Sie ist Österreichs „oberste Polizistin“, korrekt ausgedrückt: Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit und die erste Frau auf diesem Posten. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt die 45-Jährige, die aus St. Michael im Salzburger Lungau stammt, was ihr großer Traum ist, warum sie sich für den Posten als Generaldirektorin beworben hat, und wieso wir uns hierzulande nicht vor Kriminalität fürchten müssen.
Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Frau Generaldirektorin Kardeis, bestimmte Politiker lassen uns glauben, wir Österreicher müssten uns heute mehr denn je vor Terroranschlägen, Cyberattacken, Überfällen und Einbrüchen fürchten. Ist das wahr?
Michaela Kardeis
Umfragen zeigen immer wieder, dass sich die Österreicher am meisten vor wirtschaftlichen Veränderungen fürchten, also davor, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder in der Pension nur wenig Geld zu bekommen. Danach kommt die Angst, krank zu werden und im Alter auf Pflege angewiesen zu sein. Die Furcht davor, zum Opfer von Kriminellen zu werden, zum Beispiel Opfer eines Einbruchs in die eigenen vier Wände, ist im Vergleich dazu viel geringer. Und das hat auch seine Berechtigung, denn die Sicherheitslage in Österreich ist so gut, dass ich zu allen Österreicherinnen und Österreichern sagen kann, es besteht objektiv betrachtet kein Grund zur Furcht: Ihr braucht Euch nicht fürchten. Dies liegt zu einem Gutteil an der Initiative ‚GEMEINSAM.SICHER in Österreich‘, die dazu dient, negative Entwicklungen so früh zu erkennen, dass es gar nicht erst zu kriminellen Handlungen wie Einbrüchen, Überfällen oder Cyberattacken kommt.
Wie funktioniert diese Früherkennung?
Über Bürgerinnen und Bürger, die zur Vorbeugung vor kriminellen Handlungen mit der Polizei zusammenarbeiten, sich melden, wenn sie negative Entwicklungen bemerken oder etwas Verdächtiges beobachten. Auch wird darüber informiert, was jeder selbst in einer Gefahrensituation tun kann.
Was würden Sie tun?
Dasselbe, was wir Frauen raten. Bis zu einem gewissen Grad verleiht es Sicherheit, Stärke auszustrahlen, aufrecht und mit bestimmtem Schritt zu gehen. Was auch ratsam ist: Sich im Fall des Falles mit einem sehr lauten ‚Nein‘ zu wehren, bei körperlichen Attacken so laut wie möglich um Hilfe zu schreien und sich körperlich zur Wehr zu setzen. Wenn ein Angreifer nur meine Handtasche will, würde ich sie ihm geben. Geld, Schlüssel und anderes Materielle lässt sich ja ersetzen. Natürlich würde ich anschließend an solche Vorfälle die Polizei rufen.
Sie sind Österreichs erste Frau als Generaldirektor für öffentliche Sicherheit beziehungsweise Österreichs oberster Polizist. Davor waren Sie auf dem Posten des Bundespolizeidirektors in Schwechat die erste Frau. Beides wird in der Berichterstattung über Sie immer betont. Stört Sie das oder macht es Sie stolz?
(lacht) Beides. Ich habe mir auch aus dem Grund, möglicherweise die erste Frau auf den jeweiligen Posten zu werden und daher verstärkt unter Beobachtung zu stehen, die Bewerbungen sehr genau überlegt.
Warum hat es so lang gedauert, bis eine Frau diese Posten einnimmt?
Für Frauen ist die polizeiliche Ausbildung noch nicht so lang möglich, und bis sie in höhere Positionen gelangen, dauert es eben.
Die 31.575 Mitarbeiter und Exekutivbeamten, die Ihnen unterstehen, führen Sie nach eigenen Angaben ‚gesundheitsfördernd‘ …
… Ja, denn ich habe einen besonderen Bezug zu Gesundheit. Bis zu meinem 17. Lebensjahr wollte ich Medizin studieren und Kinderärztin werden. Das bin ich nur nicht geworden, weil man mir damals sagte, ich werde nach dem Studium jahrelang auf einen Ausbildungsplatz als Turnusärztin warten müssen, und das wollte ich nicht. Als ich in Schwechat Polizeidirektorin geworden bin, habe ich einen Kollegen, der mir damals ein Vorbild war, gefragt, wie man führen soll. Der hat gesagt: durch Befehlen. Nachdem er das gesagt hatte, habe ich mir gedacht, hin und wieder ist ein Befehl nötig, ja, aber ich führe mein Team lieber über Kommunikation auf Augenhöhe, Nachvollziehbarmachen von Entscheidungen und Einbindung, wo dies möglich ist. Dies ist gesundheitsfördernd und hilft dabei, Stress und Krankheiten zu vermeiden.
Sie selbst haben, wie Sie einmal sagten, eine Sechsdreivierteltagewoche. Wie vermeiden Sie es, in Stress zu geraten?
Es ist zwar so, dass ich nach wie vor die Sechsdreivierteltagewoche habe und das Handy nie abschalten kann. Aber ich habe auch Urlaub, und wenn ich Urlaub habe, werde ich hervorragend vertreten. Deswegen kann ich dann sehr gut abschalten, den Kopf leeren und meine Batterien aufladen. Wobei mir bewusst ist, dass ich auch im Alltag etwas mehr für meine Entspannung und Gesundheit tun sollte.
Was tun Sie denn jetzt schon dafür?
Urlaube in meine Lieblingsurlaubsdestination USA planen, vorbereiten und nachbereiten, Fotos von den Reisen sortieren, Filme von den Reisen anschauen. Ansonsten entspanne ich mich beim Play Station-Spielen und Karaoke-Singen.
Was sind dabei Ihre Favoriten?
Ich singe am liebsten ‚What’s up‘ von den ‚4 Non Blondes‘, und auf der Play Station fahre ich sehr gern mit meinem Mann als Gegner Autorennen.
Betreiben Sie auch im realen Leben Sport?
Meine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio habe ich gekündigt, weil ich zu wenig Zeit habe, um dort zu trainieren. Aber ich nutze jede Gelegenheit, um Radfahren oder Schwimmen zu gehen, auch Inlineskaten und Eislaufen, und hin und wieder mache ich Autogenes Training.
Wie wichtig ist Ihnen gesunde Ernährung?
Ich achte darauf, die Leberkässemmel zu vermeiden (lacht) und mittags nicht immer nur schnell vor dem Computer ein Weckerl zu essen, sondern mir zehn Minuten Zeit zu nehmen, in denen ich nur esse und öfter esse, was mir guttut, also Gemüse und Salat.
Die USA sind nicht nur Ihr Lieblingsurlaubsland, Sie haben auch immer wieder gesagt, Sie möchten in drei bis fünf Jahren für einige Zeit in den USA leben.
Ja, das ist nach wie vor mein Plan, mein großer Traum, dessen Verwirklichung ich nun aber in die fernere Zukunft verschoben habe.
Wenn Sie nach dem US-Aufenthalt nach Österreich zurückkehren, welche Position werden Sie dann als erste Frau einnehmen?
(lacht) Diesbezüglich habe ich noch nichts geplant.
Kurz & Persönlich
- Familienstand: verheiratet
- Lieblingsort in Österreich: Burg Finstergrün in Ramingstein im Salzburger Lungau
- Lieblingsort im Ausland: Denver, Colorado, USA
- Lieblingsurlaubsziel: jeder Vulkan auf Hawai, USA
- Hobbys: Reisen, Schwimmen, Karaoke, Computerspiele
- Lieblingsessen: Kaiserschmarren
- Lieblingsgetränk: von meinem Mann selbstgebrautes Bier
- Lieblingsband: Turbobier
- Lieblingsautor: George R.R. Martin
Webtipp:
Informationen zur Gewaltprävention auf:
https://bundeskriminalamt.at/202/Gewalt_widersetzen/start.aspx
Stand 03/2018