Wenn sie demnächst bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro antritt, stellt sie sich bereits zum dritten Mal dieser größten Herausforderung, die es für Sportler gibt. Im Gespräch mit MEDIZIN populär erzählt die 36-jährige Top-Judoka und Heeressportlerin aus Wels unter anderem, welches Ziel sie nun in Rio erreichen will, wie sie sich auf den Wettkampf vorbereitet, was alles aus ihrer Sicht dafür spricht, Judo zu betreiben – und was sie für die Zeit nach ihrer sportlichen Karriere plant.
Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Frau Filzmoser, lang ist es nun nicht mehr bis zu den Olympischen Spielen. Welches Ziel haben Sie sich dafür gesetzt?
Sabrina Filzmoser
Ich habe bereits zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen, 2008 und 2012, konnte jedoch noch keine olympische Medaille gewinnen. Ein olympischer Medaillengewinn ist aber die größte Herausforderung für einen olympischen Sportler, so auch für mich. In den vergangenen Jahren war ich körperlich und geistig in der glücklichen Lage, das Ziel des Medaillengewinns konsequent weiterverfolgen zu können. Jetzt möchte ich eine olympische Medaille gewinnen.
Wie bereiten Sie sich auf die bevorstehenden Wettkämpfe vor?
Meist trainiere ich tagsüber im Olympiastützpunkt auf der Gugl in Linz zweimal drei Stunden täglich gemeinsam mit anderen Heeressportlern und Gymnasiasten. Wenn ich zuhause in Wels bin, trainiere ich im Budokan, der Kampfsporthalle meines Vereins Judo Multikraft Wels. Zusätzlich sind ein Krafttraining und die Arbeit an der mentalen Einstellung wichtig. Dieses Training unterscheidet sich aber nicht dramatisch von dem, das ich sonst zuletzt absolviert habe. Es war ja alles lang auf die Olympischen Spiele vorbereitet.
Was mögen Sie an Judo besonders?
Ich liebe es, auf der Matte zu stehen und völlig zu versinken, in dem was ich tue, alles zu vergessen, jegliche Gedanken und Möglichkeiten, die mich sonst noch beschäftigen. Ich liebe auch das Gefühl, Teil dessen zu sein, was für mich Herausforderung bedeutet und einen Weg gefunden zu haben, nicht vor meinen eigenen Ängsten und Zweifeln zurückzuschrecken.
Gibt es etwas, das Sie nicht mögen?
Ich mag es gar nicht, wenn ich auf eine harte Geduldsprobe gestellt werde, egal ob durch eine Krankheit, eine Verletzung oder eine längere Erfolglosigkeit. ‘
Verletzt haben Sie sich beim Judo ja schon öfter schwer, Knochenbrüche und sogar ein Bandscheibenvorfall liegen beispielsweise hinter Ihnen…
Die erlebten und durchlebten Verletzungen und das Altern haben einen Vorteil: Man wird achtsamer. Ich weiß die Zeichen des Schmerzes und der körperlichen Einschränkung nun besser zu nützen, um Schlimmeres zu verhindern und trotzdem an meine Grenzen gehen zu können.
Welche Erfolge in Ihrer bisherigen sportlichen Karriere haben Sie am meisten gefreut?
Weil meine Eltern mit dabei waren, die letzte WM-Medaille 2010 in Tokyo. Mein Europameisterschaftstitel 2008, meine erste WM-Medaille 2005, mein Junioren-Europameisterschaftstitel 1998.
Welche Misserfolge haben Sie geärgert?
Statt „geärgert“ verwende ich lieber das Wort „geprägt“. Besonders geprägt hat mich das Ausscheiden in der ersten Runde bei den Olympischen Spielen 2008 als Weltranglistenführende gegen die mehrfache nordkoreanische WM- und Olympiasiegerin.
Mussten Sie eine der Kampftechniken schon einmal abseits des Sports zu Ihrer Selbstverteidigung anwenden?
Nein, aber die Judorolle, also das richtige Abrollen nach einem Sturz, hat mir, wie ich meine, schon oft das Leben gerettet. Egal ob auf Skiern, auf dem Snowboard, auf dem Rad oder in Bergschuhen. Ich denke, dieses richtige Fallen sollte schon im Kindergarten oder in der Volksschule unterrichtet werden, wie in Japan, dem Herkunftsland des Judo. Dort ist Judo Schulsport. Judo ist aber auch ein gutes Mittel zur Selbstverteidigung, allein weil es dabei hilft, Selbstvertrauen aufzubauen oder zu verbessern. Und weil es Respekt, Toleranz, Disziplin und Loyalität im Umgehen miteinander lehrt: Ethische Werte, die in der japanischen Gesellschaft großen Platz einnehmen, bei uns in Europa aber leider zunehmend an Bedeutung verlieren.
Sie erwähnten schon, dass Sie neben Judo auch noch etliche andere Sportarten betreiben…
…Ja, ich habe schon als Kind mit meinen Eltern und meiner Schwester Lisa neben Judo alle möglichen Sportarten ausgeübt: Skifahren, Skilanglaufen, Bergsteigen. Auch jetzt bewege ich mich gern draußen in der Natur, vor allem in den Bergen. Das ist das absolute Kontrastprogramm zum Hallensport, ein Ausgleich, der mir Energie und Kraft gibt. Der Bergsport darf auch hart und herausfordernd sein und mir eine weitere Möglichkeit bieten, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen und meine körperlichen und geistigen Limits besser kennenzulernen.
Ernähren Sie sich nach bestimmten Regeln?
Ich finde, man sollte in Bezug auf die Ernährung unbedingt auf sich und seinen Körper hören, die Nahrung zu sich nehmen, die einem wirklich Energie gibt und auf die Speisen oder Mengen verzichten, die unnötig sind und keine Energie liefern.
Was werden Sie tun, wenn Sie jetzt Ihr Ziel eines Medaillengewinns bei den Olympischen Spielen nicht erreichen? Es noch ein viertes Mal verfolgen?
Zum Glück habe ich noch so viele andere Ziele, Träume und Gedanken, die ich in Zukunft verwirklichen möchte, dass ich mich auch schon darauf freue.
Sie haben ja nach Jahren als Heeressportlerin Internationales Management studiert. Planen Sie, künftig in diesem Bereich zu arbeiten?
Ein Neuanfang steht mir bevor, und diese Ausbildung, die ich dank der großartigen Unterstützung durch das Bundesheer absolvieren konnte, betrachte ich als Basis dafür. Das bedeutet für mich aber nicht, dass ich einen Job im Management anstrebe. Ich könnte mir auch eine weiterführende Ausbildung als Berufspilot oder Bergführer vorstellen. Oder einfach eine Kombination aus allem (lacht).
Webtipp
www.sabrina.filzmoser.at
Stand 07-08/2016