Denksport

Oktober 2014 | Fitness & Entspannung

Bewegung ist das beste Gehirntraining
Etliche Studien belegen inzwischen, dass Sport nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn fit hält und so vor Alzheimer-Demenz schützen kann. Doch nicht nur das: Wie eine aktuelle Untersuchung zeigt, hilft regelmäßiges Training sogar dann noch, wenn die „Krankheit des Vergessens“ bereits aufgetreten ist.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Eine besonders gefürchtete Seite des Älterwerdens: Erst vergisst man, wohin man die Brille gelegt hat, dann fallen einem die Namen selbst von guten Freunden nicht mehr ein, schließlich weiß man nicht mehr, welcher Tag ist, verliert immer mehr das zeitliche und räumliche Orientierungsgefühl, kann sich selbst nicht mehr versorgen und wird zum Pflegefall. Alzheimer-Demenz ist der Grund für den geistigen Verfall, eine Erkrankung des Gehirns, die meist im Alter auftritt und an der aufgrund der steigenden Lebens­erwartung immer mehr Menschen leiden.
Nach wie vor wird fieberhaft nach einem Heilmittel geforscht, aber auch nach Möglichkeiten der Prävention. Und hier zeigt sich eines immer deutlicher: Durch sportliches Training kann man sich nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit halten und erhöht so seine Chancen, von der Alzheimer-Demenz verschont zu bleiben. Am deutlichsten beweist das eine Langzeitstudie am Cooper Center in Dallas, einer US-amerikanischen Präventionsklinik. Dort wurden drei Jahrzehnte lang rund 20.000 Frauen und Männer verschiedenen Tests unterzogen. Das Ergebnis: Jene Studienteilnehmer, die regelmäßig Sport betrieben, waren nicht nur insgesamt gesünder, sie hatten auch ein geringeres Alzheimer-Risiko als jene Probanden, die sich schon in jüngeren Jahren und bis zu ihrem 65. Lebensjahr an Winston Churchills Motto „No Sports“ hielten.

Gedächtnis-Areal vergrössert sich

Warum der Sport so gut fürs Gehirn ist, dass er sogar Alzheimer-Demenz vorbeugen kann? „Man weiß inzwischen, dass Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Blutfettwerte und körperliche Inaktivität das Risiko für den krankhaft fortschreitenden Verlust des Gedächtnisses erhöhen“, berichtet Prim. Univ. Prof. DDr. Josef Niebauer, Vorstand des Instituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin in Salzburg, aus der Forschung. „Wer so wie die Probanden in Texas offenbar lange Zeit seines Lebens Sport betreibt, hat diese Probleme eher nicht und damit einen besseren Schutz vor Demenz“, ergänzt der Arzt.
Damit nicht genug: „Bei der Bewegung werden der gesamte Körper und so auch das Gehirn besser durchblutet als im Ruhezustand“, beschreibt Niebauer einen weiteren Pluspunkt von Sport. Durch den schnelleren Blutfluss bekommt das Gehirn rascher als sonst mehr Sauerstoff und mehr jener biochemischen Substanzen, die die Informationsübermittlung zwischen den Nervenzellen erleichtern. So erhöht der „Denksport“ die Denkleistung, zumindest für eine Zeit lang. Wie Forscher des Montreal Heart Institutes in Kanada nachgewiesen haben, ist das bereits bei einem flotten Spaziergang der Fall: Dabei verstärkt sich die Durchblutung des Gehirns sogar schon um 20 Prozent.
Wer sich immer wieder in Trainingsanzug und Turnschuhen schlau macht, erreicht darüber hinaus, dass sich mittel- und langfristig die Verbindungen zur Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen verfestigen und sich neue Verbindungen bilden. Daneben verändert sich gleichsam laufend das Gehirn: Abgesehen von dem Areal, das für Bewegung zuständig ist, vergrößert sich der Hippocampus, jener Teil im Gehirn, der für das Gedächtnis wichtig ist. Das konnten Forscher des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil in Bochum in Untersuchungen von Sportlern zeigen, die sich mit Ausdauersport wie Radfahren, Schwimmen oder Laufen fit hielten.

„Gehirnjogging“ wirkt am besten

Ist das Radeln, Schwimmen, Laufen das bessere „Gehirnjogging“? „Eine Vorrangstellung von Ausdauersportarten in Sachen Alzheimer-Prävention besteht tatsächlich“, bestätigt Niebauer. Denn um die genannten Effekte – Verringerung der Risikofaktoren, verstärkte Durchblutung, Wachstum des Hippocampus – erzielen zu können, muss der Körper zumindest so belastet werden, dass die Herzfrequenz ansteigt, sich der Puls erhöht und die Atmung intensiver wird. „Und das geschieht bei Ausdauersportarten wie beim Jogging, zügigen Schwimmen oder schnelleren Radfahren am deutlichsten“, weiß der Sportmediziner. Gleichwertige Alternativen sind Mountainbiken und Bergwandern, da der Sauerstoffmangel in der Höhe den Körper zusätzlich fordert. „Wer weniger oder gar nicht trainiert ist, belastet und trainiert Körper und Gehirn aber auch schon beim Nordic Walking oder flotten Spazierengehen“, so Niebauer.
Taugt auch Gymnastik als Denksportart? „Bei Ausdauersport tut man zwar mehr für die Gehirndurchblutung, aber man stellt das Gehirn dabei lediglich vor die Aufgabe, die immer gleichen Bewegungen durchzuführen, wie beispielsweise einen Schritt vor den anderen zu setzen“, gibt der Arzt zu denken. Bei anderen Sportarten wie Gymnastik, Handball, Fußball, Tanzen, Krafttraining an Geräten, Kampfsport, Yoga und Pilates fordert man dafür mehr seine Koordinations-, Konzentrations-, Reaktions- und Merkfähigkeit.

Die Treue zählt

Dass es nicht so sehr von der Sportart als von der Sporttreue abhängt, ob man bei der Alzheimervorbeugung erfolgreich ist, geht aus der Langzeitstudie aus den USA mit 20.000 Teilnehmern ebenfalls hervor. „Daher sollte man einen Sport wählen, der einem Spaß macht. Dann fällt es einem leichter, sich immer wieder zu motivieren und dabei zu bleiben“, folgert Niebauer. Wie oft und wie lange man zeitlebens körperlich aktiv sein sollte, um sein Oberstübchen möglichst fit und gesund zu erhalten? In dieser Frage biete, so Niebauer, die Weltgesundheitsorganisation WHO ein gutes Richtmaß: Sie empfiehlt pro Woche mindestens 150 Minuten moderaten oder 75 Minuten intensiven Sport. „Dafür kann man zum Beispiel einmal in der Woche, etwa am Wochenende, einen längeren Lauf absolvieren oder einen langen flotten Spaziergang machen“, schlägt der Arzt vor. „Der gesundheitliche Nutzen ist aber weit größer, wenn man öfter trainiert, zum Beispiel dreimal pro Woche 30 Minuten Ausdauersport betreibt und die Zeit des Abkühlens dazu nützt, um kräftigende Übungen zu machen wie Liegestütze oder Sit-ups, die zugleich die Koordination verbessern.“

Die Kombination macht’s

Dass ein Kombinationstraining wie dieses sogar dann noch wirksam ist, wenn man bereits an Alzheimer-Demenz erkrankt ist, zeigt eine aktuelle Studie, die an der Universität Heidelberg mit 124 Patienten durchgeführt wurde. Die Hälfte von ihnen kräftigte zweimal pro Woche je eine Stunde die Muskeln an Fitnessgeräten und machte zusätzlich ein Bewegungs- und Denktraining. Dieses bestand aus Gehen, Gleichgewichtsübungen und Aufgaben wie Zählen in Zweier-Schritten. Nach drei Monaten zeigte sich, dass die solcherart Trainierten in Sachen Gehfähigkeit, Aufmerksamkeit und geistige Leistung viel besser abschnitten als die Kontrollgruppe. Und das, obwohl die Patienten jener Gruppe in derselben Zeit immerhin eine Hockergymnastik bestehend aus Bewegungsübungen im Sitzen machten – also nicht einmal gänzlich unsportlich waren.

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Alzheimer-Demenz:
Forschung auf Hochtouren

An Alzheimer-Demenz sind derzeit etwa 100.000 Österreicher vorwiegend höheren Alters erkrankt. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung soll sich die Zahl bis 2050 fast verdreifachen.
Wörtlich übersetzt heißt Demenz „ohne Geist“, Alzheimer ist die weitaus häufigste Demenzerkrankung. Sie beginnt mit dem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses: Man kann sich immer weniger Dinge merken und braucht immer länger, um Verlegtes wiederzufinden. Nach und nach geht das Denkvermögen mehr und mehr verloren, oft verändert sich auch die Persönlichkeit, und schließlich schwinden die Sprach- und Bewegungsfähigkeit. So werden die Erkrankten zum Pflegefall.
Die Ursache für diese Entwicklungen ist eine Störung der Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn, die wiederum entsteht, wenn sich an den Nervenzellen Eiweißablagerungen bilden. Die Krankheit verläuft unterschiedlich schnell. Geheilt werden kann sie derzeit nicht. Forschungen nach Medikamenten, die die Eiweißablagerungen im Gehirn verhindern und so die Krankheit gar nicht erst entstehen lassen, laufen auf Hochtouren.

Stand 09/2014

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