Wenn das Herz aus dem Takt gerät, steckt in den meisten Fällen Vorhofflimern dahinter. Und das ist weit gefährlicher als bisher angenommen, denn das Risiko für einen Schlaganfall ist groß. Lesen Sie, wie man das Problem rechtzeitig erkennen und behandeln kann.
Von Mag. Sabine Stehrer
Das Herz rast, das Atmen fällt schwer, man fühlt sich schwach, ist schwindlig, manchmal auch einer Ohnmacht nahe, hat vielleicht Brustschmerzen oder fühlt sich abgespannt, müde und unwohl. „Alles das können Anzeichen für Vorhofflimmern sein“, weiß Prim. Univ. Prof. Dr. Kurt Huber, Vorstand der 3. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie am Wilhelminenspital in Wien. Das Fatale: Viele Betroffene bemerken die genannten Beschwerden kaum. Oder aber sie führen sie nicht auf Herzprobleme zurück, sondern betrachten sie als vorübergehende Erscheinung und nehmen sie daher auch nicht ernst genug, um deswegen einen Arzt aufzusuchen.
Fünffach erhöhtes Risiko für Schlaganfall
Doch das wäre sehr wichtig, denn, so Huber: „Wenn auch das Vorhofflimmern für sich genommen nicht lebensbedrohlich ist, so können die Folgen, die Vorhofflimmern mitunter hat, äußerst gefährlich werden.“ Und zwar weit gefährlicher, als man noch bis vor einigen Jahren vermutete. Denn wie man heute weiß, hat ein Mensch, der an Vorhofflimmern leidet, vor allem ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Und zwar besonders dann, wenn gleichzeitig die Gefahr groß ist, dass sich Blutgerinnsel, Thrombosen, bilden – Experten sprechen sogar von einem bis zu fünffach erhöhten Risiko.
„Beim Vorhofflimmern ziehen sich die Vorhöfe des Herzens nicht richtig zusammen, wodurch das Blut in den Vorhöfen teilweise zum Stillstand kommt“, erklärt Huber den Weg zum Schlaganfall. So können sich in den Vorhöfen leichter Blutgerinnsel bilden, die über den Blutkreislauf in das Gehirn transportiert werden und dort ein Gefäß verstopfen – wodurch es zum Schlaganfall kommt. Und Schlaganfälle sind nicht nur der häufigste Grund für Behinderungen und Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter, sondern hierzulande nach anderen Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Krebserkrankungen immerhin die dritthäufigste Todesursache.
Herzmuskelschwäche und Depressionen drohen
Vorhofflimmern erhöht aber nicht nur das Schlaganfall-Risiko, sondern kann, wenn es länger und in hoher Frequenz anhält, auch die Gefahr mit sich bringen, dass sich eine Herzmuskelschwäche bildet. Diese vermindert die Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Tritt das Vorhofflimmern hingegen immer wieder nur kurz und anfallsartig auf, entwickeln Betroffene nicht selten Angstzustände, die u. a. dazu führen können, dass sie immer inaktiver werden, sich zunehmend zurückziehen und selbst isolieren. „Depressive Verstimmungen können die Folge sein“, weiß Huber.
Neue Medikamente helfen
Zu all dem braucht es nicht zu kommen. Denn rechtzeitig erkannt, kann man heutzutage viel dafür tun, um den Folgen von Vorhofflimmern vorzubeugen bzw. das Vorhofflimmern selbst zu behandeln. Huber: „Es gibt gute Medikamente zur Regulierung von Herzfrequenz und Herzrhythmus.“ Wer diese sogenannten Antiarrhythmika nimmt, kann damit rechnen, dass das Herz sehr rasch wieder in Takt kommt und in der Folge auch längerfristig im Takt bleibt. „Das aber nur unter der Voraussetzung, dass die Medikamente so genommen werden, wie es der Arzt empfiehlt “, sagt Huber. Lebenslang heißt es für die meisten Betroffenen Mittel zu nehmen, die vor der Bildung von Blutgerinnseln und dem drohenden Schlaganfall schützen. Huber: „Dafür haben wir nun auch neue Medikamente zur Verfügung, die äußerst wirksam und dazu noch sehr arm an Nebenwirkungen sind.“
Manchmal sind auch Behandlungen mit Stromimpulsen zur Wiederherstellung des Herzrhythmus und in seltenen Fällen kardiologische bzw. chirurgische Eingriffe erforderlich: Wenn das Vorhofflimmern z. B. von elektrischen Impulsen ausgelöst wird, die von den Lungenvenen ausgehen, werden die entsprechenden Regionen verödet. Eher selten wird gegen das Vorhofflimmern ein spezieller Herzschrittmacher eingesetzt.
Viele verschiedene Ursachen
Vorhofflimmern ist zwar ein Leiden, das ohne eine andere Erkrankung oder Risikofaktoren für sich allein genommen auftreten kann, doch wird es meistens durch andere gesundheitliche Probleme verursacht. „Die häufigste Ursache für Vorhofflimmern ist ein über Jahre vorhandener, aber nicht adäquat behandelter Bluthochdruck“, so Huber. Aber auch eine Herzmuskelschwäche, eine Verengung der Herzkranzgefäße, eine Funktionsstörung der Herzklappen oder eine Kombination aus mehreren Herzerkrankungen können Ursachen sein. Dazu kommen Erkrankungen der Schilddrüse oder auch chronisch entzündliche Prozesse. Stellt sich bei Untersuchungen des Bluts oder des Herzens heraus, dass eines dieser Leiden besteht und das Vorhofflimmern ausgelöst hat, muss es mitbehandelt werden, um das Vorhofflimmern besser in den Griff zu bekommen.
Diagnose durch Langzeit-EKG
Während sich eine Schilddrüsenüberfunktion durch ein Blutbild und Bluthochdruck durch regelmäßige Blutdruckmessungen erkennen lassen, ist die Diagnose von Vorhofflimmern nicht immer einfach. Denn oft hält das Flimmern nur kurz an und tritt akkurat dann nicht auf, wenn das Herz per Elektrokardiogramm (EKG) untersucht wird. Daher wird bei der Suche nach Vorhofflimmern auch häufiger und wiederholt ein Langzeit-EKG eingesetzt. Huber: „Dabei werden die Herzfrequenz und der Herzrhythmus 24 bis 48 Stunden lang über ein mobiles Gerät mit Elektroden überwacht, während der Patient seinen normalen Alltag lebt.“
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Was ist Vorhofflimmern?
Was geschieht?
Die Vorhöfe des Herzens ziehen sich nicht richtig zusammen. So wird die Frequenz, in der das Herz schlägt, anfallsartig und für kurze Zeit oder dauerhaft schnell, der Rhythmus unregelmäßig.
Wie merkt man’s?
Herzrasen, Atemnot, Schwächegefühl, Ohnmacht, Schwindel, Brustschmerzen, Abgespanntheit, Müdigkeit, Unwohlsein können Symptome von Vorhofflimmern sein.
Welche Folgen drohen?
Schlaganfall, Herzmuskelschwäche mit Verminderung der Leistungsfähigkeit, Angstzustände, sozialer Rückzug, Depressionen.
Wie viele sind betroffen?
Bei 100.000 bis 150.000 Menschen in Österreich ist das Herz dauernd oder immer wieder einmal aus dem Takt – das besagen zumindest die Statistiken. Prim. Univ. Prof. Dr. Kurt Huber vermutet, dass die Dunkelziffer an Betroffenen doppelt so hoch sein könnte, also bei 200.000 bis 300.000 Fällen liegen könnte.
Wer ist gefährdet?
Zwar kann Vorhofflimmern in jedem Lebensalter auftreten, doch sind vor allem Ältere von dem Leiden betroffen. Statistiken besagen, dass vier Prozent der Über-65-Jährigen und acht bis zehn Prozent der Über-80-Jährigen anfallsmäßig oder dauerhaft an Vorhofflimmern leiden. Aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung wird, wie Experten meinen, die Zahl der Betroffenen in Zukunft steigen.
Buchtipp:
Hessinger, Klein, Kreuzig, Pabst, Tiesenhausen,
Schlaganfall. Erkennen – Rehabilitation – Vorbeugung
ISBN 978-3-99052-024-6, 94 Seiten, € 14,90
Verlagshaus der Ärzte, 2012