Besenreiser, müde, schwere, geschwollene oder sogar schmerzende Beine, Krampfadern: Das alles sind Folgen von Durchblutungsproblemen, die auf Venenerkrankungen zurückzuführen sind. Diese haben sich zur wahren Volkskrankheit entwickelt. Lesen Sie, wie man die Venen fit halten kann.
Von Mag. Sabine Stehrer
„Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass jede zweite Frau und jeder zweite Mann irgendwann im Lauf des Lebens von Venenerkrankungen betroffen ist“, sagt Dr. Sebastian Reischle, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Wien, der sich auf die Behandlung von Venenerkrankungen spezialisiert hat.
Warum das Leiden heutzutage derart weit verbreitet ist? Reischle: „Der Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen immer älter werden, und das Alter ist wiederum eine der Hauptursachen für Venenerkrankungen.“ Ab dem Alter von 70 Jahren habe „nahezu jeder“ Venenprobleme, sagt der Experte. Andere Ursachen für die Volkskrankheit sind die chronische Überlastung der Beine durch zu viele Kilos, Bewegungsmangel, eine überwiegend sitzende oder stehende berufliche Tätigkeit oder ein Beruf, bei dem die Venen durch häufiges schweres Heben besonders beansprucht werden, sowie eine Schwangerschaft oder die Einnahme der Pille. 90 Prozent der Betroffenen sind zudem erblich vorbelastet. Wenn auch schon die Mutter oder der Vater eine Venenerkrankung hatten, ist das Risiko, selbst zu erkranken, doppelt so hoch.
Rechtzeitig behandeln
Treten die typischen Anzeichen auf, zu denen auch bräunliche Pigmentierungen der Haut an den Beinen oder hervortretende Adern an den Fußkanten zählen, sollte man diese nicht einfach als kosmetisches Problem hinnehmen. „Werden Krampfadern nicht rechtzeitig behandelt, drohen auf lange Sicht Entzündungen, Ekzeme und bei der schwersten Form sogar Beingeschwüre“, warnt Univ. Prof. Dr. Erich Minar, Gefäßspezialist und Facharzt für Innere Medizin in Wien sowie medizinisch wissenschaftlicher Leiter im Gesundheitsresort Königsberg Bad Schönau. „Daher sollte man schon bei ersten Anzeichen zum Hautarzt, Hausarzt oder zu einem Gefäßchirurgen, um die Venen untersuchen zu lassen“, ergänzt Reischle, denn: „Je früher die Diagnose erstellt wird, desto einfacher und erfolgreicher ist die Therapie.“
Was ist krank an kranken Venen?
Bei einem gesunden Menschen fließt das Blut durch die Adern in die Beine und Füße und durch die Stammvenen sowie durch deren Seitenäste vom inneren Knöchel zur Leiste und vom äußeren Knöchel bis zum Knie (sowie durch ihre Seitenäste) wieder zurück. Eine Venenerkrankung beginnt damit, dass die Venenklappen undicht werden, wodurch das Blut in die Venen zurücksackt und sich in den Venen staut bzw. langsamer als beim Gesunden zum Herz zurückfließt. So dehnen sich die Venen, werden länger und beginnen sich zu schlängeln, wodurch sie nach außen hin als Krampfadern sichtbar werden. Im weiteren Krankheitsverlauf, der meistens schleichend ist und sich über Jahrzehnte hinzieht, werden die Gefäßwände undicht, und aus den Löchern in den Gefäßen tritt ein Gemisch aus Blut, Eiweiß und Wasser aus. So sammelt sich Wasser in den Beinen, Ödeme können sich bilden, es kann zu einer Entzündung und zu Verhärtungen kommen sowie zu schlecht heilenden Geschwüren, dem so genannten offenen Bein. Außerdem vergrößert sich das Risiko, dass sich im aufgestauten Blut in den Beinen ein Blutgerinnsel bildet, das bis in die Lunge wandern kann, was zur todbringenden Lungenembolie führt.
Diagnostiziert werden Venenerkrankungen, indem der Arzt die Beine anschaut und sie abtastet, eine so genannte Duplex-Ultraschalluntersuchung und/oder ein Röntgen macht, vor dem ein Kontrastmittel in die Beine gespritzt wird. Die Bilder zeigen, welche Venen wo genau in Mitleidenschaft gezogen sind, ob die Venenklappen richtig schließen und wie der Blutfluss in den Beinen funktioniert. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wird entschieden, welche Therapie zum Einsatz kommt. „Grundsätzlich gibt es drei Behandlungsmöglichkeiten, die in den meisten Fällen kombiniert angewendet werden“, erklärt Reischle:
1. Tragen von Strümpfen oder Bandagen
„Durch das Tragen von Stützstrümpfen, Bandagen oder Kompressionsstrümpfen wird von außen Druck auf die Gefäßwände ausgeübt, was sie stabil hält“, sagt Reischle. Damit könnten zwar der Verlauf der Venenerkrankung verlangsamt und die Beschwerden gelindert werden, doch verbessert oder geheilt werden könne die Erkrankung mit dieser Methode nicht.
2. Veröden
Reischle: „Diese Maßnahme ist für Patientinnen und Patienten geeignet, die ihre Beschwerden loswerden wollen, aber keine Operation und/oder Narkose möchten, oder deren allgemeiner Gesundheitszustand keine Operation und/oder Narkose zulässt.“ Beim Veröden wird die betroffene Vene verschlossen. Dies geschieht durch Spritzen der chemischen Substanz Aetoxysklerol, entweder pur oder mit Luft aufgeschäumt. Die verschlossene Vene bleibt im Körper, sie wird automatisch abgebaut. Ihre Funktion wird gleich nach dem Veröden von anderen Blutgefäßen übernommen. Die Methode ist nahezu schmerzfrei und risikolos. „Unerwünschte Nebenwirkungen, die in seltenen Fällen auftreten können, sind eine Venenentzündung und das neuerliche Entstehen von kleinsten Venen um die verödete Stelle herum“, sagt Reischle.
3. Operative Ausschaltung der Venen
„Die operative Ausschaltung von Venen erfolgt unter örtlicher oder regionaler Betäubung, auf Wunsch des Betroffenen auch unter Vollnarkose“, sagt Reischle. Dabei wird die nicht mehr funktionstüchtige Vene ausgeschaltet: Nach der alten Strippingmethode durch Abschneiden und Herausziehen der Stammvenen, nach den moderneren Methoden werden die Stammvenen mit Radiowelle oder Laser von innen verschlossen und im Körper belassen. Andere Blutgefäße übernehmen nach der Entfernung die Aufgabe der ausgeschalteten Vene. Nach der Operation schmerzen die Wunden etwas und eine Zeit lang ist die Gehfähigkeit etwas beeinträchtigt, der Eingriff selbst ist aber risikoarm. Zu den selten auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen zählen Entzündungen und Blutungen. Sehr selten kann es in Folge der Operation auch zu Thrombosen und/oder Embolien kommen.
Hoch lagern und laufen
Sowohl nach der Entfernung als auch nach der Verödung der Venen sind eine Zeit lang das Tragen von Kompressionsstrümpfen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen. Denn wer den Hang zu einer Venenerkrankung habe, sei das Problem oft auch nach einem Eingriff nicht für immer los, weiß Reischle. „Bei bis zur Hälfte der Patientinnen und Patienten kommt es nach ein bis zwei Jahrzehnten an anderen Stellen zu einer neuerlichen Problemstelle, die einen zweiten Eingriff nötig macht.“
Kann man dem Auftreten bzw. der Wiederkehr von Venenerkrankungen vorbeugen? Abgesehen von der Vermeidung von Risikofaktoren wie Übergewicht, langes Sitzen oder Stehen oder schweres Heben gebe es dafür eine ganze Reihe an Maßnahmen, sagt Reischle. Dazu zählen, so der Experte weiter, spezielle Übungen für die Venen, aber auch Laufen bzw. Bewegung, die die Unterschenkel trainiert, da straffe Muskeln einen gesunden Druck auf die Venen ausüben. Außerdem gut: Viel liegen bzw. das Hochlagern der Beine beim Sitzen, bei Flügen Stützstrümpfe tragen, das Übereinanderschlagen der Beine eher meiden und zumindest nicht täglich hohe Schuhe tragen.
Sieben Übungen für gesunde Venen
Waden dehnen
Schrittstellung einnehmen, dabei das vordere Bein beugen, das hintere Bein strecken und die Fußsohle auf den Boden stellen, bis in der Wade eine Dehnung zu spüren ist. Die Dehnung 20 Sekunden lang halten, die Beinstellung abwechseln.
Auf Zehenspitzen gehen
Die Füße im Stehen abwechselnd auf die Zehenspitze stellen, anschließend wieder absetzen.
Radfahren
In Rückenlage mit den Beinen mindestens eine Minute lang Radfahrbewegungen machen.
Fußgymnastik
Im Sitzen Füße auf die Zehenspitzen stellen und bis zur Ferse abrollen, mehrmals wiederholen.
Füße im Sitzen kreisen
Die Füße anheben und im Bereich des Sprunggelenks mehrmals kreisen.
Beine ausschütteln
Im Sitzen die Unterschenkel anheben und ordentlich ausschütteln.
Füße kreisen
In Rückenlage beide Beine nach oben strecken, die Füße zehnmal in die eine, zehnmal in die andere Richtung kreisen.