingriff merken, das hängt, so Weiss, von der Ausprägung des Leistenbruchs, der Schwere der Operation und der Konstitution des Patienten ab. „Die meisten Operierten können aber bereits nach einer Woche in ihren normalen Alltag zurückkehren.“ Drei bis fünf Wochen dauert es, bis alles wieder wie vorher ist, also auch wieder Schweres gehoben und Sport betrieben werden darf.

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