Er war Vizekanzler, Finanzminister, ÖVP-Chef und Landwirtschaftsminister: Neun Jahre auf den höchsten politischen Ebenen Österreichs liegen hinter ihm – und damit eine Arbeit, die nicht nur ein Beruf war, sondern auch eine Berufung. Eine lebensbedrohliche Krankheit setzte der Karriere von Josef Pröll vor rund eineinhalb Jahren ein jähes Ende. Wegen einer Lungenembolie legte er quasi von einem Tag auf den anderen alle seine politischen Ämter zurück, um nach einer kurzen Pause als Vorstandschef eines großen Konzerns in die Privatwirtschaft zu wechseln. MEDIZIN populär hat den 43-jährigen Agrarökonom in seinem neuen Büro in Wien besucht. Im Interview erzählt er, wie die Krankheit sein Leben verändert hat und wie es ihm heute geht.
Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Herr Pröll, vor rund einenhalb Jahren hatten Sie eine lebensbedrohlichen Krankheit, eine Lungenembolie. Kurz danach haben Sie sich dazu entschieden, alle Ihre politischen Ämter zurückzulegen. Bereuen Sie Ihre Entscheidung heute?
DI Josef Pröll
Ich habe die Lungenembolie auch darauf zurückgeführt, dass ich davor in einer Phase großer beruflicher Herausforderung war und extrem unter Druck gestanden bin. In der Zeit der Regeneration habe ich dann gemerkt, dass ich dem hohen Anspruch, der an mich als Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef weiter gestellt werden würde, nicht mehr genügen würde können. Deswegen habe ich die Entscheidung getroffen, zurückzutreten. Und heute kann ich sagen, dass das eine weise Entscheidung war.
Jetzt sind Sie Vorstandschef eines großen Agrarkonzerns – auch nicht gerade ein Spaziergang…
Der Unterschied zwischen meiner früheren und jetzigen Tätigkeit besteht darin, dass ich heute selbstbestimmt arbeiten kann. Die Struktur des Tages liegt in meinen Händen, und ich kann zu allem Ja oder Nein sagen. Das bedeutet für mich einen enormen Sprung hin zu mehr Lebensqualität. Unter diesen Bedingungen spielt es dann keine so große Rolle mehr, wie lange man arbeitet und wie viele Termine man hat.
Und die Politik vermissen Sie gar nicht?
Nein, die Tür zur Politik habe ich für mich zugemacht. Aber ich bin sehr froh, dass ich in der Politik und neun Jahre lang Minister war. Denn es hat schon seine Faszination, für Österreich und die Österreicher arbeiten zu können, Entscheidungen treffen zu können und in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich verfolge die Politik aber freilich noch. Und wenn mich jemand von meinen Freunden aus meinen früheren politischen Netzwerken um Rat fragt, helfe ich natürlich gern. Ansonsten aber lebe ich heute mein neues Leben – und das sehr gern.
Hat Sie die Krankheit verändert?
Ich gehe auf jeden Fall vernünftiger mit mir selber um, schaue mehr auf mich, indem ich mich gesünder ernähre und mich mehr bewege. Das heißt, ich gehe dreimal in der Woche in ein Fitnessstudio und mache dort eine Kombination aus Ausdauertraining am Fahrradergometer und aus Krafttraining an Geräten. Außerdem esse ich bei weitem nicht mehr so oft Schweinsbraten, Wiener Schnitzel und andere nicht gar so gesunde Köstlichkeiten aus der Österreichischen Küche wie früher, sondern dafür mehr Gemüse und Salat.
Und wenn Sie einmal gesundheitliche Probleme haben – sind Sie dann vorsichtiger als früher?
Ich bin diesbezüglich im Vergleich zu früher tatsächlich extrem sensibilisiert, horche viel genauer auf meinen Körper. Und wenn etwas nicht in Ordnung ist, gehe ich gleich zum Arzt. Denn die Lungenembolie ist nicht ganz aus heiterem Himmel gekommen. Es gab Warnzeichen, aber die habe ich immer auf etwas anderes zurückgeführt. Die Atemnot, die ich kurz davor hatte, auf eine Verkühlung, und die Thrombosen, die ich einige Jahre davor in den Beinen hatte, auf die Belastung während Langstreckenflügen.
In jüngster Zeit haben Sie wieder damit begonnen, zusätzlich zum Beruf verschiedene Ehrenämter und Funktionen anzunehmen. Ein Rückfall in Ihr Dasein als Workaholic?
Durchaus nicht. Ich genieße es sehr, wieder mehr Zeit für meine Hobbys zu haben – und das wird auch so bleiben. Ich habe jetzt öfter Gelegenheit zum Lesen, auf die Jagd zu gehen und für meine Familie zu kochen.
Da kommt dann Selbsterlegtes auf den Tisch?
(lacht) Der Anteil an Wildbret auf unserem Speiseplan ist bestimmt größer als bei anderen Familien…
Ausgabe 09/2012