Zahlreiche Hobbyfußballer verausgaben sich auf dem Spielfeld – und die Ärztinnen und Ärzte haben alle Hände voll zu tun: Fast die Hälfte aller Sportverletzungen sind auf das Fußballspielen zurückzuführen. In MEDIZIN populär erklärt ein Experte, wie man bei dem Ballsport nicht nur Tore erzielt, sondern dabei fit und gesund bleibt.
Von Mag. Alexandra Wimmer
Gleich nach der Schule schlüpft der 15-jährige Sebastian in den Fußballdress und saust zum nahe gelegenen Sportplatz, wo er sich freitags immer mit Freunden zum Kicken trifft. Da wird gekämpft und getrickst – ganz nach dem Vorbild der international gefragten Ballakrobaten. Ein gelungener Kopfball sorgt schließlich für das entscheidende Tor und löst Jubelschreie in Sebastians Mannschaft aus.
Fördert Fitness und Teamgeist
Viele Jugendliche messen und beweisen sich wie Sebastian im Kampf um das runde Leder. „Sehr gut“, attestiert der Linzer Sportmediziner und Teamarzt des LASK Dr. Milan Toljan. Besonders Jugendlichen bringt das Fußballspielen nicht nur gesundheitliche, sondern auch wichtige soziale Vorteile, stärkt es doch den Teamgeist und das Gefühl von Dazugehörigkeit. „Beim Fußball können sich auch jene, die körperlich nicht so fit oder vielleicht sogar dicklich sind, im Team behaupten“, erklärt Dr. Toljan. Der Ballsport begeistert nicht nur die Jugend, sondern Bewegungshungrige jeden Alters und hilft ihnen beiläufig, Fitness auf- und Alltagsstress abzubauen. Beim Fußballspielen – in Österreich neben dem Skifahren die beliebteste Sportart – wird der Körper vielfältig gefordert: „Man trainiert dabei die Ausdauer, die Kraft und die Koordination. Außerdem ist es eine gute Grundlage für andere Ballsportarten wie Tennis oder Golf“, erläutert Dr. Toljan.
Frauen und das Knie
Der Jagd auf das runde Leder verschreiben sich auch immer mehr Mädchen und Frauen – der Frauenfußball ist stark im Kommen. Empfehlenswert sei das Kicken für Mädchen ab sieben, acht Jahren, so Dr. Toljan. „In der Vorpubertät können sie gut in gemischten Mannschaften mitspielen – und mithalten. Sie spielen genauso gut wie die Jungs.“ Das ändert sich mit der Pubertät: „Durch den Anstieg des Hormonspiegels kriegen die Buben Muskeln und sind dadurch den Mädchen überlegen“, erklärt der Sportmediziner. Ab dann sind die jugendlichen Spielerinnen besser in einem Mädchenteam aufgehoben.
Um Verletzungen vorzubeugen, sollten kickende Frauen ein besonderes Augenmerk auf die Kniegelenke legen – der Kreuzbandriss trifft Frauen viermal so oft wie Männer. Wesentlich ist die richtige Sprungtechnik. „Frauen landen – auch beim Skifahren – nach dem Sprung oft mit X-Beinen. Es ist aber extrem wichtig, breitbeinig zu landen“, betont Dr. Toljan.
Teamsport und Zweikampf
Auch bei den Männern ist der Kreuzbandriss die häufigste, am meisten gefürchtete Verletzung. „Nach jedem Wochenende behandle ich zehn Hobbyfußballer mit gerissenem Kreuzband“, berichtet Dr. Toljan aus seiner Praxis, dem Sportmedizinischen Institut Linz. Überhaupt zählt der Ballsport zu den besonders gefährlichen Sportarten – rund 40 Prozent aller Sportverletzungen sind auf das Fußballspielen zurückzuführen. Warum eigentlich? „Beim Fußball handelt es sich um eine Zweikampfsportart mit Kontakt zum Gegenspieler, Verletzungen lassen sich deshalb schwer vermeiden“, erklärt Dr. Toljan. Da ist Fairplay gefragt, gegenüber den Mitspielern, aber auch gegenüber der eigenen Gesundheit: Beim Aufwärmen lassen sich Körper und Gelenke auf das mitunter aggressive Spielen vorbereiten. Im Prinzip genügt es, sich zehn Minuten lang warm zu laufen. „Es reicht, wenn man dabei langsam läuft, bis man leicht ins Schwitzen und außer Atem kommt“, empfiehlt Dr. Toljan. Von speziellen Dehnungsübungen hält er wenig. „Durch das langsame Laufen wird der Körper ohnedies leicht gedehnt, die Muskulatur wird durchblutet und erwärmt.“
Männer und der Blutdruck
Im Gegensatz zum Ausdauersport, mit dem sich z. B. ein leicht erhöhter Blutdruck „kurieren“ lässt, ist der Fußballsport keine „Medizin“, warnt Dr. Toljan. Im Gegenteil: „Hier werden mitunter sehr hohe Pulsfrequenzen erreicht, die jemandem mit hohem Blutdruck gefährlich werden können.“ Gerade Männer ab der Lebensmitte unterschätzen das gesundheitliche Risiko. „Bei Männern zwischen 40 und 50 ist es oft so, dass der Blutdruck steigt. Die beim Spielen erreichten hohen Pulsfrequenzen wirken sich belastend auf das Herz-Kreislaufsystem aus.“ Einmal im Jahr sollte deshalb jeder Freizeitsportler ab 40 das Herz eingehend untersuchen lassen. Und bei hohem Blutdruck im Alter lässt man das Kicken besser ganz bleiben.
O-Beine oder nicht?
Gesundheitlich weniger gefährlich, dafür von Experten umstritten ist das Phänomen der O-Beine im Fußball. Dass das Fußballspielen krumme Beine macht, ergibt etwa eine Studie des belgischen Sportwissenschaftlers Dr. Erik Witvrouw mit 500 Testpersonen. Demnach neigen schon 13-Jährige zu O-Beinen und jeder vierte Fußball spielende Erwachsene weist stark verbogene Beine mit deutlich sichtbarer O-Form auf. Die Ursache dafür sei eine nicht symmetrische Krafteinwirkung auf die Kniegelenke.
Ganz anders sieht das Sportarzt Toljan: „Fußballspielen macht keine O-Beine“, ist er überzeugt. Lediglich bei älteren Fußballern bilden sich nach einer Meniskusoperation öfters O-förmige Beine: „Früher hat man bei der Operation große Anteile vom Meniskus herausgeschnitten, damit fehlte im Knie der Stoßdämpfer. Durch die Beanspruchung kam es nach und nach zu O-Beinen.“
Fazit: Das Fußballspielen ist ein vielseitiger und attraktiver Sport, birgt aber eine hohe Verletzungsgefahr. Ist es da nicht letztlich gesünder, dem Ballsport auf der Couch im Patschenkino zu frönen? Keineswegs, betont Sportarzt Dr. Toljan: „Der gesundheitliche Aspekt ist weitaus höher einzuschätzen als die Verletzungen, so traurig sie sind.“
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INTERVIEW
Die Achillesferse der Fußballprofis
Als betreuender Teamarzt des LASK kennt der Linzer Sportmediziner Dr. Milan Toljan sie genau – die großen und kleinen Wehwehchen der professionellen Ballartisten.
MEDIZIN populär hat ihn dazu befragt.
MEDIZIN populär: Herr Dr. Toljan, welche gesundheitlichen Probleme treffen Profispieler besonders oft?
Dr. Milan Toljan: Spitzenfußballer haben eine leicht erhöhte Arthroserate. Die Beschwerden aufgrund der Abnutzung von Sprung- und Kniegelenken sind bei ehemaligen Leistungsfußballern um rund 15 Prozent erhöht.
Haben Mittelfeldspieler andere Herausforderungen als z. B. Verteidiger?
Nein, die Probleme sind ähnlich. Bedingt durch die Belastung beim Schießen und Passen sind Sehnenansatzverletzungen und Leistenbeschwerden typische Fußballerprobleme. Dazu kommt, dass die Spieler vor Prellungen und Blutergüssen – im Gegensatz etwa zu Eishockeyspielern – nicht geschützt sind.
Und was sind die Schwächen der Tormänner?
Die haben auffällig oft Hüftprobleme. Auch wenn sie beim Match oft nicht so gefordert sind, beim Training müssen sie sich mitunter 50-mal auf die Hüften werfen. Ich kenne einige ehemalige Torwarte, die jetzt ein künstliches Hüftgelenk haben.
In den 1970ern litten Spieler durch Kopfstöße immer wieder unter Kopfschmerzen, auch „Fußballer-Migräne“ genannt. Als Ursache galt, dass die Lederbälle um rund ein Fünftel schwerer sind, wenn sie nass werden. Ist da was dran?
Diese Kopfschmerzen sind im Profisport heute kein Thema mehr. Die Bälle sind mit wasserdichtem Kunststoff überzogen und immer gleich schwer.
Wie viel Ausdauer braucht ein Profispieler?
Man braucht eine gut ausgebildete Grundlagenausdauer. Profispieler laufen während eines Spiels mehr als zehn Kilometer. Da muss auch das Herz-Kreislaufsystem in Ordnung sein.
Apropos: Zuletzt gab es mehrere Herztote unter den Profispielern. Hat man daraus Konsequenzen gezogen?
Von der FIFA (Anm.: Weltfußballverband) wurde jetzt verpflichtend eingeführt, dass jeder Profispieler sich einmal im Jahr einer Herz-Echo-Untersuchung und einem Belastungs-EKG unterzieht. Damit sinkt das Risiko des plötzlichen Herztodes enorm.
Anders als bei den Freizeitsportlern ist ein Profispieler bei einer Muskelzerrung arbeitsunfähig. Was bedeutet das für die medizinische Versorgung?
Um längere Ausfälle möglichst auszuschließen, werden die Spieler sehr intensiv betreut und schon bei einem geringem Verdacht z. B. auf einen Muskelfaserriss sofort eingehend untersucht. Das ist der große Luxus der Profis: Sie haben den ganzen Tag Zeit, ihren Körper zu pflegen, optimal zu versorgen und wenn nötig zu schonen.