Psyche & Beziehung

Die gesunde Pause

Rechtzeitig, regelmäßig und richtig relaxen: So geht’s
 
Pausieren, um Anspannung und Stress abzubauen, um neue Kraft zu schöpfen, um Glücksmomente zu genießen: In seinem neuen Buch beschreibt der Stressforscher Univ. Prof. Dr. Sepp Porta die Kraft der Pause, die in der modernen, „pausenlosen“ Gesellschaft viel zu wenig genützt wird. Das Tückische an der Pause: Wir brauchen sie nicht nur regelmäßig, sondern lange bevor Körper und Geist am Limit sind und uns zum Innehalten zwingen.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer

Durchschnaufen, abhängen, relaxen, alle viere von sich strecken – die meisten verbinden mit „Pause“ vor allem die Erholung nach einer anstrengenden Tätigkeit. Und diese Erholungspausen haben wir bitter nötig. „Keine Anstrengung kann längerfristig ohne Pause durchgeführt werden, weil wir unsere Energiereserven immer nur durch Unterbrechungen mobilisieren können“, erklärt Univ. Prof. Dr. Sepp Porta, Leiter des Instituts für Angewandte Stressforschung in Judendorf-Straßengel. „Jede bewältigbare Belastung, also jede Belastung, die nicht zur Erschöpfung führt, wird nämlich von unserem System mit einer Überreaktion beantwortet, die sich erst in einer Pause richtig ausbilden kann.“ Diese Überreaktion sei nichts anderes als das Ansparen von Energie für die Zukunft – und zwar in Zeiten, in denen man genügend Reserven hat.
Wie dieser Mechanismus funktioniert? „Wenn man stark unter Druck ist – ob geistig oder körperlich – hat man einen hohen Energieumsatz und bildet verschiedene saure Substanzen“, erklärt Porta. „Da das Blut unter keinen Umständen sauer werden darf, atmet man in hoher Atemfrequenz so viel Kohlendioxyd ab, dass man mehr Säure verliert als über Milchsäure in den Körper gelangt. In der Folge wird das Blut alkalisch statt sauer, was sich positiv auf seine Transportfähigkeit auswirkt. Dadurch ist man für eine zukünftige Belastung bestens gewappnet.“

Wenn Erschöpfung droht

Erst in der Pause entsteht also die Kraft für die kommenden Anforderungen. Wer aber pausenlos arbeitet und auf diese wichtige Unterbrechung verzichtet, versagt Körper und Geist die Möglichkeit zur Regeneration – die Energiereserven leeren sich, Erschöpfung und Burn-out sind mögliche Folgen. „Bei drohender Erschöpfung kann es zuerst zu Blutzuckeranstieg kommen, später wird der Energiestoffwechsel immer aufwendiger, weil Magnesium und Sauerstoff zunehmend fehlen: Für die gleiche Leistung wird immer mehr Zucker oder Fett benötigt“, beschreibt Porta die biochemischen Prozesse.

„Es fehlen zunehmend Elektrolyte, die Atemfrequenz wird immer höher, die Transportkapazität des Blutes durch Säureüberschuss immer schlechter.“ Die Folgen? „Alles zusammen führt zu Abgeschlafftheit, Nervosität und Schlaflosigkeit.“ Bei vorwiegend mentaler Beanspruchung sei das Risiko für diese Zustände besonders groß: Während man bei harter körperlicher Arbeit meist automatisch regelmäßig pausiert, bemerken viele Kopfarbeiter oft erst viel zu spät, dass eine Pause fällig ist.
Dies belegt auch eine Studie, die ein Team rund um Sepp Porta an dem körperlich gut trainierten Ö3-Mikromann Tom Walek, der zu diesem Zweck 54 Stunden wach blieb, durchführte. „Nach rund 40 Stunden hatte der Proband einen furchtbaren Durchhänger“, berichtet der Stressforscher. „Anhand unserer Stoffwechselmessungen haben wir aber bereits fünf Stunden vorher feststellen können, dass der Betreffende gleichsam auf Notaggregat umgeschaltet hat.“

Pausieren lernen

Pausieren sollten wir also, solange es uns (noch) gut geht, lange bevor wir „am Limit“ sind und „nicht mehr können“. „Wir sind aber darauf ausgerichtet, bis zur Erschöpfung zu arbeiten – und müssen das erst lernen“, betont Porta. Eine Faustregel dafür, wann der Körper „pausenwillig“ ist, gibt es leider nicht. „Das ist individuell verschieden und hängt von der Intensität der Belastung sowie der persönlichen Form ab.“ Durch bewusstes Wahrnehmen der eigenen Befindlichkeit lasse sich schließlich erspüren, wann man eine Pause braucht – und wann es Zeit ist, diese zu beenden.
Um Durchhängern und Erschöpfung vorzubeugen, sollte man aber nicht nur rechtzeitig, sondern auch regelmäßig pausieren und Pausen (wieder) zum fixen Bestandteil des Alltags machen. „Regelmäßigkeit ist der Feind von Chaos, und Chaos ist der Freund vom Burn-out“, betont Porta. „Die schöne Sitte des gemeinsamen Frühstückens, Mittagessens, Abendessens bietet einen wertvollen Pausenraster, nach dem ein Tag eingeteilt werden sollte.“
Wochenenden, Kurzurlaube, Urlaube – diese hochgeschätzten längeren Arbeitspausen dienen allesamt der Regeneration, vorausgesetzt man plant sie sorgfältig. „Zu vermeiden ist etwa eine abrupte Pause, da sie uns eher verwirrt als beruhigt“, rät der Experte. Auch sollte man – speziell im Urlaub – nicht in völlige Inaktivität verfallen. „Dringend empfohlen wird nicht Beschäftigungslosigkeit sondern Beschäftigungswechsel.“ Damit die Pause erholsam ist, sollte sie eine Art Kontrapunkt zur üblichen Beschäftigung bzw. der vorangegangenen Tätigkeit darstellen: der gemächliche Spaziergang nach der anspruchsvollen Präsentation, das Dösen in der Hängematte nach der Gartenarbeit, die Kaffeepause, die eine lange Autofahrt unterbricht.
Die Pausenelemente Ruhe, Stille und Kontemplation sind dem Stressforscher zufolge „Wunderwaffen gegen Burnout“, die man jedoch nicht zu abrupt einsetzen sollte. „Viele von Hektik getriebene Menschen haben eine unheimliche Angst vor der Stille und davor, in sich hineinzuhorchen.“ Am besten tastet man sich deshalb behutsam an die Stille heran, z. B. indem man täglich für ein paar Minuten still wird und meditiert.

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Pausieren macht glücklich

Pausieren bringt nicht nur neue Energie, es macht auch glücklich. Gründe dafür sind nicht nur der leckere Cappuccino in der Kaffee- und das lauschige Parkbankerl in der Mittagspause – sondern bestimmte Botenstoffe.
„Während einer Belastung werden auch Glückshormone ausgeschüttet“, präzisiert der Stressforscher Univ. Prof. Dr. Sepp Porta. „Die Ausschüttung einer bestimmten Glückshormon­Vorstufe erreicht während der Pause ihren Höhepunkt.“  

Buchtipp:
Porta, Hlatky, Die Kraft der Pause. Wege aus dem Burn-out,
ISBN 978-3-902552-77-8, ca. 200 Seiten, € 19,90, Verlagshaus der Ärzte

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