Zeigt man sich Offen, schreitet aufrecht daher, lächelt man, wirkt sich das positiv aus, es wird einem besser gehen.
Von Mag. Sabine Stehrer
MEDIZIN populär
Herr Verra, Sie haben Musik und Gesang studiert und waren danach Berufsmusiker. Wie sind Sie anschließend auf die Körpersprache gekommen?
Stefan Verra
Mein Vater war Bildhauer. Schon als ich ein Kind war, hat er viel mit mir darüber diskutiert, wie ein aus Holz geschnitzter oder in Stein gemeißelter Mensch den Kopf oder die Hände halten sollte, damit er einen bestimmten Ausdruck bekommt. Das Thema hat mich im Lauf der Jahre immer mehr interessiert. So habe ich damit begonnen, mich mit Körpersprache zu beschäftigen und zu erforschen, worauf sie beruht und was sie bei einem Gegenüber auslöst.
Wenn wir einen Menschen zum ersten Mal sehen, wie sehr bestimmt dann die Körpersprache im Vergleich zum Aussehen, zur Kleidung oder auch zur Stimme, ob wir ihn sympathisch finden oder nicht?
Da hat die Körpersprache den größten Stellenwert, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Von Beginn unserer Entwicklung an mussten wir Menschen schon aus weiter Ferne erkennen können, ob der, der da auf uns zukommt, eine potenzielle Gefahr darstellt oder nicht, also Feind oder Freund ist, unsympathisch oder sympathisch ist. Dies war an der Körpersprache gut erkennbar, und das ist bis heute so geblieben. Abgesehen von der Körpersprache entscheiden aber auch das Aussehen und die Kleidung noch mehr als die Stimme darüber, ob wir jemanden mögen. Das liegt daran, dass das Auge binnen kurzer Zeit mehr Daten aufnimmt und an das Gehirn weiterleitet, als das Gehör und alle anderen Sinnesorgane.
Welches ist das wichtigste Element der Körpersprache, die Mimik, die Gestik oder die Haltung?
Wenn jemand lächelt, dabei aber die Augenbrauen unten sind, die Arme schlapp an der Seite hinunter hängen, nützt das Lächeln nichts, niemand wird demjenigen nur aufgrund des Lächelns abnehmen, dass er sich gerade über etwas freut. Wie wir jemanden wahrnehmen, darüber entscheidet der Gesamteindruck, den wir aufgrund der Wahrnehmung von Mimik, Gestik und Haltung zugleich gewinnen.
Wie lernen wir die Körpersprache?
Die Körpersprache ist an sich kein Werkzeug, mit dem wir lernen müssten, umzugehen. Sie ist uns von Beginn an gegeben. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, spricht es mit seinem Körper, da es ja auch das Gesicht verzieht und zappelt, wenn es schreit. Wenn ein Mensch stirbt, spricht er auch mit seinem Körper, bis als letzte Bewegung der Herzschlag aufhört. Der Mensch ist sozusagen Körpersprache. Wie unsere darüber hinaus gehende Körpersprache ausgeprägt ist, wird uns im Wesentlichen auch nicht gelernt, sondern mit dem Temperament vererbt. Wer ein ruhiger, in sich gekehrter Mensch ist, hat eine andere Körpersprache als ein nach außen gekehrter.
Wenn man mit seiner Körpersprache unzufrieden ist, lässt sich mit einem Körpersprachekurs also wenig daran ändern?
Mit dem Körper sprechen wir hauptsächlich unbewusst, sogar dann, wenn wir gar kein Gegenüber haben. Während ich mit Ihnen telefoniere, gestikuliere ich zum Beispiel auch herum…
…So auch ich…
(lacht) Sehen Sie. Abgesehen davon können wir bis zu einem gewissen Grad und unserem Temperament folgend aber schon lernen, Körpersprache bewusst einzusetzen, um etwas Bestimmtes zu erreichen.
Zum Beispiel?
Wenn wir mit dem ausgestreckten Zeigefinger herumgestikulieren, verwenden wir etwas, das der Mensch immer schon dafür verwendet hat, um wo hineinzustechen. Wenn heute jemand mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf jemanden zeigt oder damit droht, ist das auch wie ein Stechen und verleiht Worten mehr Nachdruck. Denselben Zweck erfüllt das Schwingen der Faust, die der Mensch immer schon dafür einsetzte, um zu schlagen. Wird das Faustschwingen als zu drastisch empfunden, kommt oft die angedeutete Faust zum Einsatz, also die Zusammenführung von Zeigefinger- und Daumenspitze zu einem Ring – eine Geste, die Politiker gern verwenden.
Was verhilft dazu, besonders kompetent oder kommunikativ zu wirken?
Einen kompetenten Eindruck macht, wer viel Raum einnimmt, etwa durch eine ausladende Gestik. Wer eine asymmetrische Körperhaltung einnimmt, indem der Kopf zur Seite gelegt wird oder ein Bein zur Seite gestellt wird, wirkt ungefährlich und kommunikativ, dies noch mehr, wenn er auch noch lächelt. Das Wichtigste ist aber, authentisch zu bleiben, sich also seinem Temperament gemäß zu verhalten. Besonders deutlich wurde das bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Hillary Clinton wirkte von ihrer Mimik, Gestik und Haltung bis hin zur Kleidung und Frisur durchgestylt. Donald Trump hingegen zeigte sich aggressiv, grob, und man erkennt, dass er sich gibt, wie er ist. Auch aus dem Bedürfnis nach Authentizität haben sich die Leute für ihn entschieden.
Ist die Körpersprache bei allen Menschen, egal welcher Rasse, Nationalität oder Kultur, gleich?
Im Grunde schon, da sie ja auf den Ursprung des Menschen zurückgeht.
Man sagt, es lässt sich aufgrund der Körpersprache leicht erkennen, ob jemand lügt, einem abgeneigt ist, und so weiter…
…Bei diesen Meinungen über Körpersprache handelt es sich großteils um Mythen. Es heißt, wenn jemand lügt, bricht er den Blickkontakt ab, schaut woanders hin oder hält sich die Hand vor den Mund. Man kann aber auch woanders hinschauen, weil man grad woanders etwas entdeckt hat oder sich die Hand aus irgendeinem anderen Grund vor den Mund halten. Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Lügner über seine Körpersprache zu überführen, bei nur rund 50 Prozent liegt. Dann heißt es noch, jemand, der mit verschränkten Armen da sitzt, ist verschlossen, aber dem kann ganz einfach nur kalt sein. Menschen anhand einzelner Signale einordnen zu wollen, funktioniert nicht.
Kann Körpersprache der Gesundheit dienen?
Die Wechselwirkungen sind offensichtlich vorhanden. Wenn Sie mit weit ins Gesicht hängenden Haaren, hochgeschlossener Kleidung und gekrümmter Körperhaltung durch den Tag gehen, wird Sie auf der Straße eher niemand nach dem Weg fragen, und im Kaffeehaus wird sich wahrscheinlich niemand zu Ihnen an den Tisch setzen. Kommen Sie über einen längeren Zeitraum so daher, führt dies schleichend zur Vereinsamung. Und für Einsamkeit ist der Mensch nicht geschaffen, sie führt zu Schwermut, die wiederum der Gesundheit abträglich ist. Doch das geht auch umgekehrt: Zeigt man sich offen, schreitet aufrecht daher, lächelt man, wirkt sich das positiv aus. Man wird öfter angesprochen, ist öfter in Gesellschaft, es wird einem besser gehen. Um eine offene und aufrechte Haltung haben zu können und den Körper gut für sich sprechen lassen zu können, ist es allerdings nötig, den Körper gesund zu halten, sich viel zu bewegen, Sport zu betreiben.
Welcher Sport wirkt sich besonders positiv auf die Körpersprache aus?
Jeder, der dem nahekommt, wie sich die ersten Menschen bewegt haben, und dem, wie sich auch Kinder gern bewegen: Unvorhersehbar. Unsere Urahnen rannten Feinden davon oder der Beute nach. Ballspiele wie Volleyball oder Völkerball entsprechen dem gut. Aber auch andere Bewegungen, die für das Fortkommen in der Natur nötig waren und sind, wie über Stock und Stein gehen, in einem Bachbett von Stein zu Stein springen und darauf balancieren – oder wie die Kinder auf allen Vieren krabbeln.
Machen Sie das auch?
Ich betreibe relativ oft Sport, fünf- bis sechsmal pro Woche. Dabei bemühe ich mich, den ganzen Körper zu fordern und gehe daher zum Beispiel gern Laufen. Außerdem probiere ich immer wieder Neues aus, setze mir neue Ziele. Jetzt habe ich mir zum Beispiel vorgenommen, den Handstand zu lernen (lacht).
Wird Körpersprache aufgrund der neuen Art der Kommunikation via Facebook etc. in Zukunft unwichtig werden?
Wie wichtig Körpersprache für den Menschen ist und bleiben wird, zeigen die Emojis, die den Nachrichten beigefügten Gesichter, die lachen, weinen, verlegen oder verzweifelt sind. Sie ersetzen die körpereigene Mimik, Gestik und Haltung. Und wie ich erfahren habe, wird es in Zukunft noch eine Steigerungsform davon geben, nämlich Hologramme, dreidimensionale Abbildungen, die es möglich machen, am Computer oder Smartphone die Mimik desjenigen zu sehen, der einem gerade eine Nachricht schickt.
Kurz & Persönlich
- Geboren und aufgewachsen in Lienz in Osttirol
- Hobbys: Reisen, Musik, Sport
- Lieblingsliteratur: Romane und Sachbücher
- Lieblingsessen: Nur ja nicht zu eindimensional
- Lieblingsgetränk: Wein
- Schönster Ort in Österreich: Das sind zu viele, um sie hier nennen zu können
- Bevorzugte Urlaubsorte: Italien, USA
Buchtipp:
Stefan Verra
„Hey, Dein Körper spricht”
Worum es bei Körpersprache wirklich geht
ISBN 978-3-8419-0325-9
240 Seiten, € 15,40
Verlag Edel 2015
Webtipp:
www.stefanverra.com
Stand 05/2017