Warum körperlich Aktive Krankheiten besser abwehren bzw. wegstecken, warum es auch beim „Medikament Bewegung“ auf die richtige Dosis ankommt und was man beim Sport im Freien jetzt beachten sollte.
Von Mag. Alexandra Wimmer
Anstatt wie üblich zur Arbeit zu radeln, nimmt Sonja S. ausnahmsweise den vollbesetzten Bus, als ein anderer Fahrgast einen heftigen Niesanfall bekommt und ein Tröpfchenregen auf die Umstehenden niedergeht. Auch Monika D. steht in nächster Nähe zum Nieser und bekommt eine Ladung ab. Das „spritzige Erlebnis“ hat für die beiden Frauen recht unterschiedliche Folgen: Während die sportliche Sonja sich nicht einmal einen Schnupfen einfängt, laboriert Monika, die keinen Sport betreibt, zwei Tage später an einer schlimmen Verkühlung.
Zufall – oder nicht? Feststeht, dass körperlich aktive Menschen Attacken von Viren & Co – sei es in Form einer Fieberblase, eines Schnupfens oder einer Grippe – besser abwehren bzw. leichter wegstecken als weniger „bewegte“ Zeitgenossen. „Regelmäßige körperliche Bewegung beeinflusst nicht nur die allgemeine körperliche Verfassung und Leistungsfähigkeit auf günstige Weise, sondern hat auch eine stimulierende und stärkende Wirkung auf das Immunsystem“, bestätigt der Wiener Internist und Sportmediziner Univ. Prof. Dr. Paul Haber. Das heißt: Die „körpereigene Gesundheitspolizei“ arbeitet effektiver gegen die verschiedenen Krankheitserreger. „Konkret kann man sich das so vorstellen, dass in einer Gruppe von Menschen, die regelmäßig körperlich aktiv ist, beispielweise Erkältungen seltener vorkommen als in einer Gruppe von Menschen, die inaktiv ist.“
Die richtige Dosis
Damit das „Medikament Bewegung“ seine volle Wirkung entfalten kann, muss es ständig, also das ganze Jahr über, angewendet werden: Nur wer konsequent trainiert, kann auch jetzt, in der kalten Jahreszeit, auf die abwehrstärkende Wirkung des Sportelns bauen. „Alle positiven Effekte körperlicher Bewegung verschwinden im Laufe von Wochen oder Monaten wieder, wenn man das Bewegungsprogramm einstellt“, betont Paul Haber. „Man kann sich also keinen Vorrat antrainieren.“ Wer im Sommer viel schwimmen und skaten war und das im Herbst wieder sein lässt, verspielt nach und nach seinen Bonus punkto Abwehrkraft.
Wichtig ist außerdem, dass man regelmäßig und in der richtigen Dosis trainiert. „Optimal wäre körperliche Bewegung an drei Tagen der Woche für jeweils eine gute Stunde“, so der Mediziner. „Damit erzielt man das bestmögliche Verhältnis von Aufwand und Wirkung.“ Zwar sei das Training einmal pro Woche „besser als gar nichts“, die messbaren günstigen Effekte seien jedoch „relativ gering“. Andererseits geht auch die Gleichung „mehr Bewegung = mehr Abwehrkraft“ nicht uneingeschränkt auf. „Wer an vier, fünf, sechs Tagen in der Woche trainiert, hat im Vergleich zu drei Trainingseinheiten pro Woche nicht mehr so viele positive Zusatzeffekte.“ Und wer es mit dem Sport übertreibt, schwächt damit sogar das Immunsystem.
Zeit für Erholung
Einen Hinweis auf ein solches Übertraining könnte das persönliche Befinden liefern: Wenn man sich ständig müde zum Sport schleppt oder danach extrem erschöpft ist, sollte man sich Gedanken über die optimale Trainingsintensität machen. „Wenn beispielsweise ein Sporteinsteiger mit einem zu intensiven Training startet und täglich eine Stunde läuft, reicht die Zeit für Regeneration von einem Tag zum anderen nicht aus“, warnt Paul Haber. „Der nächste Lauf wird dann im Zustand der Ermüdung vom letzten Mal begonnen und macht die Erholung vom vorhergehenden Training unmöglich.“ In der Konsequenz verhindert das Übertraining die erwünschten Effekte des Sportelns. „Generell ist die körperliche Bewegung ja ein abbauender Prozess, der Ressourcen verbraucht und zur Ermüdung führt“, erklärt der Mediziner. „Die positiven gesundheitlichen Effekte stellen sich nicht während, sondern nach dem Training, während der Erholungsphase, ein.“ Entsprechend ist (ausreichend) Regenerationszeit genauso wichtig wie die Aktivität selbst.
Punkto Aktivität sind sowohl Ausdauersportarten wie Laufen, Skaten, Schwimmen als auch Kraftsportarten – etwa Muskeltraining in Form von Gymnastik oder Hanteltraining – günstig, sagt der Sportmediziner. „Man kann das auch kombinieren, indem man in einer Trainingseinheit zirka 25 Minuten Muskeltraining macht und den Rest Ausdauertraining.“
Abwehr auf hohem Niveau
Und wenn es einen trotz des richtigen Trainings „erwischt“ und man sich erkältet? „Menschen in guter körperlicher Verfassung, die das Pech haben, trotzdem krank zu werden, werden generell mit allem besser fertig“, weiß Internist Haber. „Natürlich ist eine Krankheit immer schwächend, aber bei körperlich fitten Menschen arbeitet das Immunsystem gleichsam auf einem höheren Niveau und sie haben daher mehr Reserven.“
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Training im Freien: Danach ab ins Warme
Generell stellt das Training bei Temperaturen bis zu minus fünf Grad kein Problem dar, allerdings sollte man das winterliche Sporteln im Freien gut planen: „Wenn man einen Skilanglauf-Ausflug macht oder laufen geht, sollte man darauf achten, dass man danach – also im erschöpften Zustand und womöglich noch in feuchter Bekleidung – nicht in der Kälte stehen bleiben muss“, warnt der Internist und Sportmediziner Univ. Prof. Dr. Paul Haber. „Ermüdung kombiniert mit Kälte stellt eine Risikosituation dar, weil beide Faktoren das Immunsystem schwächen. Wenn dann womöglich noch jemand in der Nähe hustet oder niest, kann man sich besonders leicht anstecken.“
Der Tipp des Experten: „Gleich nach dem Sport eine Dusch- und Umkleidemöglichkeit aufsuchen oder zumindest in ein geheiztes Auto steigen.“
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Bei Fieber und Krankheit: Unbedingt pausieren!
Es gibt triftige Gründe, das Bewegungsprogramm auszusetzen – jedoch muss nicht gleich bei jedem Schnupfen oder Halskratzen pausiert werden: „Bei leichtem Schnupfen kann sich leichtes körperliches Bewegen wie schnelles Gehen oder Laufen sogar günstig auswirken“, sagt der Wiener Sportmediziner Univ. Prof. Dr. Paul Haber. „Durch die Bewegung wird vermehrt Wärme im Körper erzeugt, was gut für den Gesundheitszustand ist.“
Ist man dagegen stark verkühlt, ist Schonung angesagt. „Bei schwerem Schnupfen oder gar Fieber sollte man unbedingt Ruhe einhalten und die Akutphase abwarten“, betont Haber. Andernfalls könne es bei viral bedingten Infektionen mit Fieber sehr leicht zur Ausschüttung der Viren über den Kreislauf – einer Virämie – kommen. „Sie kann dazu führen, dass verschiedene Organe von Viren befallen werden“, erklärt der Facharzt. „In der Folge kann es zum Beispiel zu einer Leberentzündung kommen. Und wenn die körperliche Belastung zu einer Herzmuskelentzündung führt, kann das sogar lebensgefährlich sein.“ Leistungssportler, die trotz Fieber ihr Training fortsetzen, Skiurlauber die „wegen dem bisserl Fieber“ die Wochenkarte nicht verfallen lassen, können sich auf diese Weise lebensbedrohliche Herzkomplikationen zuziehen. Der dringende Rat des Mediziners: „Erst den fieberhaften Infekt ausheilen; sobald man fieberfrei ist, kann man wieder trainieren.“
Schonung ist im Übrigen auch angesagt, wenn sich (in sehr seltenen Fällen) im Zuge der Grippeimpfung Fieber einstellt. Ansonsten kann in der Zeit rund um die Schutzimpfung wie gewohnt gesportelt werden.