Wenn man den 50er hinter sich hat und mit den Jahren der Stoffwechsel langsamer wird, schlagen Ernährungssünden schneller zu Buche. MEDIZIN populär erklärt, warum es nie zu spät ist, sich das Mittelmeer in die Küche zu holen, um länger gesund und schlank zu bleiben. Mit einem Rezept von Starkoch Johann Lafer.
Von Mag.Sabine Stehrer
2002 ließen 24 Männer im Alter von 28 Jahren und ebenso viele 70-Jährige an der University of Southern California in Los Angeles die Hosen hinunter und zeigten Bein. Sinn der Aktion war die Vermessung der Muskulatur an den Waden und Oberschenkeln. Das Ergebnis: Die Älteren hatten alle ein kleineres Muskelvolumen als die Jüngeren, und zwar um durchschnittlich zehn Prozent. Das, obwohl die Männer beider Gruppen ähnlich groß, ähnlich schwer und untrainiert waren.
Der Grundumsatz sinkt
Damit war bestätigt, was auch schon bei vergleichbaren Untersuchungen davor herausgekommen war: Mit zunehmendem Alter schwinden die Muskeln dahin, zugleich reduziert sich die Knochenmasse, die inneren Organe schrumpfen, die Haut zieht sich zusammen, der Stoffwechsel wird langsamer. Und der Körper benötigt immer weniger Energie, um seine Grundfunktionen aufrechtzuerhalten, also etwa die Atmung zu ermöglichen, den Herzschlag zu betreiben und die Körpertemperatur konstant zu halten. Man weiß auch, um wie viel weniger Energie man mit zunehmendem Alter braucht: Ab dem 30. Lebensjahr sinkt der so genannte Grundumsatz um drei Prozent pro Lebensjahrzehnt, ab dem 50er schon etwas schneller, und ab dem 60er nimmt er bereits um 1,5 Prozent pro Jahr ab.
„Dementsprechend sollte man mit den Jahren darauf achten, die Menge an Kalorien zu reduzieren, die man täglich zu sich nimmt“, sagt Primaria Univ. Prof. Dr. Monika Lechleitner, Fachärztin für Innere Medizin am Landeskrankenhaus Hochzirl in Tirol, die sich auf Ernährung im Alter spezialisiert hat.
Der Qualitätsanspruch steigt
Um auch in der zweiten Lebenshälfte gesund und fit zu bleiben, reicht es aber nicht, nur den Konsum kalorienreicher Köstlichkeiten einzuschränken und insgesamt genauer als früher darauf zu achten, wie viel man isst. Auch die Qualität der Nahrungsmittel, die auf den Teller kommen, spielt eine immer wichtigere Rolle. Vor allem die Generation 50plus sollte darauf achten, Hochwertiges zu sich zu nehmen, das besonders viel Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe enthält, rät die Vereinigung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Ernährungsgesellschaften. Für den idealen Nahrungsmix hat sie ein Rezept erstellt:
Der ideale Nahrungsmix:
50 % Kohlenhydrate (aus Getreideprodukten, Kartoffeln und Hülsenfrüchten)
30 % Fette (möglichst hochwertig, z.B. Oliven- und Leinöl)
10-15 % Eiweiß (aus Fleisch, Fisch, Eiern, Milch oder Sojaprodukten)
5 x täglich eine Handvoll Obst und/oder Gemüse
1,5-2 Liter Flüssigkeit pro Tag (am besten Wasser)
Univ. Prof. Dr. Lechleitner: „So einen Mix wie den empfohlenen bekommt man am einfachsten zusammen, wenn man sich mediterran ernährt, also mit einer Kost, wie sie in Griechenland, Italien und Spanien üblich ist.“ Dort wird vieles mit Öl zubereitet, außerdem ist der Anteil kohlenhydratreicher Nahrungsmittel wie Brot, Kartoffeln oder Nudeln sowie die Menge des verwendeten Frischgemüses und Obstes vergleichsweise hoch. Und auch der erhöhte Proteinbedarf wird bei gleichzeitig niedriger Kalorien- und Fettzufuhr auf ideale Art und Weise gedeckt, wenn man statt zum Schweinsbraten mit fetter Schwarte zum Fisch greift.
Die traurige Realität
Bei den so genannten Paderborner Seniorenstudien, die vor einigen Jahren mit Seniorinnen und Senioren im Alter ab 65 Jahren durchgeführt wurden, stellte sich heraus, dass sich allerdings die wenigsten Älteren und Alten so ernähren, wie es Ernährungsmediziner und Ernährungswissenschaftler für richtig halten und empfehlen. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer führten Essprotokolle. Daraus ging hervor, dass 20 Prozent der älteren Frauen und Männer zum Beispiel nur ein- bis zweimal pro Woche Obst und Gemüse oder Milch und Milchprodukte zu sich nehmen. Oft noch seltener essen sie hochwertiges Eiweiß, wie es in Eiern oder Fisch zu finden ist.
Wie seit eh und je stehen bei den meisten stattdessen mehrmals täglich Fleisch und Wurst auf dem Speiseplan, und das, obwohl sie bereits unter den Folgen ihrer langjährigen unvernünftigen Ernährungsweise leiden: Viele haben Übergewicht und laborieren an verschiedenen damit einhergehenden Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems, andere schlagen sich mit Typ-2-Diabetes herum oder leiden an ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen wie zum Beispiel Gicht.
In der Generation 75plus haben hingegen die meisten das Problem, dass sie statt zu viel Appetit zu wenig haben, etwa weil sie nicht mehr richtig kauen können, den Geschmack von Speisen nicht mehr so intensiv wie früher wahrnehmen oder weil sie vereinsamt sind und keine Lust haben, zu essen, wenn sie allein am Tisch sitzen. Wenn die Ernährung nicht nur schlecht, sondern noch dazu so mangelhaft ist, dass sie zu Untergewicht führt, steigert das laut Univ. Prof. Dr. Lechleitner noch die Gefahr, dass Krankheiten wie Osteoporose, Demenz oder Depressionen ausgelöst werden, beziehungsweise kann eine energiearme und wertlose Ernährung bei bestehenden Alterskrankheiten den Krankheitsverlauf beschleunigen.
Jetzt das Ruder herumreißen!
„Die gute Nachricht ist, dass jemand, der auf eine gesunde Ernährung achtet, den genannten Krankheiten und Beschwerden vorbeugen kann“, sagt Univ. Prof. Dr. Lechleitner und nennt als Beweis dafür die Finnische Diabetes-Präventionsstudie. An dieser Studie nahmen 522 ältere Versuchspersonen teil, die bereits übergewichtig waren und die Neigung zur Entwicklung von Typ-2-Diabetes zeigten. Die Hälfte der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer änderte nichts, die andere Hälfte nahm an einem Lebensstiländerungsprogramm teil, das aus einer Ernährungsumstellung und regelmäßiger sportlicher Betätigung bestand. Das Ergebnis: Unter den Frauen und Männern, die ihren Lebensstil verändert hatten, war einige Jahre später die Rate der Diabeteserkrankungen um 58 Prozent niedriger als in der Gruppe der Versuchspersonen, die nicht daran geglaubt hatten, das Ruder noch einmal herumreißen zu können und ihre schlechten Lebensgewohnheiten beibehalten hatten.
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Die optimale Kalorienzufuhr:
So sinkt der Energiebedarf
Während ein 30-jähriger Mann mit einem Gewicht von 80 kg bei sitzender Tätigkeit und bei mäßiger körperlicher Aktivität zirka 2550 kcal am Tag braucht, benötigt er mit 55 Jahren unter den gleichen Voraussetzungen schon um zirka 200 kcal weniger, also nur noch 2350 kcal, und als 75-Jähriger kommt er mit 2150 kcal am Tag aus.
Der Kalorienbedarf der Frau ist aufgrund der von Natur aus geringeren Muskelmasse kleiner, so Univ. Prof. Dr. Lechleitner, „die altersgerechten Reduktionen sind aber ähnlich dimensioniert“. Das heißt: Wenn eine 30-jährige, 60 kg schwere Frau 1650 kcal am Tag braucht, benötigt sie mit 55 nur noch 1450 kcal, und mit 75 Jahren kommt sie mit 1250 kcal aus.
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Mittelmeer auf dem Teller: Starkoch Johann Lafer empfiehlt
KRÄUTER-GNOCCHI MIT GAZPACHO-DRESSING
Zutaten für 4-6 Portionen
1 rote Paprikaschote
1 gelbe Paprikaschote
1/2 Salatgurke
1 rote Zwiebel
1 Knoblauchzehe
150 ml Tomatensaft
3 EL Rotweinessig
6 EL Olivenöl
Salz, Pfeffer
100 g gemischte Kräuter
(z.B. Petersilie, Majoran, Estragon, Bärlauch)
400 g Ricotta
3 Eigelb
50 g geriebener Parmesan
150 g Mehl
50 g Butter
Kräuterblätter zum Bestreuen
Paprika vierteln, Kerne und Strunk entfernen. Die Viertel in kleine Würfel schneiden. Gurke schälen, der Länge nach vierteln, Kerne herausschneiden. Gurkenviertel klein würfeln. Zwiebel schälen und ebenfalls klein würfeln.
Knoblauch schälen, fein reiben und mit Tomatensaft, Essig und Olivenöl verquirlen. Gemüsewürfelchen unterrühren und das Dressing mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Kräuter waschen, trocken schleudern und fein hacken. Zusammen mit Ricotta, Eigelb, geriebenem Parmesan und Mehl zu einem glatten Teig verkneten. Teig mit Salz und Pfeffer kräftig abschmecken.
Gnocchi-Teig in vier Stücke teilen, diese auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu Rollen formen und in etwa 2 cm lange Stücke schneiden.
Gnocchi in leicht kochendes Salzwasser geben und darin etwa 5 Minuten garen. Anschließend herausheben, etwas abtropfen lassen, in zerlassener Butter anbraten und mit dem Dressing anrichten. Einige Kräuterblätter darüber streuen und servieren.
BUCHTIPP
Johann Lafer, Univ. Prof. Dr. Helmut Brussee, Univ. Prof. DDr. Robert Gasser
So schmeckt das Leben! Verlagshaus der Ärzte 2006,
ISBN 978-3-901488-89-4