Wenn Magnesium fehlt

Juni 2011 | Medizin & Trends

Neue Erkenntnisse über die schweren Folgen
 
Konzentrationsstörungen, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Erschöpfungszustände, Depressionen, Wadenkrämpfe, Taubheitsgefühle in Händen und Füßen, Kopfschmerzen: Mit Beschwerden wie diesen kann der Körper reagieren, wenn Magnesium fehlt. Und das ist nach Schätzungen bei rund einem Viertel der Österreicher der Fall. Wie eine aktuelle österreichische Studie zeigt, wiegt der weit verbreitete Mangel bei Diabetikern besonders schwer.
 
Von Mag. Karin Kirschbichler

Diabetes hat sich zu einer Volkskrankheit entwickelt, von der immer jüngere Menschen betroffen sind. Die Forschung auf diesem Gebiet ist immens wichtig, um neue und effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln“, sagt Prim. Dr. Gerd Korisek von der AUVA-Rehabilitationsklinik im steirischen Tobelbad, an der die kürzlich präsentierte Studie durchgeführt wurde. Dort hatte man im Auftrag der AUVA zwei Jahre lang jene Blutstropfen genau untersucht, mit denen von 300 zuckerkranken Patientinnen und Patienten jeweils dreimal täglich der Blutzucker bestimmt wurde. Der Hintergrund für die detaillierte Analyse: „Obwohl man längst weiß, dass Diabetiker einen schlechten Elektrolythaushalt haben, wird lediglich der Blutzucker gemessen“, sagt Univ. Prof. Dr. Sepp Porta, Leiter der Studie und Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Magnesium-Forschung. „Wir hingegen konnten aus demselben Tropfen Blut in nur drei Minuten statt des Blutzuckers alleine noch zwölf weitere Werte pro Patient gewinnen. Und je mehr Werte ich habe, desto genauer weiß ich über den Zustand des Patienten Bescheid.“

Magnesiummangel erhöht Blutzucker

Was man über den Zustand der Patienten herausfand, hat die Experten selber erstaunt: „Wir haben festgestellt, dass 36 Prozent der Typ-2-Diabetiker einen signifikanten Magnesiummangel haben. Das Wissen über den erhöhten Magnesiumbedarf bei Typ-1- Diabetikern ist zwar nicht neu, bei Typ-2-Diabetikern aber kaum bekannt. Neu ist aber vor allem die Erkenntnis aus unserer Studie, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Magnesiumstatus und Blutzuckerspiegel gibt“, sagt Porta. Die Formel für diesen Zusammenhang ist einfach: Je niedriger der Magnesiumwert, desto höher der Blutzucker. Die Folgen wiegen schwer, denn für Diabetiker ergibt sich daraus ein Teufelskreis. Da sie aufgrund ihrer Stoffwechselstörung vermehrt Magnesium mit dem Urin ausscheiden, sind Zuckerkranke von einem Mangel an diesem Mineralstoff besonders häufig betroffen. Da Magnesiummangel den Blutzucker ansteigen lässt, verschlechtert sich aufgrund der Unterversorgung der Diabetes. Die Blutzuckerspitzen wiederum führen dazu, dass noch mehr Magnesium aus dem Körper ausgeschwemmt wird.
Der Weg aus diesem Teufelskreis? „Wir gehen davon aus, dass konstante Zugaben von Magnesium den Blutzucker positiv beeinflussen. Für die Behandlung dieser schweren Krankheit kann das also eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und eine Verminderung der gefährlichen Spätfolgen bedeuten“, so Porta. Der positive Einfluss von Magnesium auf Diabetespatienten soll nun in einer Folgestudie genau erhoben werden.

Häufigster Mangel unserer Zeit

Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse fordert Porta, bei Diabetikern künftig auch den Magnesiumwert im Blut zu erheben. „Als erstes Krankenhaus in Österreich nehmen wir diese Messungen jetzt vor“, sagt Korisek, ärztlicher Leiter der Rehabilitationsklinik Tobelbad.
Für Porta reichen die Konsequenzen der Studienergebnisse aber noch viel weiter. Schließlich gebe es nicht nur eine hohe Dunkelziffer an Diabetikern mit einem erhöhten Magnesiumbedarf, sondern insgesamt eine hohe Dunkelziffer an Menschen, die nicht genug von dem so wichtigen Mineralstoff aufnehmen. Magnesiummangel gilt als die häufigste Elektrolyt-Unterversorgung in unserer Gesellschaft.
„Das Problem wird aber weitgehend totgeschwiegen“, kritisiert Porta. „Der Magnesiumspiegel wird in herkömmlichen Blutuntersuchungen etwa im Rahmen eines Vorsorgechecks gar nicht gemessen. Denn die Beschwerden, die Magnesiummangel auslöst, sind oft lange Zeit nicht dramatisch.“ Das können Muskelkrämpfe insbesondere in den Waden sein, Durchblutungsstörungen, die sich z. B. in einem Taubheitsgefühl in Händen und Füßen äußern, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder erhöhter Blutdruck. Vor allem macht der Mangel empfindlich gegenüber Stress. Erschöpfungszustände, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit und sogar Depressionen können die Folgen sein.
Hauptverursacher der so weit verbreiteten Mangelerscheinung sind wie so oft die Rahmenbedingungen in unserer Zeit: Ungünstige Ernährungsgewohnheiten mit zu viel Weißmehl und Zucker sowie Überdüngung der Böden, die den natürlichen Gehalt an Magnesium in Gemüse und Getreide beeinträchtigen. „Im Brotkörberl ist immer weniger Magnesium drin“, bringt Porta das Problem auf den Punkt.

Stress erhöht den Bedarf

300 bis 350 Milligramm Magnesium sollte ein Erwachsener täglich mit der Nahrung zu sich nehmen. Jugendliche, Ältere, Rekonvaleszente, Schwangere, Stillende, sportlich Aktive, Menschen mit bestimmten Erkrankungen wie eben Diabetes und jene, die viel Stress haben, brauchen noch mehr von dem Mineralstoff. „Magnesium sorgt, vereinfacht gesagt, hauptsächlich dafür, dass der Energietransport im Körper effizient vonstattengeht. Jede Art von erhöhter Stoffwechselaktivität hebt den Bedarf an Magnesium.“ Wobei als erhöhte Aktivität der positive Stress beim Waldlauf genauso gilt wie der negative Stress beim Ärger mit dem Chef. „In dem Moment, wo die Stressparameter ansteigen, gibt es immer einen Magnesiumverlust“, weiß Porta, der auch Leiter des Instituts für angewandte Stressforschung in Judendorf-Strassengel ist.
„Es gibt auch Hinweise darauf, dass Magnesium die Adrenalin- und Noradrenalin-Ausschüttung bremst und dadurch stressdämpfend wirkt. Darum nennt man es manchmal auch ,Salz der inneren Ruhe‘. Die Zusammenhänge müssen aber noch genauer erforscht werden“, so Porta.

Richtiges Essen reicht oft nicht aus

Wie kommt man auf die benötigte Menge Magnesium? „Mit allem, was aus dem vollen Korn stammt und nicht bis zur Unkenntlichkeit verarbeitet wurde“, sagt Porta. Auch Hülsenfrüchte, Nüsse, grünes Gemüse wie Spinat, Kakaopulver und Mineralwässer, die mehr als 100 Milligramm Magnesium pro Liter enthalten, sind gute Quellen. Einen erhöhten Bedarf – und den haben viele – deckt man bei unseren Essgewohnheiten kaum über die Ernährung, so Porta. „Dazu müsste man rund drei Kilo Spinat am Tag essen. Oder große Mengen an Nüssen oder Schokolade, was man schon deshalb nicht empfehlen kann, weil man sich damit wieder Gewichtsprobleme einhandeln kann, wenn man zu wenig Sport betreibt.“
Was also tun? „Am besten zum Arzt gehen und feststellen lassen, ob ein Mangel vorliegt.“ Von Nahrungsergänzung in Eigenregie rät Porta insbesondere Menschen mit schweren Nierenproblemen ab. Die bekannteste unerwünschte Nebenwirkung von Magnesium ist Durchfall, der sich oft verhindern lässt, wenn man den Mineralstoff mit viel Wasser zu sich nimmt. Porta: „Meistens dauert es zwei, drei Monate, bis der Magnesiumhaushalt wieder im Lot ist. Dann sollte der Energiestoffwechsel wieder flutschen, und dann sollte man im wahrsten Wortsinn feststellen, dass es besser läuft – nicht nur beim Sport.“ Portas Tipp für körperlich Aktive: Magnesium eine Stunde vor dem Sport hat meist eine spürbar positive Wirkung.

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Kleiner Stoff mit großer Wirkung
Was ist Magnesium?

Magnesium ist neben Kalium und Calcium der wichtigste Mineralstoff in unserem Körper. Der kleine Stoff mit großer Wirkung ist an einer ganzen Reihe lebenswichtiger Prozesse im Organismus beteiligt und gilt als biochemisches Allroundtalent. Seine wichtigste Rolle spielt Magnesium im Energiestoffwechsel. „Nur wenn Magnesium in ausreichender Menge vorhanden ist, kann der Energietransport im Körper auf effiziente Weise vonstattengehen. Wenn Magnesium fehlt, kann es sein, dass man für dieselbe Leistung 20 Mal so viel Energie braucht, eben weil der Transport nicht richtig funktioniert. Das ist so, als würde Ihr Auto statt acht plötzlich 160 Liter verbrauchen“, veranschaulicht Magnesium-Forscher Univ. Prof. Dr. Sepp Porta die Bedeutung des Mineralstoffs.
Magnesium ist übrigens nicht nur für uns Menschen wichtig. Fehlt der Mineralstoff bei Pflanzen, so welken sie.

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