Beeinträchtigter Blick

Oktober 2018 | Medizin & Trends

Wie geschwollene Lider und Augenringe entstehen und auf welche Krankheiten sie mitunter hindeuten.
 
– Von Mag. Helga Schimmer

Äußerst dünn und empfindlich ist sie, die Haut rund um die Augen und an den Lidern. Sie erreicht nur ein Drittel der durchschnittlichen Dicke der Gesichtshaut, ihr Unterhautgewebe ist gut durchblutet, weich und locker, zudem fehlt ihr das aufpolsternde Fett. „Aufgrund dieser anatomischen Gegebenheiten kann es leicht und rasch zur Ansammlung von Flüssigkeit und somit zu Lidschwellungen kommen, die medizinisch ‚Lidödeme‘ genannt werden“, sagt Ass. Prof. Dr. Tamar Kinaciyan, Oberärztin an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Wien.
Den Lidschwellungen können verschiedensten Ursachen zugrunde liegen. Zu den vergleichsweise harmlosen Auslösern zählen etwa

  • eine durchfeierte Nacht, bei der zu viel Alkohol geflossen ist,
  • Schlafmangel oder
  • der Aufenthalt in zu trockener, staubiger oder rauchiger Luft.

„Hinter einer Lidschwellung können sich jedoch auch ernste Erkrankungen wie Augeninfektionen, die seltene ererbte Schwellungskrankheit, Schilddrüsen-, Nieren- oder Leberleiden verbergen“, weiß Kinaciyan. Sogar Zahnabszesse, verschiedene Autoimmunkrankheiten oder bestimmte Tumorerkrankungen können sich als Lidödeme äußern. „Häufige Ursache sind allerdings Hauterkrankungen, angefangen von Nesselsucht über diverse Ekzeme bis hin zu Kontaktallergien etwa auf Lidstrich oder Mascara.“    

Mit Lidschwellungen zum Arzt
Man müsse jedoch auch an Kosmetika denken, die auf anderen Körperregionen angewandt werden. So können beispielsweise Haarfärbemittel nicht nur allergische Ekzeme an der Kopfhaut hervorrufen, sondern auch eine Schwellung der Oberlider. „Bei Nahrungsmittel-, Medikamenten- und Insektengiftallergien sind ebenfalls Lidschwellungen möglich, wobei sich hier immer noch zusätzliche Beschwerden wie ein Nesselausschlag, Atemnot oder Heiserkeit zeigen“, ergänzt die Dermatologin.
Die Therapie geschwollener Lider richtet sich erwartungsgemäß nach der zugrunde liegenden Ursache. „Die Grunderkrankung muss zuerst behandelt werden, danach bilden sich die Ödeme von selbst zurück“, sagt Dr. Kinaciyan. Bei leichten Schwellungen, etwa nach einer durchwachten Nacht, genügt meist das Auflegen kalter Kompressen, die das Problem allmählich zum Verschwinden bringen.
Gegen nässende Schwellungen hilft ein Augenbad mit lauwarmem Schwarztee, das bei zwei- bis dreimal täglicher Anwendung entzündungshemmend wirkt. „Zum Weichmachen und Lösen von Krusten hat sich das Einölen der Lider mit Olivenöl bewährt“, rät die Medizinerin.
Bringt die Selbstbehandlung innerhalb einiger Tage keine Besserung, sollte man einen Hautarzt aufsuchen, der bei Lidekzemen in der Regel eine milde Kortisonsalbe verschreibt. Liegt dagegen eine Nesselsucht oder Allergie vor, kommen Tabletten mit Antihistaminika zum Einsatz. Plötzlich auftretende Lidödeme erfordern in jedem Fall einen sofortigen Arztbesuch.

Dunkle Ringe abdecken
Augenringe sind dagegen meist harmlos. Sie entstehen entweder durch Veranlagung, etwa wenn sich bei dunklen Hauttypen verstärkt Pigmente bilden, oder sind durch chronischen Schlafmangel, Alkohol-, Zigaretten-, oder Drogenkonsum sozusagen hausgemacht.
Das rein kosmetische Problem kann sich aber auch durch die Kombination von bestimmten Medikamenten oder Schwangerschaftshormonen mit Sonnenlicht entwickeln. Manchmal kommt es nach chronischen Lidentzündungen oder Ekzemen zu einer erhöhten Pigmentbildung, die innerhalb einiger Monate wieder verschwindet.
Als Gegenmaßnahme empfiehlt Kinaciyan, die erwähnten hausgemachten Auslöser zu meiden bzw. die dunklen Stellen mit hellem Concealer abzudecken. „Bei Augenringen, die durch Medikamente hervorgerufen wurden, kann der Hautarzt eventuell auch eine Bleichcreme verschreiben, die jedoch nur am Jochbogen und keinesfalls zu nahe am Augenlid aufgetragen werden darf, um die Augen nicht zu schädigen“, betont die Expertin.

Cremen gegen Schlupflider
Wenn hängende Hautpartien über dem Auge den beweglichen Teil des Lides verdecken, spricht man von Schlupflidern. Hautärztin Kinaciyan: „Auch sie besitzen keinen Krankheitswert, sondern sind lediglich ein Schönheitsmakel, der durch erbliche Veranlagung oder altersbedingt entsteht – es sei denn, sie sind so stark ausgeprägt, dass sie die Sicht behindern. In diesem Fall hilft nur eine Operation.“
Zum Störfaktor werden Schlupflider bei vielen ab Mitte 30, wenn das Bindegewebe allmählich erschlafft und das aufpolsternde Kollagen schwindet. Lässt sich der Prozess aufhalten? – „Leider nein“, bedauert die Ärztin, „denn gegen ausgeprägte Schlupflider ist selbst die beste und teuerste Augencreme der Welt machtlos.“ Dennoch gibt es wirkungsvolle Strategien, um den Erschlaffungsprozess zumindest zu verlangsamen. „Vermeiden Sie alles, was die Haut vorzeitig altern lässt, also Sonnenbestrahlung, Stress, Rauchen, Alkohol, salzreiches Essen und zu wenig Schlaf“, empfiehlt Tamar Kinaciyan. Straffende Augencremen wirken vorbeugend.

Altersgerechte Augenpflege
Apropos Cremen: Idealerweise beginnt man mit der Pflege der empfindlichen Haut rund um die Augen bereits bevor sich die ersten Fältchen zeigen. „Ich empfehle, spätestens ab dem 25. Lebensjahr morgens und abends eine feuchtigkeitsspendende Augencreme aufzutragen“, sagt die Hautspezialistin Kinaciyan. Wenn mit Anfang 30 die ersten Alterszeichen auftreten, darf die Pflege dann reichhaltiger und fetter werden. Ab rund 40 Jahren kommen Anti-Aging-Wirkstoffe wie Kollagen oder Hyaluronsäure hinzu.
Die Liste der Inhaltsstoffe in Augencremen ist lang und variiert je nach Hersteller sehr stark. Beispielsweise wirken Kollagen und Hyaluronsäure hautaufpolsternd, Vitamin A, C und E sowie das Coenzym Q10 schützen vor freien Radikalen, während Hydroxyproline das Bindegewebe stärken und Seidenproteine die Feuchtigkeit regulieren. „Ob die Rezepturen halten, was sie versprechen, hängt vor allem von der Konzentration und Molekülgröße der Wirkstoffe ab, das heißt je mehr Wirkstoff und je kleiner seine Moleküle, desto effektiver die Creme“, erläutert die Dermatologin. Tipp: Klopfen Sie Augencreme stets vorsichtig mit der Ringfingerkuppe ein, das ist schonend und fördert gleichzeitig die Durchblutung.

Unbedingt abschminken
Auch für Kontaktlinsenträgerinnen hat Dr. Kinaciyan einige Ratschläge parat: „Verwenden Sie immer wasserfeste Augen-Make-up-Produkte, um Irritationen zu vermeiden, und achten Sie, insbesondere bei bestehenden Allergien, auf eine gute Verträglichkeit.“ Damit sich die Augäpfel zwischendurch erholen können, sollten die Linsen nachts entfernt und auch tagsüber stundenweise durch eine Brille ersetzt werden. Gründliches Händewaschen vor dem Hantieren mit den Haftschalen, ihre tägliche Reinigung sowie die Aufbewahrung in speziellen Flüssigkeiten sind ebenso unumgänglich.
Essenziell nicht nur für Kontaktlinsenträgerinnen, sondern für alle, die tagsüber Makeup benützen, ist das abendliche Abschminken. „Wie jedes Organ regeneriert sich auch die Haut nachts und kann in gereinigtem, gepflegtem Zustand besser atmen.
Da man im Schlaf oft unbewusst an den Lidern reibt, kommt es durch vorhandene Makeup-Reste womöglich zu Hautreizungen, Entzündungen und Unreinheiten. Zudem brechen die Wimpern leicht ab, wenn die Tusche vor dem Zubettgehen nicht entfernt wird“, bekräftigt die Expertin. Schließlich wollen wir am nächsten Morgen anstatt müde auszusehen mit strahlendem Blick erwachen.


Bindehautentzündung lässt Augen anschwellen

Augenschwellungen können auch als Begleiterscheinung einer Bindehautentzündung auftreten“, sagt Dr. Philipp Roberts, Facharzt an der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie in Wien. Ob die Entzündung viral, bakteriell oder allergisch bedingt ist, lässt man am besten ärztlich abklären. „Wenden Sie sich mit jeder neu auftretenden schmerzhaften Lidschwellung oder Augenentzündung an einen niedergelassenen Augenarzt. Er wird in Akutfällen immer einen zeitnahen Termin anbieten“, betont Roberts. Nachts eine Notfallambulanz aufzusuchen sei dagegen nur bei Verletzungen am oder Fremdkörpern im Auge notwendig.
Ist die Ursache der Entzündung geklärt, wird das Problem mit Augentropfen oder -salben behandelt, deren Wirkstoffe die Heilung unterstützen.    

Verstopfte Drüsen
Tritt eine Augenentzündung oder -schwellung immer wieder auf und kennt man ihre Ursache, so ist das erneute Aufsuchen eines Augenarztes nicht zwingend erforderlich. „Beispielsweise können sich Menschen mit einer Veranlagung zur Lidrandentzündung, die durch verstopfte Talgdrüsenausgänge an der Lidkante hervorgerufen wird, gut selbst helfen, indem sie ihre Augen konsequent zweimal täglich mit einem feuchten Taschentuch reinigen“, empfiehlt der Augenarzt.
Gerstenkörner entstehen ebenfalls durch einen Talgsekretionsstau, der jedoch mit einer bakteriellen Entzündung der Talgdrüse am Lidrand einhergeht. Kennzeichen sind eine plötzlich auftretende schmerzhafte Lidschwellung mit einem Knötchen, das einen zentralen Eiterpunkt aufweist. „Öffnen Sie ein Gerstenkorn nicht selbst, um eine Verschleppung der Keime zu vermeiden“, sagt Roberts. Auch von Kamillentee-Anwendungen rät der Augenarzt wegen der Allergiegefahr ab. Bei Gerstenkörnern hilfreich sind Kompressen mit warmem, klarem Wasser, Bestrahlungen mit der Rotlichtlampe und antibiotische Augentropfen oder salben.    

Stand 10/2018

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