Rauchen ist Gift für die Blase

März 2007 | Medizin & Trends

Nikotinmissbrauch als Hauptursache für Blasenkrebs
 
Der Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Nikotinmissbrauch ist inzwischen allgemein bekannt. Kaum herumgesprochen hat sich bisher die Tatsache, dass Rauchen die Hauptursache für Blasenkrebs ist. Das Leiden ist eine der häufigsten bösartigen Erkrankungen von Männern über 50, doch mittlerweile trifft es auch immer mehr Frauen.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

Der Schrecken war groß, als Kathrin W. das Blut im Urin bemerkte. Sie erkannte den Ernst der Lage und suchte gleich ihren Hausarzt auf, der sie sofort zur urologischen Abklärung des Problems überwies. Noch am selben Tag erhielt die damals 39-Jährige die Diagnose: Blasenkrebs. Eine Woche später wurde sie operiert.
Kathrin hatte Glück im Unglück. Der Tumor lag an der Oberfläche der Blasenschleimhaut, das krankhafte Gewebe konnte gut entfernt werden. Das ist jetzt vier Jahre her. Noch immer muss Kathrin regelmäßig zur Nachsorge, denn bei Blasenkrebs ist die Rückfallquote hoch. Die Angst ist jedes Mal groß, wenn die mittlerweile 43-Jährige wieder zur Blasenspiegelung geht, die Erleichterung ebenso, wenn der Befund wieder einmal unverdächtig war und sich kein neuer Tumor gebildet hat.
Die positive Folge ihrer Erkrankung: Seit vier Jahren hat Kathrin keine Zigarette mehr angerührt. „Die Ärzte haben mir damals gesagt, dass Rauchen ein Hauptauslöser für Blasenkrebs ist. Das hätte ich nie vermutet“, erinnert sie sich. „Natürlich weiß man über viele schlimme Folgen des Rauchens Bescheid, aber dass es auch Gift für die Blase ist, hätte ich mir nicht gedacht.“

Frauen holen auf
Kathrin zählt zu jenen fünf Prozent, die die Krankheit schon in jüngeren Jahren befällt. Der Altersgipfel bei Blasenkrebs liegt aber zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Männer sind zwei bis drei Mal häufiger betroffen als Frauen. Laut Österreichischer Krebshilfe wurde in den letzten 20 Jahren in den Industrieländern eine Zunahme der Blasenkrebsfälle verzeichnet. Vor allem die Frauen holen auf, was Experten darauf zurückführen, dass der Nikotinmissbrauch zunehmend weiblich wird. In Österreich ist der Anteil der Raucherinnen in den letzten 20 Jahren um 34 Prozent gestiegen, jener der Raucher um zwölf Prozent gesunken. Hierzulande rauchen inzwischen fast so viele Frauen (46,5 Prozent) wie Männer (48,1 Prozent).
„Raucher haben ein fünf bis sechs Mal höheres Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken, als Nichtraucher. Schlechtere Aussichten haben Raucher aber auch in Hinblick auf das Wiederkehren des Tumors und hinsichtlich dessen Aggressivität“, warnt Dr. Karl Dorfinger, Facharzt für Urologie in Wien, und erklärt den Zusammenhang: „Die zahlreichen im Tabakrauch enthaltenen Giftstoffe gelangen über die Lunge in den Blutkreislauf und werden durch die Nieren in den Harn abgegeben. Vor allem die Harnblase ist einer längeren krebserregenden Einwirkung dieser Stoffe ausgesetzt, da der Harn dort ja bis zur Entleerung gespeichert wird. Es gilt daher: Je früher Raucher ihre Sucht besiegen, desto eher können langfristige Einwirkungen dieser Stoffe unterbunden und damit die Blasenkrebsentwicklung verhindert werden.“
Neben Zigarettenrauch gilt der länger andauernde Kontakt mit bestimmten chemischen Stoffen wie Anilin oder Naphthalin, die in der Färbe-, Gummi- und Lederindustrie verwendet werden, als Risikofaktor. „Hingegen konnte eine eindeutige Vererbung von Blasenkrebs bisher nicht nachgewiesen werden und auch zum aktuellen Thema Umweltverschmutzung und Feinstaub existieren bis heute keine gesicherten Daten, die auf einen Zusammenhang mit Blasenkrebs hinweisen“, ergänzt Dr. Dorfinger.

Keine eindeutigen Warnsignale
Blasenkrebs bleibt oft lange im Verborgenen, da er häufig keine eindeutigen Warnsignale aussendet und lange Zeit keine Beschwerden verursacht. Blut im Urin bedeutet Alarmstufe Rot. „Vor allem bei deutlich blutigem Harn ohne zusätzliche Symptome sollte rasche Klärung erfolgen. Diese so genannte schmerzlose Makrohämaturie ist das Leitsymptom bei Blasenkrebs“, erklärt Dr. Dorfinger.
Brennen beim Wasserlassen, vermehrter Harndrang, und Stechen nach der Entleerung sind zwar typische Beschwerden einer Blasenentzündung, können aber auch Symptome eines Blasentumors sein. All diese Anzeichen sollten also unbedingt urologisch abgeklärt werden. Auch wer wiederholt an einer Blasenentzündung leidet, sollte sich gründlich untersuchen lassen. Denn wie bei anderen Krebsarten gilt auch beim Harnblasenkrebs: Je früher er erkannt wird, desto größer ist die Heilungschance.

Die modernen Mittel der Diagnose
Labor-, Röntgen- und Ultraschalluntersuchung, Blasenspiegelung und Gewebsentnahme (Biopsie) werden von Ärztin oder Arzt auf dem Weg zur Diagnose durchgeführt. Die Blasenspiegelung ist zentraler Bestandteil der Untersuchung. „Dafür wird unter örtlicher Betäubung eine dünne Sonde durch die Harnröhre in die Blase eingeführt. Mit diesem Zystoskop kann die Schleimhaut der Blase unter Beleuchtung wie mit einer Lupe systematisch nach verdächtigen Stellen abgesucht werden“, erklärt der Urologe.
Da es in seltenen Fällen auch Tumore gibt, die an der Schleimhautoberfläche nicht in Erscheinung treten, kann man auch eine spezielle Form der Blasenspiegelung mit fluoreszierenden Farbstoffen durchführen, die selbst geringste Veränderungen der Schleimhaut erkennbar machen. „Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Harnzytologie, also die Untersuchung abgeschilferter Blasenschleimhautzellen aus dem Harn. Durch Zentrifugation werden sie angereichert, chemisch gefärbt und dann im Mikroskop genau untersucht. Dabei können vor allem sehr aggressive Tumore aufgedeckt werden, denn diese weisen ein stark abweichendes Zellbild im Vergleich zu normalen Blasenschleimhautzellen auf. Tumore, die nicht so aggressiv sind, kann man mit anderen Labortests finden, die bestimmte Zelloberflächeneigenschaften erkennen“, erklärt Dr. Dorfinger die modernen Mittel der Diagnostik.

Wie schlimm ist es?
Wurde Blasenkrebs diagnostiziert, gilt es das Ausmaß der Erkrankung festzustellen, um die richtige Behandlungsmethode bestimmen zu können. Wie weit hat sich der Krebs ausgebreitet? Gibt es Metastasen, also Tochtergeschwülste? Liegt der Tumor an der Oberfläche der Blasenschleimhaut oder hat er tiefere Gewebsschichten, den Blasenmuskel oder sogar benachbarte Organe befallen? All diese Fragen werden nun mit speziellen Untersuchungsmethoden (Computertomographie, Kernspintomographie etc.) geklärt. „Zunächst ist das Ausschälen des Tumors das Mittel der Wahl. Dabei wird das krankhafte Gewebe möglichst zur Gänze mittels einer Elektroschlinge durch die Harnröhre entfernt“, so Urologe Dorfinger.
Findet man bei der anschließenden Untersuchung des entnommenen Gewebes im Mikroskop (Biopsie) an den Rändern des Gewebes keine Tumorzellen mehr, ist die Behandlung damit in den meisten Fällen abgeschlossen. Das ist bei etwa 70 Prozent der Blasenkrebspatienten der Fall. Allerdings müssen sie regelmäßig zur Nachsorge, um ein Wiederauftreten von bösartigen Blasengeschwülsten rechtzeitig zu erkennen. Die Rückfallquote ist auch bei den oberflächlichen Stadien des Blasenkrebses sehr hoch.
In manchen Fällen werden Medikamente in die Blase eingebracht (Chemo- und/oder Immuntherapeutika), um einen Rückfall möglichst zu verhindern. „Die besten Erfolge werden dabei interessanterweise mit einem Medikament erreicht, das stark abgeschwächte Tuberkelbakterien, also Auslöser der Tuberkulose, enthält. Wird dieses Mittel in die Blase gespritzt und bleibt es dort für einige Minuten zur Einwirkung, erzeugt es eine örtliche Entzündungsreaktion, die das allgemeine Abwehrsystem aktiviert und damit auch die Bekämpfung eventuell vorhandener oder nachwachsender Tumorzellen bewirkt“, erklärt Dr. Dorfinger und fügt hinzu: „Die Kontrolluntersuchungen müssen in jedem Fall in den ersten zwei Jahren alle drei Monate, dann in größeren Abständen durchgeführt werden. Die bei weitem am häufigsten auftretenden oberflächlichen Tumore haben eine Rückfallquote von zehn bis 20 Prozent. Aggressivere Formen kehren in bis zu 100 Prozent der Fälle wieder. Lebenslange Kontrollen sind dann unumgänglich.“

Neue Blase aus Darm
Bei aggressivem Blasenkrebs, der tiefere Schichten der Blase betrifft, muss die Harnblase teilweise, oft aber ganz entfernt werden. Für Patienten, die um diesen Eingriff nicht herumkommen, bedeutet das aber nicht, dass sie von nun an mit einem künstlichen Blasenausgang leben müssen. Wenn bestimmte medizinische Voraussetzungen gegeben sind, kann aus einem Stück Dünn- oder Dickdarm eine Ersatzblase angelegt werden. Sie lässt sich mit den Harnleitern und der Harnröhre so verbinden, dass eine nahezu natürliche Urinausscheidung möglich ist.
Nicht bei allen Blasenkrebspatienten bringt die Operation Heilung. Um einem neuerlichen Auftreten der Krankheit vorzubeugen, können zusätzlich zur Operation Chemo- und Strahlentherapie eingesetzt werden. „Neue Medikamente, die in diesem Zusammenhang noch wirksamer sind, befinden sich bereits in Entwicklung“, berichtet Dr. Dorfinger über den aktuellen Stand der Medizin. „Am besten ist es aber“, sagt der Arzt, „wenn keine Medikamente notwendig werden und das Gift für die Blase, nämlich das Rauchen, vermieden wird!“

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So funktioniert die Blase
Organ mit Speicherungs- und Entsorgungspflicht

Ob am Tag oder in der Nacht: Im Körper laufen ununterbrochen Vorgänge ab, bei denen Stoffe entstehen, die nicht mehr verwertet werden können. Sie müssen über den Urin oder den Stuhl ausgeschieden werden. Feste Bestandteile werden über den Darm, flüssige über die Harnwege abgeleitet.

Dabei gelangt der Harn von der Niere zunächst in das Nierenbecken. Von dort fließt er durch einen der beiden 25 bis 30 Zentimeter langen Harnleiter in die Blase, wo er bis zur Ausscheidung über die Harnröhre gesammelt wird. Sowohl ein „innerer“, unwillkürlicher Schließmuskel am Übergang von der Blase zur Harnröhre, als auch ein „äußerer“, dem Willen unterworfener Beckenbodenmuskel kontrollieren den Harnabfluss. Bei Männern verläuft die 20 bis 25 Zentimeter lange Harnröhre durch die Prostata und den Penis bis zur Eichel. Bei Frauen ist die Harnröhre nur etwa drei bis fünf Zentimeter lang. Sie geht von der Blase direkt durch den Beckenboden und mündet in den Scheidenvorhof.

Die Harnblase ist ein sehr dehnbarer, mit Schleimhaut ausgekleideter Hohlmuskel. Je nachdem, ob Urin gespeichert oder ausgeschieden wird, kann sie größer oder kleiner werden. Beim erwachsenen Menschen kann sie normalerweise bis zu einen halben Liter Flüssigkeit speichern, Harndrang setzt bereits bei ungefähr 250 Milliliter ein. Allerdings gibt es beim Harndrang große individuelle Unterschiede, die einerseits von der Gewöhnung und andererseits von möglichen Krankheiten abhängen. Bis zu acht Mal pro Tag Wasserlassen ist normal, weniger als drei Mal sollten es auch nicht sein.

Häufige Erkrankungen der Blase
   

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