Krebs: Hintergründe und Heilungschancen

Januar 2011 | Medizin & Trends

Die Diagnose Krebs stellt in Österreich jedes Jahr das Leben von rund 35.000 Menschen völlig auf den Kopf. Auf die meisten kommen nun intensive medizinische Behandlungen zu, die zwar immer sanfter, sicherer und wirksamer werden, doch bei den Betroffenen in erster Linie Angst und Verunsicherung auslösen. In einer neuen Serie stellt MEDIZIN populär die Säulen der Krebstherapie vor.
In Österreich geschieht es an die 100 Mal pro Tag: Einer Frau oder einem Mann wird die Diagnose „KREBS“ gestellt. Ein Schock? Ja, selbstverständlich! Aber ein Todesurteil, wie das früher einmal war, ist Krebs keineswegs mehr. Im Gegenteil: Die Chancen auf Heilung sind größer als je zuvor.
 
Von Dr. Kurt Markaritzer

„Wir können heute fast 60 Prozent der Krebspatienten heilen“, betont Univ. Prof. Dr. Günther Gastl von der Medizinischen Universität Innsbruck, der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Dennoch ist Krebs die zweithäufigste Todesursache in Österreich, nur an Schlaganfällen und Herzinfarkten sterben noch mehr Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, krebskrank zu werden, ist hoch: Jeder zweite Österreicher wird irgendwann in seinem Leben an Krebs erkranken, wobei die Krankheit verschiedenste Körperorgane befallen kann. Krebs ist deshalb keine eindeutige Definition einer bestimmten Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten mit gemeinsamen Merkmalen. Das Schema ist dabei immer das gleiche: Zellen im menschlichen Körper, die sich ursprünglich völlig normal verhalten haben, vermehren sich im Lauf der Zeit unkontrolliert und schädigen das gesunde Gewebe. In vielen Fällen lösen sich die Krebszellen von jenem Organ, in dem sie entstanden sind, und bilden an anderen Stellen im Organismus sogenannte Metastasen, das sind Tochtergeschwülste, die ihrerseits gesundes Gewebe attackieren und zerstören.

Krebszellen sind Überlebenskünstler

Die Ursache von Krebs sind Störungen der Erbsubstanz. Nur in fünf bis zehn Prozent der Fälle ist die Entstehung von Krebs erblich bedingt, bei den meisten Krebspatienten verändern sich die Gene im Laufe des Lebens durch unterschiedliche äußere Einflüsse: ultraviolette Strahlen, die bei übertriebenem Sonnenbaden in überhöhtem Ausmaß aufgenommen werden; Chemikalien und Umweltgifte; chronische Infektionen; erhöhter Alkoholkonsum; eine ungesunde Lebensweise mit wenig Obst, Gemüse und wenig Bewegung. Eine der Hauptursachen ist das Rauchen, denn allein im Rauch befinden sich an die 50 chemische und radioaktive Substanzen, die Krebs auslösen können.
Gastl: „Diese von außen kommenden Faktoren wirken sich vor allem auf jene Gene aus, die das Wachstum oder das Überleben von Zellen steuern.“ Während normale Körperzellen im Durchschnitt meist zwei bis drei Jahre leben, erweisen sich Krebszellen als hartnäckige Überlebenskünstler: Sie sterben nicht mehr ab, sondern häufen sich und bilden Knoten, welche mit dem lateinischen Begriff „Tumor“ bezeichnet werden.

Körper wehrt Krebs lange Zeit ab

Nicht jeder Tumor ist gefährlich, es existieren auch gutartige Tumore mit weitgehend normalen Zellen, die sich nicht ausbreiten. Sie werden deshalb auch nicht als „Krebs“ bezeichnet und können in der Regel durch einen kleinen chirurgischen Eingriff entfernt werden. Ein Beispiel für einen gutartigen Tumor ist die Warze: Wenn sie operativ entfernt wurde, wächst sie üblicherweise nicht mehr nach. Das gilt auch für so gut wie alle anderen gutartigen Tumore.
Das körpereigene Immunsystem ist bei den meisten Menschen sehr lange in der Lage, bösartigen Krebszellen Widerstand zu leisten. Außerdem können durch körpereigene Reparaturprozesse gefährliche Veränderungen in der Erbsubstanz korrigiert werden. Mit zunehmenden Lebensjahren funktioniert das allerdings immer schlechter. Das hat zur Folge, dass Krebs vor allem in höherem Lebensalter häufiger auftritt. Das mittlere Alter für Krebserkrankungen bei Männern und Frauen liegt derzeit bei knapp 70 Jahren.

Bessere Chancen durch Früherkennung

Die Heilungschancen sind umso besser, je früher der Krebs erkannt wird. Ob Abstrichuntersuchungen vom Gebärmutterhals, Brustuntersuchungen mittels Mammographie, Vorsorgeuntersuchungen der Prostata, Dickdarmspiegelung oder Hautcheck: Gastl rät, vorbeugende Untersuchungen regelmäßig in Anspruch zu nehmen. „Heute werden zum Beispiel 80 Prozent der Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium geheilt“, weiß der Krebsexperte. Ein qualitätvolles, gut organisiertes System zur Krebsvorsorge – das allerdings in Österreich nach wie vor zu wenig beansprucht wird –  ist neben der Verbesserungen bei Medikamenten, dem gezielten Einsatz der Strahlentherapie und neuer chirurgischer Techniken bei Krebsoperationen eine der Hauptursachen für die deutlich größeren Überlebenschancen von Krebspatienten.

Neue personalisierte Therapie

Eine andere, erfolgreiche Strategie, Krebs im Einzelfall besser zu behandeln, ist die sogenannte personalisierte Krebstherapie, die bei jedem Krebspatienten vor allem die individuell oft sehr unterschiedlichen biologischen Eigenschaften der Krebsgeschwulst berücksichtigt. „Man weiß mittlerweile über die Krebsentstehung viel mehr als noch vor einigen Jahren, diese neuen Erkenntnisse sollen nun in neuen Therapiekonzepten ihren Niederschlag finden“, erklärt Prof. Gastl. „Schließlich sind Krebserkrankungen so verschieden wie die Menschen, die davon betroffen sind – und das soll verstärkt berücksichtigt werden.“
Die Fachleute sprechen von dem  „molekularen Fingerabdruck“, der eine individuelle Krebsgeschwulst kennzeichnet und durch moderne molekulardiagnostische Verfahren ermittelt werden kann. Diese Diagnoseverfahren bilden die Basis für die Entwicklung neuer Krebsmedikamente und Behandlungsmethoden. „Ziel der personalisierten Krebsmedizin ist eine für jeden Patienten optimal wirksame und gleichzeitig wenig belastende Krebstherapie“, sagt Prof. Gastl.
In der Regel werden Krebspatienten nach international einheitlichen Richtlinien behandelt. Bei der personalisierten Krebstherapie werden neben den individuellen, biologischen Eigenheiten der Krebserkrankung (Biomarker-Profil) zusätzlich eine Reihe persönlicher Faktoren in die ärztlichen Überlegungen einbezogen. Das betrifft das Alter, das Körpergewicht, Organfunktionen wie jene von Leber, Niere oder Herz, eventuell vorhandene Begleiterkrankungen oder auch die soziale Situation des Patienten. Mit diesen Kenntnissen können Krebsspezialisten gezielt hochwirksame und molekular zielsichere Krebsmedikamente einsetzen.

„Intelligente“ Krebsmedikamente

Das wiederum erhöht die Chancen vieler Krebspatienten auf eine hochwirksame Behandlung mit geringen Nebenwirkungen und besseren Überlebenschancen. Zu diesen modernen Krebsmedikamenten zählen sogenannte Antikörper ebenso wie andere molekular zielsichere („intelligente“) Krebsmedikamente, die entsprechend den individuellen biologischen Merkmalen einer Krebserkrankung verwendet werden, um Krebs an seinen empfindlichen Stellen zu treffen.
Große internationale Studien haben den Erfolg solcher personalisierter Therapiekonzepte in der Krebsmedizin vor allem bei Patienten mit Lymphdrüsenkrebs, Myelom, Brust-, Prostata- oder Darmkrebs belegt. Die Überlebenschancen und Heilungsraten konnten bei diesen Krebsarten in den letzten zehn Jahren deutlich gesteigert werden.
Die meisten dieser neuen, molekular zielsicheren Krebsmedikamente sind in der Regel teuer. Die Krebsmedizin strebt danach, die individuellen Merkmale einer Krebserkrankung immer besser und genauer zu erkennen und für den einzelnen Patienten frühzeitig ein optimales Behandlungskonzept zu erstellen, um im Einzelfall die am besten geeigneten Therapieverfahren und Medikamente einzusetzen. Diese Maßnahmen werden in Zukunft nicht nur die Erfolgschancen, sondern auch die Kosteneffizienz moderner Krebstherapien verbessern.

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Krebs in der Statistik

In Österreich wurde 2008 bei 18.306 Männern und 16.562 Frauen eine Krebsdiagnose gestellt. Im Jahr 2009 starben nach der aktuellsten Übersicht von Statistik Austria 19.361 Menschen an dieser Krankheit, damit verursachte Krebs etwa ein Viertel aller Todesfälle.
Dass Krebs bei weitem nicht mehr ein Todesurteil bedeuten muss, wird durch die Statistik nachhaltig belegt. 58 Prozent der Krebspatientinnen und Krebspatienten leben bereits länger als fünf Jahre nach der Diagnose. Bei Brustkrebs beträgt der Anteil der Personen, die seit der Diagnose länger als fünf Jahre überlebt haben, 61 Prozent, bei Prostatakrebs 47 Prozent und bei Darmkrebs 57 Prozent. Am höchsten ist dieser Anteil beim Gebärmutterkrebs mit 72 Prozent. Krebspatientinnen überleben ihre Krebsdiagnose im Durchschnitt wesentlich länger als ihre männlichen Leidensgenossen. Wichtigste Erklärung dafür ist der bei den Frauen mit Abstand dominierende Brustkrebs mit einer relativ günstigen Überlebensprognose im Vergleich zu dem immer noch häufiger bei Männern auftretenden Lungenkrebs mit relativ schlechten Überlebenschancen.

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Die häufigsten Krebsarten nach Geschlecht:

n = 18.306 Männer = 100 %

   24% Prostata
   15% Lunge
   13% Darm
    7%  Blutbildendes System
    6%  Harnblase
    4%  Magen
    4%  Niere
    4%  Hals-Kopf
    4%  Bauchspeicheldrüse
   20% Andere

n = 16.562 Frauen = 100 %

    28% Brust 
    12% Darm 
     9%  Lunge
     7%  Gebärmutter
     7%  Blutbildendes System
     4%  Bauchspeicheldrüse
     4%  Eierstock
     4%  Schilddrüse
     3%  Magen
    21% Andere 

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Krebstherapie ist Teamwork

Operationen, Strahlentherapie oder Medikamente sind die Säulen der Krebstherapie. Welche angewendet wird, hängt vom Tumortyp ab und davon, wie weit der Krebs fortgeschritten ist. Die häufigste Behandlungsmethode ist die Operation, die Entfernung von bösartigem Gewebe führt in vielen Fällen zur Heilung. Oft werden heute die verschiedenen Behandlungsmethoden zusammen eingesetzt, deshalb wird die Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachgebiete für den Erfolg einer Krebsbehandlung immer wichtiger.

Webtipps:
Hilfreiche Informationen für Krebspatienten und ihre Angehörigen finden sich unter www.krebs-patienten.info und www.krebsinfo.at.

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