Schmerzen in der Schulter

November 2013 | Medizin & Trends

So hilft die moderne Medizin
 
Schmerzen in der Schulter sind beinahe schon zum Volksleiden geworden und machen vielen das Leben zur Qual. Wenn gar nichts mehr hilft, bleibt als Ausweg nur noch ein Gelenksersatz. Bei dieser letzten Option in der Behandlung von Schulterproblemen ist die Medizin jetzt wieder einen Schritt weiter gekommen.
 
Von Mag. Sabine Stehrer

Wir können mit ihnen zucken, um Ratlosigkeit auszudrücken; wir können sie nach vorne beugen, um uns zu schützen, sie straffen, um uns größer zu machen, sie kreisen lassen, um uns zu entspannen; und nur dank ihrer Hilfe können wir unsere Armen in alle Richtungen strecken: Die Schultern sind unsere beweglichsten Gelenke. „Zugleich sind sie aber auch unsere instabilsten und daher verletzungsanfälligsten“, weiß Dr. Markus Wambacher, Chef des Schulterteams an der Universitätsklinik für Unfallchirurgie des Tiroler Landeskrankenhauses TILAK in Innsbruck. Und Verletzungen können den einzelnen Bestandteilen der Schultern und damit dem Gelenk insgesamt ziemlich zusetzen. „So kann ein Auskugeln der Schulter, bei dem Bänder, Muskeln und Sehnen Schaden nehmen, schon in jungen Jahren zu einer Schultergelenksarthrose führen. Dasselbe gilt für einen Bruch des Oberarmkopfes, der oft Durchblutungsstörungen des Knochens zur Folge hat“, verdeutlicht Wambacher. Weitere Ursachen für den frühzeitigen schmerzhaften Gelenksverschleiß in den Schultern sind häufige Fehlhaltungen oder Überbelastungen, die z. B. entstehen, wenn jemand im Beruf viel sitzt oder häufig schwer heben muss. Gefährdet ist auch, wer eine Sportart ausübt, bei der die Schultern stark belastet werden, wie etwa Handball, Volleyball, Klettern oder Golfen. „In manchen Fällen lässt sich gar keine Ursache für einen frühzeitigen Schultergelenksverschleiß erkennen“, so Markus Wambacher. „Dann kann man davon ausgehen, dass die Betroffenen die Anlage für die Arthrose geerbt haben, der Verschleiß der Schultergelenke also genetisch bedingt ist.“

Jeder Zweite über 60 betroffen

Bei Menschen in fortgeschrittenem Alter kommt es fast immer allein durch die mehr oder weniger starke Abnützung über die Lebensjahrzehnte zu einer Schultergelenksarthrose. Und vor allem der Tatsache, dass heute immer mehr Menschen immer älter werden, ist es zuzuschreiben, dass der Schultergelenksverschleiß ähnlich der Arthrose in Knien und Hüften beinahe schon zum Volksleiden geworden ist: Fast jeder Zweite Über-60-Jährige ist betroffen. Damit nicht genug: „Leider wird die Zahl der Menschen mit chronischen Schulterschmerzen mit der weiter steigenden Lebenserwartung noch mehr zunehmen“, sagt Wambacher den Schultergelenken keine gesunde Zukunft voraus.

Nicht unnötig lange leiden

Ob alt oder jung: Wer permanent an Schulterschmerzen leidet, ist in seiner Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt. „Oft sind Alltagserledigungen nur noch unter Qualen möglich“, sagt Wambacher. Schmerzen, wenn man sich die Kleider an- oder auszieht, wenn man sich wäscht, die Haare kämmt, die Einkäufe nach Hause trägt oder die Wohnung putzt – das beeinträchtigt die Lebensqualität enorm. Wenn es einmal so weit gekommen ist, sollten „Betroffene überlegen, sich eine Schulterprothese einsetzen zu lassen“, rät Wambacher. Denn wer nichts unternimmt, leidet nicht nur unnötig lange, sondern muss damit rechnen, dass die Schmerzen noch schlimmer werden, da die Gelenksschäden fortschreiten. Wambacher: „Um dem Leiden bei stark fortgeschrittenen Schäden am gesamten Schultergelenk ein Ende zu machen, kann man nach wie vor nur eine Totalprothese einsetzen, die das Gelenk komplett ersetzt.“ Dies ist ein größerer Eingriff, denn der Oberarmkopf muss abgesägt werden, damit der Arm mit dem neuen Schaft in der Gelenkspfanne befestigt werden kann.

„Plombe“ für das Gelenk

„Sind die Schäden noch nicht so weit fortgeschritten, kann man sich den Komplettersatz heutzutage ersparen“, berichtet Wambacher über aktuelle Möglichkeiten. Denn in den vergangenen Jahren ist die Medizin bei dieser letzten Option in der Behandlung von Schulterproblemen einen Schritt weiter gekommen. „Ist die Muskulatur, die das Schultergelenk zusammenhält, noch kräftig, was bei vielen Patienten der Fall ist, wird heute nur noch eine sogenannte Kappenprothese eingesetzt“, erklärt Wambacher. „Dafür brauchen wir vereinfacht gesagt nur das wegfräsen und ersetzen, was beschädigt ist, also zum Beispiel die oberste Knorpelschicht oder die oberste Schicht vom Oberarmkopf oder von der Gelenkspfanne.“ Die Prothese wird dann wie eine Plombe auf einen Zahn auf Gelenksbestandteile gesetzt und verwächst nach einiger Zeit von selbst mit den Knochen. Der Eingriff ist deswegen besonders schonend, weil er meist nicht sehr lange dauert, die Zeit der Narkose entsprechend verkürzt ist und sich der Blutverlust in Grenzen hält. Die Schulter kann schon am Tag nach der Operation bewegt und sechs Monate später voll belastet werden.

Leichter und einfacher austauschbar

Die neue Art der Prothese hat aber noch weitere Vorteile gegenüber der Totalprothese: Sie ist innen hohl, besteht aus leichtem Titan mit einer Kobaltbeschichtung sowie aus Polyethylen, und wiegt daher nur 26 Gramm. Und so lastet nach dem Eingriff weit weniger Gewicht auf den Schultern der Operierten als auf den Gelenken der Menschen mit einer Komplettprothese, die mit 215 Gramm etwa acht Mal so schwer ist. Darüber hinaus muss die Kappenprothese im Gegensatz zur Totalprothese nicht einzementiert werden und ist daher leichter austauschbar, falls das nötig werden sollte.

Besser dem Verschleiß vorbeugen

Noch besser ist es freilich, gar keinen künstlichen Ersatz zu benötigen und dem Gelenksverschleiß vorzubeugen, indem man bereits früh auf Instabilitäten der Schultergelenke und damit verbundene Schmerzen reagiert. Wambacher: „Je rascher man etwas gegen Schulterschmerzen unternimmt, desto besser sind sie behandelbar und desto eher kann man Arthrosen vermeiden.“ Das Problem ist nur: So lange die Schmerzen nicht permanent bestehen, sondern bei besonderen Belastungen auftreten, nimmt sie die Mehrheit der Betroffenen auf die leichte Schulter. Dabei lassen sich Schulterschmerzen im Anfangsstadium sehr gut beseitigen. „Im Idealfall macht man eine Physiotherapie“, so Wambacher. Mit speziellen Übungen kann man die Schultermuskulatur entspannen und stärken, die Gelenke stabilisieren und Fehlhaltungen oder Fehlbelastungen ausgleichen.

Maßgeschneidert: Schulterprothese der Zukunft

Ähnlich der maßgeschneiderten Prothese für das Knie könnte es in Zukunft auch eine individuell an den Patienten angepasste Schulterprothese geben, weiß Dr. Markus Wambacher. Dabei wird mithilfe von computertomografischen Aufnahmen der Schulter eine Prothese entworfen, die auf die Anatomie des Patienten und auf sein Problem abgestimmt ist. Beim Einsatz der Prothese wird in Zukunft zudem ein Computer die Instrumente führen. Experte Wambacher: „Das hat den Vorteil, dass die Fehlerquote gegen Null gehen wird, die Operation noch schneller als bisher durchgeführt werden kann und daher noch schonender für den Patienten ist.“

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