Partnerschaft & Sexualität

Liebeskummer

Wie man den Trennungsschmerz überwinden kann
 
Fast jeder hat ihn zumindest schon einmal erlitten: den emotionalen Ausnahmezustand nach dem Aus einer Beziehung, der die unterschiedlichsten Reaktionen und manchmal auch Krankheiten auslöst.
Lesen Sie, warum manche mehr leiden als andere und wie man ohne Voodoo und Wodka durch diese schmerzhafte Phase kommen kann.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Alles aus. „Vor einer Stunde kam meine Freundin auf mich zu und sagte: ,Es tut mir leid, aber ich liebe dich nicht mehr, ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein.‘ Und das nach sechs Jahren Beziehung! Ich fasse es nicht. Ich hoffe, irgendwer kann mir helfen, weil ich bin gerade dabei, in ein tiefes Loch zu fallen“, sucht ein 32-Jähriger in einem Internetforum Rat. Sie steckt bereits in dem tiefen Loch, schließt sich eine 45-Jährige ebendort dem Fragenden an. „Vor zwei Monaten war es vorbei mit meiner Ehe. Den Scheidungstermin haben wir schon. Nur kann ich mir nicht vorstellen, jemals innerlich von meinem Mann loszukommen. Mein Liebeskummer bereitet mir schon Magenschmerzen. Wie kann man damit klarkommen?“

Verlassene leiden mehr

Fast jeder hat zumindest schon einmal Liebeskummer erlitten, manche mehr, manche weniger. Vor allem die Verlassenen sind es, die nach Trennungen in einen emotionalen Ausnahmezustand geraten, der die unterschiedlichsten Reaktionen und manchmal auch Krankheiten auslöst, weiß Mag. Birgit Maurer. Die klinische Gesundheits- und Arbeitspsychologin kennt sich aus: Seit fast drei Jahren kümmert sie sich in ihren Liebeskummerpraxen in Wien und Graz um Frauen und Männer meist im Alter von 30 bis 45 Jahren, die nach dem Ende einer Beziehung in ein tiefes Loch fallen. Maurer über einen auffälligen Unterschied zwischen den Geschlechtern: „Männer kommen eher schon kurze Zeit nach der Trennung in die Praxis, Frauen eher erst nach einem halben Jahr oder einem Jahr.“ Das ist der Zeitpunkt, meint die Expertin, ab dem auch die beste Freundin nicht mehr zuhören will, wenn ihnen die Geplagte mit ihrem Leid in den Ohren liegt.  

Schock und Wut

Wer es durchlebt hat, weiß: „Die Symptome des Liebeskummers unterscheiden sich von Phase zu Phase des Trennungsschmerzes“, sagt Maurer. An den ersten Tagen nach dem Ende der Beziehung stehen die meisten, so die Expertin, unter Schock. „Sie begreifen nicht, was mit ihnen passiert ist, hoffen, dass alles ein böser Traum ist, und sind sich sicher, dass der Ex-Partner zu ihnen zurückkehrt.“ Einige Tage, manchmal auch erst längere Zeit später steigt oft unbändige Wut auf. Dann entdecken Frauen wie Männer häufig ein Aggressionspotenzial in sich, das ihnen selber Angst macht, so Maurer weiter. Oft richten sich die Aggressionen gegen den Ex-Partner: Die Betroffenen wünschen sich, dass der oder die Ex genauso leidet wie sie. Manche greifen zu diesem Zweck zu in unterschiedlichen Ausführungen erhältlichen Voodoopuppen. Andere hegen handfestere Phantasien: „Die sagen dann: ,Helfen Sie mir! Sonst fahre ich wirklich zu ihm und steche die Reifen von seinem Auto auf, wie ich es in Gedanken schon viele Male gemacht habe‘“, sagt Maurer. Wieder andere überschütten den oder die Ex mit Schimpftiraden via SMS, E-Mails oder Briefen. Nicht wenige Betroffene richten ihre Aggressionen gegen sich selbst: „Sie beginnen, sich selbst Schaden zuzufügen, indem sie Trost bei Wodka & Co suchen“, weiß Maurer aus Erfahrung.

Selbstzweifel und Schuldzuweisung

In einer weiteren Phase des Liebeskummers beginnen die Leidenden zu analysieren, was geschehen ist, lehnen das Geschehene zugleich aber ab: „Das gibt es nicht“, heißt es dann z. B., „vor zwei Wochen haben wir noch Urlaubspläne geschmiedet, er hat noch Kataloge besorgt, und dann macht er Schluss!“ Auf die Analyse folgt oft eine Phase voller Selbstzweifel bzw. Schuldzuweisungen, die mit Niedergeschlagenheit und Trauer verbunden ist. Von weiblichen Liebeskummer-Geplagten, die in dieser Zeit zu ihr kommen, hört Maurer dann oft Sätze wie: „Es ist alles meine Schuld, ich hätte ihn nicht so einengen sollen.“ Von männlichen Leidenden eher: „Sie hat andauernd genörgelt, da musste ich ja etwas dagegen sagen, und das war offenbar falsch.“
Es kommt auch vor, dass sich die genannten Phasen im Wechsel wiederholen und mit körperlichen Symptomen einhergehen, sagt Maurer. Psychosomatische Beschwerden wie Rücken- und Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Depressionen infolge von Liebeskummer sind keine Seltenheit. Schließlich kann das Liebesleid oft Jahre andauern – eine von Maurers Klientinnen litt sogar 15 Jahre. Wie es schon im Song „Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling“ heißt, lohnt es sich auch nach Meinung der Expertin nicht, so lange zu leiden, ohne sich helfen zu lassen. Denn die meisten ihrer Klienten sind schon nach fünf bis zehn Sitzungen ihren Kummer los. Wie man den Trennungsschmerz überwinden kann? „Meine Hilfe besteht in Stabilisierung und Entlastung, Klärung und Neuorientierung.“

Stabilisieren
„Stabilisieren meint, den Leidenden einfach nur zuzuhören und sie wissen zu lassen, dass es vollkommen normal und in Ordnung ist, nach einer Trennung so zu leiden wie sie“, sagt Maurer. „Die Hilfesuchenden müssen wissen, dass es normal ist, geschockt zu sein, Aggressionen oder Selbstzweifel zu entwickeln bzw. sich selbst oder dem anderen die Schuld für alles zu geben.“

Entlasten
Ist die Stabilisierung erfolgt, werden die Leidenden von Selbstzweifeln bzw. Schuldzuweisungen entlastet und an ihre eigene Verantwortung für sich selbst erinnert. Statt: „Warum hat er das mit mir gemacht, mich erst betrogen, dann verlassen?“ werden die Leidenden von Maurer zu der Frage geleitet: „Warum habe ich mir das alles gefallen lassen?“

Klären
Aus den Antworten auf diese Frage resultiert, so Maurer, bei den meisten Liebesleidenden oft rasch die Erkenntnis, dass sie sich auf einen Partner eingelassen haben, der nicht zu ihnen gepasst hat. Maurer: „Werden sich die Betroffenen dessen klar, ist es mit dem Liebeskummer häufig sehr bald vorbei, und wir können mit der Neuorientierung starten.“  

Neu orientieren
„Neu orientiert werden die Hilfesuchenden, indem sie lernen, den oder die Ex auszublenden und sich wieder neu im eigenen Leben zurechtzufinden“, sagt Maurer. Am Anfang einer solchen Neuorientierung kann stehen, Habseligkeiten des Ex-Partners aus der Wohnung zu entfernen oder etwas zu unternehmen, was während der Beziehung nicht möglich war, wie z. B. einen besonderen Urlaub. Erst wenn man das neue Leben mit sich allein genießen kann, so die Expertin weiter, sollte man als eine Form der Neuorientierung auch an eine neue Beziehung denken. Maurer: „Dann weiß man, wie man leben will. So stehen die Chancen besser, dass der neue Partner zu einem passt und der nächste Liebeskummer möglichst ausbleibt.“

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Wissenschaftlich untersucht:
Liebeskummer schmerzt

Dass es einen Zusammenhang zwischen seelischem Schmerz, wie er bei Liebeskummer entsteht, und körperlichen Schmerzen gibt, haben kürzlich Wissenschafter der Universität von Michigan (USA) nachgewiesen. Sie legten Testpersonen erst Fotos der Ex-Partner vor, von denen sie rund sechs Monate zuvor verlassen worden waren. Anschließend bekamen die Verlassenen eine heiße Manschette an den Unterarm gelegt, um eine Verbrühung mit Kaffee zu simulieren. Das Resultat: Bei beiden Schmerzempfindungen wurden dieselben Gehirnregionen in ähnlicher Weise aktiv.
    

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