Wandern wirkt

Oktober 2009 | Fitness & Entspannung

Höhenluft und Bewegung: Das gesunde Duo
 
Was längere Zeit als verstaubte Art der Freizeitgestaltung galt, erlebt jetzt ein ungeahntes Comeback: Wandern ist wieder im Trend. Mit gutem Grund, denn von den vielfältigen positiven Wirkungen profitieren Körper und Seele gleichermaßen. Für MEDIZIN populär erklären Experten, warum Höhenluft und Bewegung die ideale Kombination für Figur, Fitness und Gesundheit sind und wie das flotte Gehen über Stock und Stein auch aus dem Seelentief helfen kann.
 
Von Mag. Alexandra Wimmer & Mag. Sabine Stehrer

Was einst als „des Müllers Lust“ besungen wurde, erfreut heutzutage eine immer größere Anzahl an Bewegungshungrigen – das Wandern. Die Vorteile des Frischluft-Freizeitvergnügens liegen auf der Hand, besser gesagt in den Beinen: Der Ausdauersport wirkt sich umfassend günstig auf Gesundheit und Wohlbefinden aus. „Wandern hat nachgewiesenermaßen positive Wirkungen auf den gesamten Organismus“, bestätigt Dr. Andrea Podolsky, Fachärztin für Innere Medizin sowie für Internistische Sportmedizin und Oberärztin am Institut für präventive und angewandte Sportmedizin am Krankenhaus Krems. „Das beginnt beim Herzkreislaufsystem: Wandern beeinflusst alle Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen positiv, etwa Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechsel- und Zuckerstoffwechselstörungen.“

Für Immunsystem, Knochen und Gelenke  

Die Auswirkung der regelmäßigen Bewegung auf unser Immunsystem erklärt die Ärztin wie folgt: „Zwischen Leistungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit des Immunsystems besteht ein bestimmter Zusammenhang.“ Jene, die sich besonders wenig oder extrem intensiv bewegen, sind im Nachteil, weil ein Zuwenig oder Zuviel das Immunsystem stresst. „Hingegen ist bei jenen, die sich regelmäßig und das ganze Jahr über moderat bewegen, das Immunsystem nachweislich besser funktionsfähig und weniger infektanfällig.“ Und was versteht man unter moderatem Wandern? „Man sollte sich dabei noch gut unterhalten können“, so Podolsky. Fittere Zeitgenossen könnten entsprechend ausgedehnte Bergwanderungen auch in steilerem Gelände in Angriff nehmen, für völlig Untrainierte bedeutet das anfangs vielleicht, in ebenem oder nur leicht hügeligem Gebiet zu gehen. Wer regelmäßig losmarschiert, trägt außerdem zur Krebsvorbeugung bei. „Körperlich Aktive haben ein geringeres Risiko, an Krebsarten wie Brustkrebs oder Darmkrebs zu erkranken“, erläutert die Sportmedizinerin.
Auf Gelenke und Muskulatur kann die Bewegung sich ebenfalls vorteilhaft auswirken. „Durch das Gehen findet eine Stoßbelastung der Wirbelsäule statt. Das aktiviert die Knochen und stellt deshalb eine gewisse Osteoporose-Prophylaxe dar“, erläutert die Sportmedizinerin. „Selbst von Personen mit Gelenkproblemen weiß man, dass körperliche Aktivität die Mobilität länger erhält.“

Gegen Übergewicht, Stress und Stimmungstiefs

Die nachhaltige Bewegung im Freien gilt außerdem – vor allem in höheren Lagen – als probates Schlankheitsmittel, und – weil die Bildung von Stammzellen angeregt wird – auch als Jungbrunnen (siehe Kasten). Von der Bergluft ganz besonders profitieren Allergiker, weil mit zunehmender Höhe die Pollenbelastung abnimmt. Gewöhnungsbedürftig ist hingegen, dass auch der Luftdruck und der Sauerstoffgehalt in der Luft abnehmen. „Meistens stellt das aber selbst für Herzkranke oder Asthmatiker kein Problem dar.“ Im Zweifelsfall sollte man sich mit seinem Arzt bzw. seiner Ärztin absprechen.  
Der Sport stärkt aber nicht nur das körperliche, sondern auch das seelische Wohlbefinden. Indem man wenigstens dreimal in der Woche die Wanderschuhe schnürt und zu einer wenigstens einstündigen Tour aufbricht, kann man gleichsam aus einem Stimmungstief herauswandern. „Man weiß, dass sogar Leute, die unter Depressionen leiden, vom Ausdauertraining profitieren“, ergänzt Podolsky. Außerdem kann die Beinarbeit in freier Natur und frischer Luft als Stressventil genutzt werden.

Mit Bedacht auf den Berg

Und wann ist von einer Wanderung abzuraten? „Bei jeder akuten Erkrankung und mit Fieber sollte man sportliche Aktivitäten besser bleiben lassen“, so Podolsky. Bei chronischen Erkrankungen sei es nicht ratsam, sich auf Wanderschaft zu begeben, wenn der Gesundheitszustand gerade nicht stabil ist. „In diesem Fall sind Ruhe und Schonung angesagt“, so Podolsky. Sobald man gesundheitlich wieder stabil ist, ist auch der Ausdauersport wieder möglich.
Speziell Herzkreislauf-Patienten sollten beim Wandern darauf achten, stets ihr eigenes Tempo zu gehen, selbst wenn sie in einer Gruppe unterwegs sind. Manche wollen keine Schwächen zeigen – und das hat manchmal fatale Folgen: Von den mehr als 100 Wanderern, die jährlich in den österreichischen Bergen tödlich verunglücken, wird bei jedem Zweiten Herz-Kreislaufversagen diagnostiziert, erst danach kommen die Todesfälle bedingt durch Abstürze.
Die richtige Vorbereitung ist deshalb das A und O  für das gesunde (Berg)Wandern – Vielwanderer wissen in der Regel, was und wie viel sie sich zumuten können. „Wer sich auf eine Bergwanderwoche vorbereitet, sollte immer wieder im Gelände bergauf und bergab marschieren“, ergänzt Podolsky. „So stellt man sich darauf ein, dass beim Bergwandern Hindernisse wie Wurzeln oder Geröll vorkommen und trainiert die Koordination.“ Wem für das Training die Zeit fehlt, der sollte beim Wanderurlaub seinen Ehrgeiz drosseln und entsprechend einfachere und kürzere Touren wählen.

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INTERVIEW  
Wie Wandern auf die Seele wirkt

Wanderreisen als Therapie bietet Mag. Andrea Scheutz, Psychotherapeutin und Lebens- und Sozialberaterin sowie Gesundheitswissenschaftlerin in Wien und Niederösterreich ihren Klienten an. Für MEDIZIN populär erklärt sie, wie sich seelische Nöte beim Wandern auflösen können.

MEDIZIN populär
Frau Mag. Scheutz, wie würden Sie die Wirkung des Wanderns auf die Seele beschreiben?

Mag. Andrea Scheutz
Durch die körperliche Bewegung wird Adrenalin abgebaut, also die Stresshormone verflüchtigen sich. Das heißt, dass Wandern auf jeden Fall entspannt und daher zum Beispiel für Menschen gut ist, die zu Panikattacken neigen. Zugleich werden durch die Eindrücke der Natur, durch die Farben und das Licht Endorphine ausgeschüttet, Glückshormone. Wandern hilft also auch sehr gut gegen depressive Verstimmungen. Und es ist auch für Menschen gut, die vor einer Neuorientierung im Job oder im Privatleben stehen. Die finden beim Nachdenken während des Wanderns oft auch für ihr Leben den richtigen Weg.

Worin besteht auf Ihren Wanderungen Ihre psychotherapeutische Unterstützung?

Ich biete Impulse zur Selbsterfahrung und den Raum für Reflexion an. Manchmal schlage ich allen vor, über ein Lebensthema nachzudenken, zum Beispiel über das Gefühl, ausgegrenzt zu sein oder ausgenützt zu werden, und wir sprechen nach einiger Zeit darüber. Themen ergeben sich auch durch die Auseinandersetzung mit der Natur und ihren Einflüssen. Das ist ja etwas, das sich der persönlichen Kontrolle entzieht. Oder sie ergeben sich aus der Auseinandersetzung in der Gruppe. Einmal war es so, dass eine Frau auf dem Weg zu einem Gipfel nicht mehr weiter konnte, und es war vereinbart, dass die Gruppe zusammenbleibt, also mussten alle umkehren. Da war es für einige eine neue Erfahrung zu erleben, was es bedeutet, in einer Gruppe auf das schwächste Glied Rücksicht zu nehmen.

Auch das Pilgern ist sehr im Trend. Immer mehr Menschen, die gar nicht gläubig sind, gehen etwa den Jakobsweg entlang. Warum ist das so?

In unserer Zeit fehlt vielen Menschen eine Orientierung, und sie machen sich auf die Suche danach. Auf dem Jakobsweg finden sie plötzlich viele Gleichgesinnte und erleben, eingebettet zu sein in eine Gemeinschaft.

Wie lang hält die positive Wirkung des Wanderns an?

Ich würde sagen, umso länger, je länger man gewandert ist. Von einer mehrtägigen Wanderung kann man schon sehr viel mitnehmen. Wichtig ist aber das regelmäßige Wandern. Denn wenn das Stresshormon regelmäßig durch Bewegung abgebaut wird, baut es sich auch in den Zeiten, in denen man sich nicht bewegt, schneller ab. Man lebt ausgeglichener und entspannter.

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Studien zeigen:
Wie Wandern auf den Körper wirkt

Studie AMAS 2000 belegt:
Wandern wirkt auf Gesundheit und Figur

AMAS 2000, die „Austrian Moderate Altitude Study“ oder „Österreichische Höhenstudie“ wurde im Jahr 2000 vom Forschungsinstitut für Urlaubs- und Freizeitmedizin sowie Gesundheitstourismus in Bregenz durchgeführt.

Teilnehmer: 85 Männer zwischen 30 und 70 Jahren, die übergewichtig waren.

Dauer:
Drei Wochen.

Fragestellung:
Wie wirkt sich ein dreiwöchiger Aufenthalt auf 1700 Metern Seehöhe (in Obertauern, Salzburg) mit Wanderungen auf die Gesundheit aus? Und wie wirkt sich ein dreiwöchiger Aufenthalt auf 200 Meter (in Bad Tatzmannsdorf, Burgenland) mit Wanderungen im Vergleich dazu aus?

Ergebnisse: Sowohl bei den Teilnehmern in Obertauern, als auch bei jenen in Bad Tatzmannsdorf kam es durch den Urlaub zu einer Verbesserung des Blutdrucks, des Cholesterinspiegels und zu einer Verbesserung der psychischen Befindlichkeit. Bei den Teilnehmern in Obertauern kam es darüber hinaus ohne Diät zu einer Gewichtsabnahme um durchschnittlich drei Kilogramm. „Der Aufenthalt und die Bewegung in der Höhe kurbeln den Fettstoffwechsel stark an, und vermutlich bildet sich auch vermehrt Leptin im Blut, das ist ein Hormon, das die Fettzellen vernichtet“, erklärt Studienleiter Univ. Prof. Dr. Egon Humpeler, Internist in Bregenz.  

AMAS II 2008 zeigt:
Wandern wirkt als Jungbrunnen

AMAS II, die Folgestudie von AMAS 2000, wurde 2008 vom Institut für Verhaltensmedizin und Prävention UMIT in Hall in Tirol in Kooperation mit der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilian-Universität in München durchgeführt.

Teilnehmer: 13 gesunde Personen (7 Frauen und 6 Männer) mit einem Durchschnittsalter von 36,5 Jahren.

Dauer: Eine Woche.

Fragestellung: Wie wirkt sich ein einwöchiger Aufenthalt in 1750 Metern (in Oberlech, Vorarlberg) mit Schneeschuhwandern auf die Gesundheit der Teilnehmer aus?

Ergebnisse: Bei allen Teilnehmern vermehrte sich bereits binnen dieser einen Woche die Zahl der Stammzellen im Blut – was laut Studienleiter Univ. Prof. Dr. Egon Humpeler wie ein Bad im „Jungbrunnen“ wirkt. Ebenfalls schon nach fünf Tagen verbesserte sich auch die Herzratenvariabilität, das heißt, der Puls wurde niedriger und war bei den Versuchspersonen auch noch nach ein bis zwei Wochen nach der Rückkehr stabil niedrig. Auch nahmen bis zum letzten Urlaubstag nach und nach Übermüdung, Stressgefühle, Energielosigkeit, Unkonzentriertheit etc. ab.

„Abnehmstudie“ 2009 zeigt:
Höhenluft wirkt als Schlankmacher

Eine „Abnehmstudie“ wurde im März 2009 im Schneefernerhaus auf der Zugspitze in 2650 Metern Höhe durchgeführt. Leiter war Dr. Rainald Fischer, Internist am Klinikum der Universität München.

Teilnehmer: 19 Männer mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren und einem Gewicht von über 100 Kilogramm.

Dauer: Eine Woche.

Fragestellung: Reicht allein der Aufenthalt in großer Höhe aus, um Gewicht zu verlieren?

Vorgabe: Den Teilnehmern wurde vorgeschrieben, genauso viel zu essen wie sonst und sich kaum zu bewegen – nur kurze Spaziergänge waren erlaubt.

Ergebnisse: Die Teilnehmer nahmen durchschnittlich drei Kilogramm ab und behielten das neue Gewicht auch noch bis zu vier Wochen nach dem Aufenthalt in der Höhe. Studienleiter Dr. Fischer: „Es ist zu vermuten, dass allein durch den Aufenthalt in der Höhe und die Anpassung des Körpers an die Höhe der Grundumsatz und der Energieverbrauch steigen, und dass zugleich der Appetit abnimmt.“ Eine Vermehrung des Fettzellen-fressenden Hormons Leptin im Blut konnten die Forscher bei den immobilen Teilnehmern an der Abnehmstudie auf der Zugspitze allerdings nicht feststellen.

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Gut gerüstet auf Wanderschaft

Das Schuhwerk sollte gut sitzen, neue Schuhe sollte man vor einer längeren Tour eingehen. „Um Blasen und wunde Füße zu vermeiden, sollte man auch auf eine gute, faltenfreie Passform der Socken achten“, ergänzt die Sportmedizinerin Dr. Andrea Podolsky.
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Nehmen Sie ausreichend Kleidung mit! „Selbst wenn man an einem heißen Tag aufbricht, sollte man wind- und wasserdichte Bekleidung mithaben, weil im Gebirge das Wetter rasch umschlagen kann“, rät Podolsky. Wer höher hinauf will, sollte außerdem Mütze und Handschuhe im Gepäck haben. Auch an ein
T-Shirt zum Wechseln nach dem schweißtreibenden Aufstieg sollte man beim Rucksackpacken denken.
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Sonnenschutz: Auf Kopfbedeckung und Sonnenschutzmittel nicht vergessen! Speziell in höheren Lagen muss man beachten, dass die UV-Strahlung stärker ist.
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Wanderstöcke entlasten beim Bergabgehen die stark beanspruchten Kniegelenke. „Bei Knieproblemen ist es vernünftig, bergab Stöcke zu verwenden“, rät die Sportmedizinerin. „Damit die Koordinationsfähigkeit nicht nachlässt, sollte man aber phasenweise auch ohne Stöcke gehen.“
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Nehmen Sie ausreichend (alkoholfreie) Getränke zu sich! „Am besten eignen sich verdünnte Fruchtsäfte“, betont die Ärztin. „Pro Gehstunde sollte man zumindest einen halben bis dreiviertel Liter Flüssigkeit trinken.“
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Proviant: Wertvolle Energie liefern z. B. Trockenfrüchte, fettarme Müsliriegel, Obst oder Gemüse. „Sehr gut eignen sich auch Brot oder Gebäck, vielleicht mit etwas Käse oder Wurst“, so Podolsky.
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In die Reiseapotheke gehören elastische Binde, Dreieckstuch, Pflaster. Wer an einer Krankheit wie Diabetes oder Asthma leidet, darf auf seine Medikamente nicht vergessen.
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Tipp:

Wertvolle Informationen für Wanderfreunde bieten die Naturfreunde Österreich, www.naturfreunde.at

Stand 09/2009

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